50 Jahre Oberklasse

BMW 2500 bis 3.3 Li: Sechs Richtige statt V8

Motor
02.08.2018 04:00

Mit diesen Urahnen der 7er-Reihe hat BMW die automobile Hierarchie in Deutschland geändert: Ende der 1960er-Jahre meldeten sich die Münchner mit den Modellen 2500 bis 3.3 Li erfolgreich zurück im Luxussegment. Statt protziger V8 genügten den dynamischen Limousinen turbinenartig laufende Sechszylinder für die linke Spur.

(Bild: kmm)

Es war wie beim legendären Vogel Phoenix, der sich aus seiner Asche zu neuem Höhenflug erhob. Erst hatten barocke V8-Luxuslimousinen dazu beigetragen, dass BMW 1959 an den Rand des Ruins kam. Dann bewirkte das „Wunder von München“, wie es die Medien nannten, einen rasanten Wiederaufstieg der Marke mit Nischenmodellen in der Mittelklasse, bis BMW 1968 mit den Sechszylindern der Baureihe E3 am automobilen Oberhaus anklopfte. Als direkte Vorgänger der heutigen 7er-Reihe verankerten die dynamischen Luxusliner BMW 2500 bis 3.3 Li damals die blauweiße Marke fest am Firmament der Nobelmarken.

Als Vorhut fungierte der 150 PS starke Typ 2500, ein „Auto, von dem die ganze Welt sprechen wird“ und das „nach den Sternen greift“, wie die Fachpresse in ersten Testberichten jubelte. Tatsächlich sorgte der von BMW euphorisch „Großwagen“ genannte, real aber nur 4,70 Meter lange Sechszylinder für Begeisterung beim Publikum - und er überraschte die Politik. Mit einer Preview für die staatstragende Prominenz weit vor Verkaufsstart seines neuen Flaggschiffs hatte sich BMW geschickt ins Gespräch gebracht, genau als eine neue Dienstwagenordnung griff. Bot der 190 km/h schnelle BMW 2500 doch die gleiche Höchstgeschwindigkeit wie ein PS-stärkerer Mercedes-Benz 280 SE, der mit mehr als 2,5 Liter Hubraum Bundesministern aber nicht mehr zustand. Dennoch orderten nur Landespolitiker die Neuen aus München - bis Bundeskanzler Willy Brandt bekannte, privat BMW zu fahren. Erst jetzt übernahmen die Flaggschiff-Limousinen in Langversion Führungsaufgaben in Politik und Industrie. Dort symbolisierten sie Avantgarde, denn den turbinenartig laufenden Triebwerken bescheinigte die Fachwelt eine Vibrationsfreiheit vergleichbar nur dem Wankelmotor.

Kaum eine Klasse, die von den gesellschaftlichen Verwerfungen des Jahres 1968 unberührt blieb. Besonders heftig betroffen war die automobile Oberklasse. Tempo und Leistungswerte wurden wichtiger, Protz und Prunk durch opulente Karosserien waren passé. Letzteres spürte besonders Opel, als Kapitän, Admiral und Diplomat nur noch Nebenrollen besetzten. In der S-Klasse verwischte Mercedes erfolgreich fast alle optischen Unterschiede zwischen teuren V8 und einfacheren Sechszylindertypen und die Newcomer Volvo 164 und Rover V8 waren praktisch Zwillinge der bekannten Vierzylindertypen. Wirklich neu waren nur die dynamisch gezeichneten Doppelscheinwerfer-Limousinen Jaguar XJ6 und BMW 2500. Ihre schlanken Karosseriekörper passten perfekt in ein Zeitalter, das von schnellen Veränderungen, aber auch von gepfeilten Überschalljets und Hochgeschwindigkeitszügen geprägt war.

Die sportlichsten Fahrleistungen
Tatsächlich war Tempo für Verkaufserfolge entscheidend und so implantierte BMW in die mit 1300 Kilogramm überraschend leichtgewichtige Baureihe E3 schon bald stärkere Kraftwerke. Mit dem Ergebnis, dass die bayerischen Luxusliner am Ende Superlative setzten als weltweit schnellste Sechszylinder-Limousinen. Ein Fitnessprogramm, das eingeleitet wurde vom Anfang 1969 lancierten BMW 2800, der mit 170 PS leistender 2,8-Liter-Maschine die prestigeträchtige 200-km/h-Marke knackte und in zehn Sekunden auf Tempo 100 sprintete. Sogar mit Getriebeautomatik bewahrte sich das bayerische Flaggschiff seine Agilität, wie etwa ein Vergleich mit dem Jaguar XJ6 2.8 zeigte, der beim Standardsprint mehr als vier Sekunden langsamer war. In einer Kundenzufriedenheitsstudie bestätigten die BMW-Käufer kurz darauf, dass München wusste, was ihnen wichtig war. Kaufgrund Nummer eins war danach die Fahrwerkstechnik in Kombination mit dem sportiven Temperament der Sechszylinder vom Typ M30. Die größten Defizite hatten die viertürigen Spitzentypen in den Disziplinen Fertigungsqualität und Raumangebot im Fond.

Letzteres bestätigten sogar amerikanische Kunden, dabei hatten doch US-Medien die „Bavarian Motor Works“ gerade erst zu den fünf besten Marken der Welt gewählt. Nachdem die Bestelleingänge für das Duo BMW 2500/2800 schon im zweiten vollen Produktionsjahr deutlich an Aufwind verloren hatten, besserte der 1970 neu inthronisierte BMW-Vorstandsvorsitzende Eberhard von Kuenheim rasch nach. So debütierte schon im April 1971 der Typ 3.0 S mit repräsentativem 3,0-Liter-Vergasermotor und 180 PS, gefolgt vom Einspritzer 3.0 Si mit 200 PS, der es auf 211 km/h brachte. Eine Vmax, für die andere V8- oder gar V12-Motoren bemühen mussten. Nicht einmal der Vorzeige-Sportler Porsche 911 T oder der neue Mercedes 350 SL waren schneller unterwegs. Eindrucksvoll war auch das Drehmoment von souveränen 270 Nm, mehr als beim Rover-V8 und fast auf dem Niveau der Stuttgarter V8. Das Ganze gepaart mit überraschend niedrigen Verbrauchswerten. Aufgewertet wurde auch die Sicherheits- und Komforttechnik, so verfügten beide Drei-Liter-Typen serienmäßig über Servolenkung und über innenbelüftete Scheibenbremsen vorne und hinten.

Sieger auch im Preiskampf
Auch die Optik der Sechszylinder-BMW wurde 1971 überarbeitet. Der Kühlergrill war jetzt bei allen Motorisierungen mattschwarz gestaltet, galt diese Farbe doch damals als Sportabzeichen. Einen besonderen Coup landete BMW bei der Einpreisung der neuen Flaggschiffe. So startete der 3.0 S in Deutschland bei 19.980 Mark, womit er fast 20 Prozent billiger war als eine vergleichbare S-Klasse. Die Kunden dankten es BMW durch eine Nachfrage, die 1972 deutlich die Produktionskapazität der E3-Baureihe übertraf.

Sogar jenseits des Eisernen Vorhangs gab es Kaufinteressenten für den 3,0-Liter. Die russischen GAZ-Automobilwerke fragten bei BMW an, ob die Bayern den Sechszylinder in die Wolga-Limousinen implantieren könnten. Dieses Ansinnen blieb allerdings ebenso Wunschdenken wie BMW-interne Überlegungen, die E3-Limousinen mit Acht- und Zwölfzylinder-Motoren heller als den Stuttgarter Stern erstrahlen zu lassen.

Mehr Luxus dank Ölkrise
Im Winter 1973/74 waren derartige Gedankenspiele ohnehin Makulatur, denn die erste Ölkrise mit Tempo 100 auf den deutschen Autobahnen setzte Marken mit sportivem Image wie BMW und Porsche deutlich mehr zu als den anderen Autobauern. So nahm sich BMW nun endlich des bisher vernachlässigten Themas Luxus an. Die neuen Spitzenmodelle 3.3 L und 3.3 Li boten nicht nur bis zu 3,3-Liter-Hubraum und ein maximales Drehmoment von fast 300 Nm. Sie verfügten endlich über die Features, die für Chauffeurlimousinen essentiell sind, also vor allem ausreichende Beinfreiheit für die Fondpassagiere. Dazu hatte BMW den Radstand um zehn Zentimeter auf 2,79 Meter verlängert, aber auch Komfortattribute wie hintere Kopfstützen und eine zusätzliche Fondraumheizung eingeführt.

Nun war sie endgültig vorbei, die Volksmeinung: „Wer von Mercedes zu einer anderen Marke wechselt, steigt ab„. Ab jetzt galt: “Wer von Mercedes zu BMW geht, steigt um.“ Immerhin kostete der 3.3 Li zuletzt mindestens 46.500 Mark - deutlich mehr ein als stärkerer, stattlicherer und modernerer Mercedes 450 SEL. Weshalb die Langversionen der BMW-E3-Familie entsprechend rar blieben, aber den Boden bereiteten für den 1977 vorgestellten ersten BMW 7er mit noch mehr Komfort.

Chronik:

1961: Weltpremiere des BMW 1500 als erstem Vertreter der sogenannten Neuen Klasse am 15. September auf der IAA in Frankfurt.

1963: Die Fertigung des nächsten Neue-Klasse-Typs, des BMW 1800, beginnt im September.

1965: Entwicklungsbeginn für einen viertürigen BMW „Großwagen“ mit Sechszylinder-Motor. Das Design des neuen Spitzentyps orientierte sich am Stil der Neuen Klasse und sollte Aufsteiger, Fahrer der früheren Typen 501 und 502 sowie Fahrer anderer Oberklasse-Modelle überzeugen

1966: Fahrerprobungsprogramme für die neuen Typen der Baureihe E3.

1968: Der BMW E3 debütiert im April vor Bundes- und Landespolitikern als BMW 2500, im Sommer vor der Presse auch als BMW 2800 (1974 ersetzt durch den BMW 2.8 L). Produktionsanlauf BMW 2500 und 2500 Automatik im August. Die Miss Germany 1968 gewinnt einen BMW, wodurch die Marke passend zur Premiere der Baureihe E3 einmal mehr in den USA Schlagzeilen macht (dort war BMW zuvor bereits als eine der fünf besten Marken der Welt ausgezeichnet worden). Denn die Miss Germany stellt sich in Florida zur Wahl der Miss Universum. Pele, der damals berühmteste Fußballspieler der Welt, besucht die BMW-Werke und bezeichnet die bayerischen Modelle werbewirksam als „schnelle Stürmer unter den Automobilen“. Im September Vorstellung und Produktionsstart der neuen Coupé-Baureihe E 9 mit dem BMW 2800 CS als erstem Typ. Der 2800 CS ist eine Weiterentwicklung des 2000 CS.

1969: Von Jänner 1969 bis Ende 1976 werden die BMW E3 in besonderer Spezifikation für den nordamerikanischen Markt gebaut. Im Februar Produktionsanlauf des BMW 2800, gefolgt vom BMW 2800 Automatik im Mai. Im ersten vollen Produktionsjahr setzt BMW in Deutschland 18.481 Sechszylinder ab. Ein Achtungserfolg gegenüber Mercedes, denn die Marke mit Stern verkauft 49.048 Sechszylinderwagen (allerdings Strich-Acht und S-Klasse zusammen).

1970: BMW verkauft in Deutschland 21.428 Autos der Baureihe E3, weniger als erhofft auch im Vergleich zur Stuttgarter Konkurrenz, die ihren Vorsprung hält. Deshalb bereiten die Münchner eine Modellpflege ihrer sogenannten Großwagen vor, inklusive 3,0-Liter-Motor.

1971: Am 20. April debütieren in Hamburg die Spitzenversionen BMW 3.0 S und 3.0 S Automatik in der gleichzeitig eröffneten neuen BMW-Niederlassung in der Hansestadt. Neben der neuen Spitzenmotorisierung verfügt der 3,0-Liter-Sechszylinder über zusätzliche Komfortattribute im Fond wie Nackenstützen und Leselampen. Neu sind außerdem seitliche Schutzleisten, andere Rückleuchten und weitere optische Details wie Entfall der seitlichen Gitter in der C-Säule, die Zwangsentlüftung des Innenraums wird dabei in die Schlitze neben der Heckscheibe verlegt. Der Kühlergrill ist nun mattschwarz statt verchromt, hinzu kommt eine komfortbetontere Fahrwerksabstimmung. Im August folgt die Modellpflege für die Typen 2500/2800 und im September Serienstart für den 3.0 Si mit D-Jetronic (zum Ende der Produktionszeit mit L-Jetronic). Ab Oktober auch als 3.0 Si Automatik verfügbar.

1972: Bundeskanzler Willy Brandt besucht BMW am Münchner Unternehmenssitz anlässlich der Fertigstellung des neuen Verwaltungsgebäudes „Vierzylinder“ und erklärt auf die Frage, warum das Kanzlerauto noch kein BMW sei, dass er privat BMW präferiere. Bei den 3,0-Liter-Typen übertrifft Nachfrage die Produktionskapazitäten so deutlich, dass längere Lieferzeiten anfallen. Während fast die gesamte deutsche Autoproduktion leicht rückläufig ist, legt BMW auch dank seiner jetzt erfolgreicheren Oberklasse antizyklisch zu

1973: Die sowjetischen GAZ-Werke wollen den 2,5-Liter-Sechszylinder kaufen und in die GAZ-24-Wolga-Limousinen implantieren. BMW hält die fahrwerkstechnisch antiquierten Wolga für nicht geeignet für den Sechszylinder. Im Winter führen die sogenannte Ölkrise und das vorübergehende Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen zu einem Einbruch der Verkaufszahlen bei BMW.

1974: Im Frühjahr wird mit dem BMW 3.3 L (optional als Automatik) eine 4,80 Meter messende Langversion mit zehn Zentimeter Extraradstand und neuer Motorvariante mit größerem Hubraum lanciert, außerdem mit Benzineinspritzung als BMW 3.3 Li (ab 1975 auch mit Automatik). Der 3.3 Li wird später mit auf 3,2 Liter reduziertem Hubraum gebaut

1975: Im Januar Serienstart für die Langversionen BMW 2.8 L und 3.0 L (beide auch als Automatik, 3.0 L Automatik schon seit 04/1974), zugleich entfällt der „kurze“ BMW 2800

1977: Anfang des Jahres endete nach und nach die Produktion aller Typen der Baureihe E3 nach insgesamt rund 222.000 Einheiten. Nachfolger wird der erste BMW 7er.

Motorisierungen:
BMW 2500 mit 2,5-Liter-Sechszylinder (110 kW/150 PS),
BMW 2800/2.8 L mit 2,8-Liter-Sechszylinder (125 kW/170 PS),
BMW 3.0 S/3.0 L mit 3,0-Liter-Sechszylinder (132 kW/180 PS),
BMW 3.0 Si mit 3,0-Liter-Sechszylinder (143 kW/195 PS bzw. 147 kW/200 PS),
BMW 3.3 L mit 3,3-Liter-Sechszylinder (140 kW/190 PS),
BMW 3.3 Li mit 3,2-Liter-Sechszylinder (147 kW/200 PS).

(SPX)

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