24H in Gletscherspalte

„Mein Gehirn blieb wegen der Unterkühlung intakt“

Tirol
06.03.2018 09:29

Hermann Spiegl stürzte im März 1985 am Schwarzenstein im Zillertal 15 Meter tief in eine Gletscherspalte. Insgesamt 24 Stunden harrte er schwer verletzt in der Tiefe aus, bis ihn die Einsatzkräfte bergen konnten. Der Chef der Tiroler Bergrettung ist vollständig geheilt und kann heute von seiner Erfahrung gewinnen.

Herr Spiegl, was geschah an jenem Sonntag im März?
Es war ein schöner Tag und ich war mit zwei Freunden am Berg. Weil ich das Gebiet gut kannte und toller Schnee lag, schlug ich vor, die Abfahrt ohne Seile zu machen – eine grobe Fehlentscheidung, wie sich später herausstellte.

Was ist dann passiert?
Weil starker Nebel aufzog, kam ich etwa 150 Meter von der Abfahrtsspur ab. Ich fuhr voraus und brach in einer Spalte ein. Das Seil war noch an meinem Rücken, aber eben nicht verbunden. Meine Freunde konnten mir nicht helfen.

Wie ging es dann weiter?
Wir hatten damals noch kein Handy, meine Begleiter mussten losfahren, um Hilfe zu holen. Der Helikopter konnte aufgrund des Nebels nicht starten. Die Bergretter mussten aufsteigen. Sie sind am späten Nachmittag gestartet und kamen bei Sonnenaufgang des nächsten Tages oben an. Durch den Wind und Neuschnee war die Einbruchsstelle fast nicht mehr zu finden. Sie suchten vier Stunden nach mir. Als sie mich fanden, lag ich 24 Stunden in der Spalte.

Können Sie sich an diese Stunden noch erinnern?
Meine Eindrücke sind sehr differenziert – ich war schwer verletzt und habe deshalb kein Erinnerungsvermögen an diese Zeit. Alles was ich weiß, baut auf den Erzählungen der anderen auf.

Wie haben Sie das überlebt?
Ich hatte wahnsinniges Glück, denn ich war stark unterkühlt – meine Körpertemperatur lag nur noch bei 30 Grad. Aber genau das hat bewirkt, dass mein Gehirn durch die Verletzungen keinen Schaden nahm, und es war noch nicht so viel, dass mein Herz aufgegeben hätte. Ich hatte einen Schädelbasisbruch und eine Teilskalpierung – aber ich war ansprechbar, als ich gefunden wurde, auch wenn ich nur wirres Zeug redete.

Sie sind vollständig geheilt. Gibt es etwas, dass sie anderen Tourengehern mitgeben würden?
Jeder, der sein Leben auf den Bergen verbringt, kann mal eine Fehlentscheidung treffen. Mit Glück geht es gut aus, mit Pech eben nicht. Ich will kein Moralapostel sein. Eines aber kann ich mit Sicherheit sagen: Seile retten Leben!

Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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