Ich hab' das Kleeblatt erlebt! Nein, nicht das glücksbringende grüne aus dem Pflanzenreich, aber vierblättrig war's schon. Was auch diesen Namen trägt, ist jene Segel-Kunstflugformation, die unser frischgebackener steirischer Weltmeister dieses Genres, als Einziger auf der Welt zu fliegen imstande ist.
Vier aufeinanderfolgende Loopings
Es war über dem Grazer Thalerhof wo mich Dietmar Poll eindrucksvoll in sein Himmelreich entführt hat. Und sein Kleeblatt war auch dabei! Es besteht aus vier aufeinanderfolgenden Loopings. Drei "positiven" (da steigt man zuerst hoch und dreht sich dann im Kreis) und einem "negativen". Der ist einer der größten Adrenalin-Produzenten in der Fliegerei. Man fällt nämlich, zwecks Luftkreis-Produktion, zuerst nach unten und ist noch gewaltigeren Fliehkräften ausgeliefert.
Bleiben wir aber zunächst noch am Boden. Vor dem "Pinocchio". So heißt der vom Weltmeister aus Leibnitz selbst entwickelte und gebaute zweisitzige, voll kunstflugtaugliche, Segler. 100.000 Euro ist der Kleine wert – zu kaufen gibt's ihn aber nicht, weil er ein Prototyp ist und ihn sein Schöpfer und Besitzer nie und nimmer hergeben würde.
"Das Erleben der Leichtigkeit"
Zunächst doziert er einmal, der weltmeisterliche Kunstflug-Professor, der sein Fluggerät zuvor aus dem Transporter geschoben und dann schwitzend zusammengebaut hat. "Wir gehen jetzt in die Luft – zum Tanzen," sagt er. "Was dort oben geschieht, ist für mich Spaß, das Erleben der Leichtigkeit!" Dann kommt's sachlicher: "Beim Kunstflug bewegen wir uns um drei Achsen. Das Drehen um die Längsachse nennen wir Rolle, jenes um die Querachse Looping, Drehungen um die Hochachse heißen Turns. Dazu gibt's Unmengen von Kombinationsmöglichkeiten. Die sind alle in einem dicken Buch vermerkt."
Idee fürs Kleeblatt stammt aus Ungarn
Das Kleeblatt ist noch nicht drinnen. Das hat der Doktor und Diplomingenieur (Kunststofftechnik) erst vor wenigen Wochen ersonnen. "Ich hab' einige schlaflose Nächte damit verbracht, die Energiebilanz dieser Figur auszurechnen. Die Idee dazu hat's ja schon gegeben. Die hat mein ungarischer Freund, der ehemalige Motor-Kunstflugweltmeister Sandor Katona aus Ungarn gehabt. Das Problem an der Sache war aber stets der vierte Looping. Einmal positiv, dann negativ, dann nochmals positiv – das ist energetisch durchaus möglich. Aber dann kommt man mit 200 Stundenkilometern raus und schafft keinen vierten Looping mehr. Da zerreißt es einen.
Ich bin zum Schluss gekommen, dass man nach dem dritten Looping eine halbe gerissene Rolle einbauen, die Geschwindigkeit damit auf 130 'Sachen' vermindern und dann ohne weiteres den vierten Positiv-Looping anhängen könnte." Der Dietmar Poll hat's probiert – und es klappt. Das weiß ich, denn ich war dabei und ich bin ja schließlich noch am Leben.
Ohren wandern ans Ende des Hinterkopfes
Oben, in der Luft, ist natürlich alles ganz anders. Da hat man das mit der gerissenen Halb-Rolle längst vergessen. "Bereit?" hat er kurz gefragt – und dann ist's losgegangen. Der erste (positive) Looping hatte ja noch fast etwas mit dem Ritt in einer Hochschaubahn zu tun. Aber dann der negative. Das Gesicht ist plötzlich nicht mehr das eigene. Die Haut strafft sich, die Ohren wandern ans Ende des Hinterkopfes, das Hirn wird leicht und drängt nach oben. Ich weiß, es ist eine unvollkommene Darstellung des Geschehens, ein Versuch eben, aber eine bessere Beschreibung fällt mir nicht ein. Sowas muss man selbst erleben. Und man kann's.
Dietmar Poll nimmt – wenn er Zeit hat und das Wetter passt – auch andere Passagiere als mich mit. 150 Euro kostet das ultimative, weltmeisterliche Segelflug-Erlebnis. Es dauert etwa 20 Minuten, vier davon finden im Kunstflug statt. Dabei werden mindestens zehn Figuren (Loopings, Turns, Rollen etc.) im "Pinocchio" absolviert. Anmelden kann man sich unter der Telefonnummer 0664/8315369.
Elf Figuren in dreieinhalb Minuten
Wir konnten wegen des einsetzenden Regenwetters statt auf 1.600 Meter nur auf 950 Meter geschleppt werden. Trotzdem sind wir innerhalb von dreieinhalb Minuten (Ende war 300 Meter über dem Boden) elf Figuren geflogen. Die vier Loopings des Kleeblattes, die halbgestoßene Rolle, den Abschwung, den Turn (dabei steigt man senkrecht hoch und dreht sich oben mit einem "Männchen"),noch eine Rolle und einen Turn mit dem finalen "Männchen".
"Schön war's"
"Sorry", hat der Weltmeister am Ende gesagt, "wenn der Regen nicht gewesen wäre, dann hätte ich dir noch mehr zeigen können." Flieger sind nach einem so intensiven Gemeinschaftserlebnis automatisch per "Du". "Schön war's", habe ich geantwortet und ihm das Foto gezeigt, das ich während des vierten Kleeblatt-Loopings von mir selbst geschossen habe (ganz rechts). Die Hand war wegen der Fliehkraft schwer wie Blei, aber ich habe sie trotzdem hochgebracht und abdrücken können. Es ist wohl das erste Foto eines Kleeblatt-Passagiers – und darauf bin ich schon ein bissl stolz.
Daten und Fakten
von Werner Kopacka, "Steirerkrone"
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