Erster Schritt

Abgeordnetenhaus in Tschechien billigt EU-Vertrag

Ausland
18.02.2009 10:02
Im derzeitigen EU-Ratsvorsitzland Tschechien hat der EU-Reformvertrag am Mittwoch eine wichtige Hürde genommen: Für das Dokument stimmten 125 Parlamentarier des tschechischen Abgeordnetenhauses, 61 waren dagegen. Der Vertrag wurde so mit der erforderlichen Drei-Fünftel-Verfassungsmehrheit angenommen. Nötig wären 120 Ja-Stimmen in der 200-köpfigen Parlamentskammer gewesen. Wenig begeistert zeigte sich Staatspräsident Vaclav Klaus, ein vehementer Kritiker des Vertrags. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass die zweite Parlamentskammer sich "verantwortlicher" verhalten werde. Der Senat wird voraussichtlich erst im April über den Lissabon-Vertrag abstimmen.

Unterstützung für den Vertrag kam von den oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) und den Regierungsparteien der Christdemokraten (KDU-CSL), Grünen und einem Teil der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Premier Mirek Topolanek. Der andere Teil der ODS und die Kommunisten (KSCM) lehnten das Dokument ab.

Unbehagen wegen Benes-Dekreten
Eines der Gegenargumente war, dass der Lissabon-Vertrag die Frage der Benes-Dekrete wieder öffnen könnte. Rund drei Millionen Deutschsprachige, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben worden waren, könnten Wiedergutmachung und die Rückgabe des einstigen Eigentums fordern, befürchten Kritiker. Um derartige Probleme für Tschechen zu verhindern, wurde jedoch parallel zur EU-Vertrags-Abstimmung ein Begleit-Beschluss angenommen, der diese Bemühungen ablehnt.

Letzte Hürde: Präsident Vaclav Klaus
Tschechien war das letzte der 27 EU-Länder, in dem das Parlament dem Vertrag noch zustimmen musste. Mit der Billigung im Abgeordnetenhaus ist der Ratifizierungsprozess in Tschechien aber noch nicht beendet. Er wird noch Monate dauern. Auch die zweite Parlamentskammer - der Senat - muss sich zu dem EU-Reformvertrag äußern, was für April vorgesehen ist. Zum Schluss ist noch die Unterschrift des Staatspräsidenten Vaclav Klaus erforderlich. Dieser ist ein strikter Kritiker des EU-Reformvertrags und deutete bereits früher an, dass er diesen - wenn überhaupt - nicht vor einem zweiten Referendum in Irland unterzeichnen werde.

Regierung und EU-Spitze erleichtert
Der für EU-Fragen zuständige tschechische Vizepremier Alexandr Vondra zeigte sich unterdessen zuversichtlich über eine Ratifizierung des Lissabon-Vertrags durch sein Land. "Wir werden ihn ratifizieren", meinte Vondra bei einem Pressefrühstück am Mittwoch in Brüssel. "Am Ende des Tages gibt es die Stimme der Vernunft und des Herzens." EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat die tschechische Zustimmung ebenfalls begrüßt. "Dies ist ein wichtiges Signal des Einsatzes des Parlaments für Europa zu einer Zeit, in der die tschechische Präsidentschaft mit Hingabe und Kompetenz arbeitet, um die Europäische Union zu führen", erklärte Barroso nach Angaben seines Sprechers am Mittwoch in Brüssel. Er hoffe, dass der Vertrag nun schnell vom Senat angenommen werde, sodass die Ratifizierung abgeschlossen werden könne.

Verzögerungen auch in anderen Ländern
Doch damit der Reformvertrag in Kraft treten kann, müssen ihm alle 27 EU-Mitgliedsländer zustimmen. Außer Tschechien fehlt noch ein "Ja" aus Irland. Auf der Insel wird das Volk wahrscheinlich im Oktober dieses Jahres zum zweiten Mal über den Vertrag abstimmen. In Deutschland ist die Ratifizierung wegen eines offenen Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht noch nicht abgeschlossen. In Polen zögert Staatspräsident Lech Kaczynski mit der Unterschrift. Das Regelwerk soll die EU nach der größten Erweiterung ihrer Geschichte arbeitsfähiger machen.

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