Verzögerungstaktik

Karadzic beharrt vor UN-Tribunal auf Straffreiheit

Ausland
26.05.2009 08:11
Der ehemalige Präsident der Bosnisch-Serbischen Republik (Republika Srpska), Radovan Karadzic, beharrt weiterhin strikt auf seiner Straffreiheit vor dem UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien. Am Montagnachmittag ließen seine Rechtsberater dem Haager Gericht 140 Seiten Unterlagen zukommen, die angeblich von einer diesbezüglichen Einigung Karadzic' mit dem früheren US-Balkanbeauftragten Richard Holbrooke zeugen. Auf dem Papier existiert diese Einigung jedoch laut Medienberichten offenbar nicht.

Karadzic stellte bosnisch-serbischen Medienberichten zufolge dem UN-Tribunal unter anderem seine Erklärung vom 19. Juli 1996 zu, mit welcher er seinen Rückzug aus dem öffentlichen Leben bestätigte. Die Erklärung wurde von früheren engen Mitarbeitern Karadzic', darunter dem damaligen Parlamentspräsidenten Momcilo Krajisnik und Außenminister der Republika Srpska Aleksa Buha, unterzeichnet. Von einer eventuellen Straffreiheit, worauf sich die Einigung mit Holbrooke beziehen soll, ist darin allerdings keine Rede.

Verhandlungen sollen über Milosevic gelaufen sein
Karadzic selbst gab in seinem Antrag an das UN-Gericht an, dass er mit Holbrooke über die Bedingungen selbst gar nicht verhandelt habe. Die Verhandlungen wurden nämlich in Belgrad geführt, er war die ganze Zeit in Pale bei Sarajevo. Nach seinen Angaben habe er sich in wiederholten Telefonaten mit dem damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic beschwert, weil die Einigung mit Holbrooke nur Verpflichtungen für ihn enthalte. Milosevic habe ihm erklärt, dass "Holbrooke sagte, dass die USA ihren Teil der Einigung aus politischen Gründen nicht auf Papier setzen könnten", behauptet nun Karadzic. Auch soll ihm Milosevic versichert haben, dass Holbrooke "seine Versprechen immer" eingehalten habe.

Anwälte laden mehrere Zeugen vor
Die Rechtsberater von Karadzic, die erneut eine Einstellung des Verfahrens vor dem UN-Tribunal beantragten, wollen indes zu einer eventuellen mündlichen Verhandlung betreffend der angeblichen Einigung mit Holbrooke sowohl Krajisnik als auch Buha als Zeugen vorladen. Die ehemalige bosnisch-serbische Präsidentin Biljana Plavsic, einst engste Mitarbeiterin Karadzic', die vor einigen Jahren selbst wegen Kriegsverbrechen zu elf Jahren Haft verurteilt worden war, lehnte dagegen jegliches Gespräch mit den Rechtsberatern Karadzic' ab.

Serbischer Ex-Geheimdienstler schweigt
Auch der einstige serbische Geheimdienstchef Jovica Stanisic, der im Juli 1996 als Vermittler zwischen Belgrad und Pale pendelte und eigentlich einer der Hauptakteure der vermeintlichen Einigung gewesen sein soll, äußerte sich bisher nicht zu der Causa. Seine Anwälte begründen dies mit seinem schlechten Gesundheitszustand. Der frühere Außenminister Jugoslawiens und spätere serbische Präsident Milan Milutinovic, der die Rücktrittserklärung Karadzic' selbst mitunterzeichnete, konnte laut dem Sender RTRS ebenfalls nicht sagen, ob Holbrooke dem Haager Angeklagten die Straffreiheit versprochen habe oder nicht. Milutinovic wurde kürzlich vor dem UNO-Tribunal in einem anderen Verfahren freigesprochen.

US-Diplomaten offenbar uneinig
"Wenn es um Karadzic ging, so verfolgte die US-Regierung drei grundlegende Ziele: Seinen Rücktritt, seine Abreise aus Bosnien-Herzegowina und die Überstellung an das UNO-Tribunal. Bei diesen Verhandlungen (Juli 1996) haben wir das erste Ziel erreicht", sagte der US-Diplomat Phil Goldberg, der den Gesprächen Holbrookes in Belgrad beiwohnte. Sein Kollege Lawrence Butler ist andererseits überzeugt, dass im Laufe jener Gespräche in Belgrad das UNO-Tribunal überhaupt nicht erwähnt worden sei.

Nur Verzögerungstaktik?
Der im vergangenen Juli in Belgrad festgenommene Karadzic wird sich vor dem UN-Tribunal wegen Völkermordes in Srebrenica, der Beschießung Sarajevos und anderer Kriegsverbrechen während des dreijährigen Bosnien-Krieges (1992-1995) zu verteidigen haben. Karadzic ist seit der Überstellung an das UNO-Tribunal anhaltend bemüht, mit seinem Beharren auf der angeblichen Straffreiheit das Verfahren hinauszuschieben.

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