"Leiden beenden"

Papst besucht palästinensisches Flüchtlingslager

Ausland
13.05.2009 20:39
Papst Benedikt XVI. hat Israelis und Palästinenser nachdrücklich zum Frieden aufgerufen. Bei einem Besuch in einem Flüchtlingslager bei Bethlehem forderte Benedikt beide Parteien am Mittwoch auf, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Der Papst sprach im Schatten einer acht Meter hohen Mauer, Teil des israelischen Sperrwalls zum Westjordanland, den er als Symbol einer Sackgasse bezeichnete, in der Israelis und Palästinenser steckten. Zugleich setzte sich das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche für einen eigenen Staat der Palästinenser ein.

"Über uns steht ein starkes Symbol für die Sackgasse, in der die Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern zu stecken scheinen - die Mauer", sagte der Papst im Lager Aida mit mehr als 4.000 Einwohnern. Er bete inbrünstig für ein Ende der Gewalt, die den Bau der Sperranlage verursacht habe. "Auf beiden Seiten der Mauer bedarf es großen Mutes, um Angst und Misstrauen zu überwinden, und dem Ruf nach Vergeltung für Verluste oder Verletzungen zu widerstehen." Diplomatische Bemühungen für ein Ende des Konflikts hätten nur dann Erfolg, "wenn beide Seiten bereit sind, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen". An die jungen Palästinenser appellierte er, trotz ihrer schwierigen Lage nicht zu verbittern und der Versuchung von Gewalt und Terror zu widerstehen. Benedikt übergab einen Scheck in Höhe von 70.000 Euro an die Leitung des Lagers.

In Bethlehem begrüßten Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas und mehrere tausend Palästinenser das Kirchenoberhaupt zuvor am Mittwoch im Zuge seiner Nahost-Reise. "Lang lebe der Papst, lang lebe Palästina", riefen sie in Sprechchören. Vor allem Christen waren zum Empfang des Papstes unweit der Geburtskirche gekommen, wo Jesus der Überlieferung zufolge in einem Stall zur Welt gekommen war. Manche der Besucher weinten vor Rührung.

Beten für ein Ende des Embargos
Zum Auftakt des Aufenthalts im Westjordanland hatte Benedikt Präsident Abbas seine Hilfe beim Streben nach einem eigenen Staat - ein "souveränes Heimatland" für die Palästinenser - zugesagt. Er wisse um die fortdauernden Leiden der Palästinenser in dem seit Jahrzehnten im Heiligen Land andauernden Konflikt. "Mein Herz ist mit all den Familien, die soviel verloren haben", sagte Benedikt. Er bete auch dafür, dass das israelische Embargo gegen den von der radikal-islamischen Hamas beherrschten Gazastreifen bald zu Ende gehe. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, bezeichnete laut Kathpress die israelische Sperrmauer bei der von Benedikt zelebrierten Messe in Bethlehem als eine der Ursachen für die Abwanderung palästinensischer Christen.

Abbas sprach von den Härten für sein Volk und verurteilte vor allem die israelischen Sperranlagen. "Jerusalem ist einer Mauer der Apartheid umgeben", sagte Abbas. Sie sei Teil des israelischen Versuchs, die Palästinenser aus ihrer Heimat zu vertreiben. "Gegen alle arabischen Bürger - Christen und Muslime - werden alle Arten der der Unterdrückung, der Tyrannei und des Landraubs ausgeübt." Die Palästinenser wollten ein Leben "ohne Besetzung, ohne Kontrollpunkte, ohne Mauern, ohne Gefangene, ohne Flüchtlinge". Er dankte Benedikt, der die Gaza-Offensive Israels zum Jahreswechsel ausdrücklich erwähnt hatte, für dessen Mitgefühl "für das Leiden unseres Volkes".

Erster Besuch in Palästinenser-Gebieten
Es war der erste Besuch Benedikts als Oberhaupt der katholischen Kirche in den Palästinenser-Gebieten. Im Westjordanland leben 50.000 Christen unter 2,4 Millionen Muslimen - im Gazastreifen sind es rund 1.000 unter 1,5 Millionen. Israel hat den Gazastreifen wegen des fortwährenden Raketenbeschusses durch militante Palästinenser abgeriegelt. Den Bau der Sperranlage begann Israel nach einer Serie von palästinensischen Selbstmordattentaten 2002. Sie verläuft größtenteils nicht direkt entlang der Waffenstillstandslinie von 1949, sondern reicht an einigen Stellen tief ins Westjordanland hinein. Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte 2004 befunden, dass der Wall gegen das Völkerrecht verstößt.

Vatikan-Sprecher Lombardi widerrief eine Stellungnahme vom Vortag, die in Israel für großes Aufsehen gesorgt hatte. Der Sprecher hatte am Dienstag gesagt, dass Benedikt niemals Mitglied der Hitlerjugend gewesen sei. Auf Nachfrage von Journalisten stellte Lombardi am Mittwoch klar, dass der deutsche Papst gegen seinen Willen Mitglied gewesen sei. Dies habe für ihn keine besondere Bedeutung und keinen Stellenwert. In der bisher deutlichsten Stellungnahme des Papstes für einen Palästinenser-Staat während seiner Nahost-Reise sah Lombardi keine Veränderung der bisherigen Position des Heiligen Stuhls. Die neue rechts-konservative israelische Regierung hat die Bildung eines Palästinenser-Staats jedoch infrage gestellt.

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