FAQ zum Alaska-Gipfel

„Russen sind wie Wasser, kommen durch jede Ritze“

Außenpolitik
14.08.2025 12:46

Der Gipfel zwischen Donald Trump und Wladimir Putin in Alaska sorgt unter europäischen Spitzenpolitikern für große Nervosität. Eine russische Großoffensive und eine bröckelnde Front bringen die Ukraine zudem auf dem Schlachtfeld unter Druck. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einem historischen Treffen.

Auf Initiative vom deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz wurde der US-Präsident im Beisein von Wolodymyr Selenskyj in einer digitalen Schalte am Mittwoch von europäischen Spitzenpolitikern auf das Treffen vorbereitet, um ihm die ukrainischen Interessen in Erinnerung zu rufen. Dabei wurden fünf Forderungen an Putin formuliert, darunter „robuste Sicherheitsgarantien“ für Kiew. Trumps Wankelmut gilt als größte Gefahr für das Treffen in Alaska.

Für viele Experten steht in Alaska das europäische Sicherheitsgefüge auf dem Spiel, falls der US-Präsident dem russischen Diktator zu weit entgegenkommen sollte. Folgend eine Auflistung der wichtigsten Punkte, und was zum Treffen der beiden Staatenführer bisher bekannt ist: 

Was ist die Ausgangslage?
Vieles läuft gegen die Ukraine

Das bilaterale Treffen zwischen Trump und Putin soll offiziellen Angaben zufolge monothematisch sein. Es gehe ausschließlich um den Krieg in der Ukraine. Andere Themen, wie die Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Russland, die der Kreml ins Spiel gebracht hatte, werden vorerst zurückgestellt.

Selenskyj ist in Berlin, um Verhandlungspositionen zu besprechen.
Selenskyj ist in Berlin, um Verhandlungspositionen zu besprechen.(Bild: AFP/ODD ANDERSEN)

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird an diesem Gipfel nicht teilnehmen. Trump hat ihn nicht eingeladen. Der Republikaner kündigte jedoch an, unmittelbar nach dem Treffen mit Selenskyj sowie mit anderen europäischen Staats- und Regierungschefs telefonieren zu wollen, um sie über die Ergebnisse zu informieren. Erschwerend für die Ukraine hinzukommt die aktuelle Situation auf dem Schlachtfeld. Die Russen seien aktuell wie „Wasser, sie kommen durch jede Ritze“, erklärte Oberst Markus Reisner der „Krone“ (siehe Interview am Ende des Textes).

Was sagt Trump?
USA dämpfen die Erwartungen

Von amerikanischer Seite werden die Erwartungen an konkrete Ergebnisse bewusst niedrig gehalten. Das Weiße Haus beschrieb die Zusammenkunft als ein „erstes Abtasten“, bei dem es vor allem darum gehe, Putins Bedingungen für ein Kriegsende zu verstehen. Langfristig verfolge Trump das Ziel, den Kremlchef und Selenskyj an einen Tisch zu bringen, damit diese ihre Differenzen direkt klären können.

Der US-Präsident selbst räumte ein, dass es wahrscheinlich weiterer Treffen bedürfen würde, um eine endgültige Friedensvereinbarung zu erzielen. Der 79-Jährige widersprach sich während einer Pressekonferenz am Dienstag jedoch mehrfach selbst. Sein Auftritt glich einer rhetorischen Achterbahnfahrt. Dabei ließ er einmal mehr durchblitzen, dass er die Schuld an der Fortdauer des Krieges bei Selenskyj sieht. Trump erklärte: „Es wird zu einem Landtausch kommen. Das weiß ich aus Russland.“

Was wurde besprochen?
Tausch von Gebieten als Knackpunkt

Um Trumps prognostizierten „Landtausch“ herrscht hingegen Verwirrung. Kiew erinnerte den US-Präsidenten daran, dass er nicht befugt sei, diesen zu verhandeln. Es ist zudem nicht klar, ob Putin einen Tausch tatsächlich angeboten hat. Trumps Sondergesandter Steve Witkoff soll Aussagen des Kremlchefs nach einem persönlichen Treffen in Moskau falsch wiedergegeben haben. 

Die Karte zeigt den Frontverlauf im Ukraine-Krieg mit Stand 21. Juli 2025. Sie hebt von Russland beanspruchte Regionen hervor. Die Krim ist seit 2014 von Russland kontrolliert. Vor Beginn der Invasion 2022 waren Teile von Luhansk und Donezk russisch kontrolliert. Bis Juli 2025 wurden große Gebiete in Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson von Russland weitgehend erobert. Quelle: ISW/Critical Threats.

Der Ukraine zufolge fordere Putin, dass sich die ukrainischen Truppen freiwillig aus dem Donbass (Donezk und Luhansk) zurückziehen, um überhaupt über eine Waffenruhe sprechen zu wollen. Moskau hätte seine Maximalforderungen nicht heruntergeschraubt. Kiew befürchtet, ein solcher Schritt würde Russland die Tür öffnen, „einen dritten Krieg“ zu beginnen.

„Wenn wir heute den Donbass, unsere Befestigungen, unser Gelände und die von uns kontrollierten Höhen verlassen, öffnen wir eindeutig einen Brückenkopf für die Vorbereitung einer russischen Offensive.“ Trump zeigte sich verärgert über die Aussagen von Selenskyj und erklärte, dass es ihm offen stehe, weiter „zu töten“ – und stellte die Ukraine damit erneut als Aggressor dar. Europäische Staatschefs fürchten, dass der US-Präsident für einen „Deal“ mit Putin bereit sei, die Ukraine zu verraten. Für sie gehe es nun darum, Kiew in eine Position zu bringen, einen schlechten Handel ablehnen zu können. Das russische Außenministerium bezeichnete die von Europa verlangten Konsultationen als „unbedeutend“.

Wo findet Treffen statt?
Tourismus erschwert Ortswahl

Als Ort für das historische Treffen wurde die Joint Base Elmendorf-Richardson am nördlichen Rand von Anchorage in Alaska ausgewählt. Die Wahl fiel auf den Militärstützpunkt, da während der sommerlichen Hochsaison für Touristen kaum andere geeignete und verfügbare Veranstaltungsorte zur Verfügung standen, berichtet der Sender CNN.

Das Weiße Haus hätte es nach eigenen Angaben bevorzugt, den russischen Präsidenten und seine Delegation nicht auf einer US-Militäranlage zu empfangen, die logistischen Anforderungen ließen jedoch keine andere Wahl zu. Die Begegnung werde um 11.30 Uhr Ortszeit (21.30 Uhr MESZ) in Alaska beginnen, teilte der Berater der russischen Regierung, Juri Uschakow, am Donnerstag mit. Vorgesehen sei ein Einzeltreffen von Trump und Putin, nur begleitet von Übersetzern.

Experte Reisner ordnet ein
„Russen wie Wasser, kommen durch jede Ritze“

Blogger, Militärexperten und andere Kriegsbeobachter berichten aktuell von herben Gebietsverlusten für die Ukraine. Gar vom größten russischen Geländegewinn innerhalb von 24 Stunden ist die Rede. Präsident Putin hat vor dem seinem Treffen offenbar den Befehl gegeben, eine Großoffensive zu starten, um seine Position weiter zu stärken. Oberst Markus Reisner vom Bundesheer ordnete die aktuelle Situation gegenüber der „Krone“ ein.

„Krone“: Wie schätzten Sie die Lage/den Durchbruch bei Dobropillia ein?

Reisner: Seit dem 6. August sind die Russen mit Spezialkräften sowie sogenannten Sabotage- und Aufklärungstrupps hinter den ukrainischen Stellungen nördlich von Pokrowsk im Einsatz. Die Angaben zur Tiefe des Vorstoßes variieren, je nach Quelle sind es zwischen 13 und 17 Kilometer. Noch können wir nicht von einem Durchbruch sprechen. Dafür müssten die Russen noch mehr Raum besetzen. Aktuell sehen wir einen tiefen Einbruch, der möglicherweise bis in die neue Donbass-Linie hinein reicht, also die neue Verteidigungslinie, die die Ukrainer gerade hinter der eigentlichen Front errichten. Die nächsten Tage werden entscheidend sein.

Reisner gilt als Erklärer des Ukraine-Krieges.
Reisner gilt als Erklärer des Ukraine-Krieges.(Bild: KULEC)

Und da kommt es vor allem auf zwei Faktoren an. Erstens: Gelingt es den Russen, mehr Soldaten, Ausrüstung, Material und schweres Gerät heranzuschaffen? Und zweitens: Schafft es die Ukraine, rasch sogenannte operative Reserven in den Einsatz zu bringen. Können sie die russische Logistik abschneiden und den Vorstoß damit zum Zusammenbruch bringen?

Wie rücken die Russen aktuell vor?

Um diese Lageentwicklung einordnen zu können, muss man verstehen, wie momentan der Krieg geführt wird. Der großflächige Einsatz von Drohnen führt dazu, dass beide Seiten gegnerische Bereitstellungen und Manöver früh erkennen. Man bezeichnet diesen Zustand auch als gläsernes Gefechtsfeld. In dieser Situation ist es gar nicht mehr möglich, große mechanisierte Verbände einzusetzen. Stattdessen setzen die Russen kleinen Trupps ein, die jeweils aus zwei bis zehn Mann bestehen.

Bei Dobropillia im Raum Donezk sollen Russen die Front durchbrochen haben.
Bei Dobropillia im Raum Donezk sollen Russen die Front durchbrochen haben.(Bild: scribblemaps.com)
Reisner spricht von einem gläsernen Gefechtsfeld.
Reisner spricht von einem gläsernen Gefechtsfeld.(Bild: AP/Andrii Marienko)

Manche sind zu Fuß unterwegs, andere auf Motorrädern oder in kleinen Fahrzeugen. Das gläserne Gefechtsfeld erschwert hingegen für die Ukrainer Rotationen oder das Nachführen von Kräften erheblich. Schätzungsweise 70 bis 80  Prozent der Ausfälle auf beiden Seiten gehen auf Angriffs-Drohnen zurück.

Was sind aktuell die drängendsten Probleme der Ukraine auf dem Schlachtfeld?

Die Ukrainer haben das Problem, dass sie nach dreieinhalb Jahren Verteidigungskampf mittlerweile zu wenig Personal haben und deshalb keine durchgängigen Verteidigungsstellungen errichten können, sondern nur einzelne in einer Art Perlenkette aneinandergereihte Stützpunkte. Die ukrainischen Soldaten, mit denen ich in den vergangenen Wochen telefoniert habe, sagen mir: „Die Russen sind wie Wasser, sie kommen durch jede Ritze.“

Die Ursachen für den Erfolg des langsamen, aber stetigen russischen Vormarsches auf operativer Ebene liegen daher in der zunehmenden Ausdünnung der ukrainischen Linien, der Überdehnung des ukrainischen Frontbogens sowie in der systematisch auf taktischer Ebene angewandten Angriffsmethodik der russischen Verbände. Elektronische Aufklärung, Gleitbomben, Rohrartillerie, Raketenwerfer, Reizstoffe, Kamikazedrohnen und schließlich ein nicht enden wollender Strom kleiner Stoßtrupps – zu Fuß, auf Motorrädern und nur selten mit Panzern – fordern ihren Tribut.

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