Berührende Geschichte

„Meine Kinder waren meine Auferstehung“

Oberösterreich
30.03.2018 14:51

130 Grad heißer Wasserdampf und eine Explosion - Sandra Atzmüller aus Pötting überlebte einen Horrorunfall nur knapp. Für Ehemann, Töchter und Söhne kämpfte sie sich mit aller Kraft wieder zurück ins Leben.

Wenn sie spricht, hängt man an ihren Lippen, wenn sie ihre Geschichte erzählt, rührt das zu Tränen. Nach einer Kesselexplosion 2012 musste die fünffache Mutter zurück ins Leben finden. Wie sie das schaffte, was ihre Motivation war und wie sie das Leben sieht, darüber spricht Sandra Atzmüller im Karfreitags-Interview.

Frau Atzmüller, Ihre Geschichte ist eine ganz besondere, vielen Dank, dass Sie heute mit uns darüber reden. Denn der 2. Jänner 2012 hat Ihr Leben drastisch und für immer verändert.
Es fällt mir immer noch nicht leicht, darüber zu reden. Aber mein Ziel ist, andere Menschen, denen ähnliches passiert ist, zu Hoffnung und Mut anzuspornen (schluckt, Tränen füllen ihre Augen). An diesem Tag vor sechs Jahren hörte ich Geräusche bei der Heizung im Keller. Nachdem ich meinen drei Monate alten Sohn gestillt und ins Bett gelegt hatte, ging ich im Schlafgewand hinunter, um nachzusehen. Als ich die Tür zum Kesselraum öffnete, explodierte der Kessel mit 130 Grad heißem Wasserdampf.

Ein Albtraum.
Es ging alles so schnell. Alles tat furchtbar weh. Ich hab’ so sehr geschrien, lag am Boden und konnte mich nicht mehr bewegen. Erst mein Mann konnte mir dann helfen und mich hinauf in die Wohnung tragen (schluckt und wischt sich Tränen aus dem Gesicht). Meine älteste Tochter war so geistesgegenwärtig und holte Mineralwasser, um meinen Körper zu kühlen.

Was ging Ihnen in diesen Momenten durch den Kopf?
Ich weiß noch, dass ich schnell den Ernst der Lage erkannt und meinem Mann beim Abtransport aufgetragen habe, gut auf meine Kinder Acht zu geben. Mein Kleinster war drei Monate, ich wusste nicht, wie er ohne mich überleben soll. Ich dachte, ich komme nicht mehr heim. Jeder meiner Gedanken galt den Kindern und der Angst, nie mehr für sie da sein zu können.

Ihr letzter Moment, den Sie dann vor der Abholung durch die Rettung noch bei Bewusstsein erlebten?
Eine Sanitäterin sagte zu mir: „Gleich wird alles gut, wir sind da!“ Danach war ich weg. Vermutlich hatte man mich sediert.

Wo nahmen Sie die Kraft her, unter diesen Schmerzen überhaupt zu sprechen?
Ich habe keine Ahnung, woher diese Kraft kam. Ich habe nur noch die Anweisung gegeben, die kleinen Kinder aus unserem Schlafzimmer wegzubringen, weil ich vor einer weiteren Explosion Angst hatte.

Der Hubschrauber hat Sie schließlich nach München, genauer nach Bogenhausen, in das Schwerverbrennungszentrum, gebracht.
... meine erste Erinnerung ist, dass ich nach drei Wochen künstlichem Tiefschlaf wieder aufgewacht bin. Ich weiß noch, wie ich meinen Mann erschreckt hab’, weil ich einen Tag früher als prognostiziert aufgewacht bin. Und ich hatte einen Schock, als ich erfuhr, dass ich jetzt tatsächlich drei Wochen geschlafen hatte.

Was war dann Ihre erste Wahrnehmung?
Das Schlimmste war, dass ich nichts mehr konnte. Nicht sprechen. Nichts bewegen. Du bist zwar da, aber eigentlich nicht. Es dauerte Wochen, bis ich wieder ich war. Ich habe mich immer gefühlt, als würde ich außerhalb meines Ichs stehen. Es war kein klarer Gedanke zu fassen. Es ist so schwer, das Gefühl in Worte zu fassen.

Die Aussichten waren lange nicht gut, wie schwer war es, wieder Mut zu fassen und zurück ins Leben zu wollen?
Ich habe meine Kinder drei Monate nicht gesehen. Drei Monate (wieder steigen ihr Tränen in die Augen)!

Drei Monate, speziell beim kleinsten Sohn, sind sicher wie eine Ewigkeit.
Wissen Sie, wie groß meine Angst war, dass mich der Kleinste nicht mehr erkennt? Aber das Wiedersehen mit ihm war das Beste an allem: Als sie mich auf der Normalstation zum ersten Mal besuchen durften, legten sie mir den Kleinsten in den Arm, und er hat sofort begonnen, meine Brust zu suchen. Das werde ich niemals vergessen.

Sie konnten nichts mehr - nicht essen, nicht gehen oder etwas festhalten und sitzen. Jetzt bewegen Sie sich wie jeder andere gesunde Mensch - was hat Ihnen den Antrieb für dieses Comeback gegeben?
Meine Kinder waren meine Auferstehung, daran denke ich am Karfreitag. Sie waren der Grund, dass ich mich zurückgekämpft habe. Am Ostersonntag vor sechs Jahren war ich zum ersten Mal wieder bei ihnen daheim.

Wie ist Ihr Leben heute?
Heute erscheinen Alltagsprobleme nichtig. Ein Tag im Wald ist ein Geschenk. Jede Kleinigkeit weiß ich mehr zu schätzen als die meisten Menschen. Und die Familie ist zusammengeschweißt. Die Schmerzen, die ich noch immer habe, sind erträglich, immerhin darf ich da sein, darf leben!

Wofür sind Sie heute besonders dankbar?
Für alles. Für meinen Mann, der während meiner Abwesenheit alles gemanagt hat. Für meine Kinder, die wirklich wunderbar sind. Ich bin so vielen Menschen dankbar. Und fürs Leben!

Sabine Kronberger
Sabine Kronberger
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