Scharfe Töne

Vatikan weist Merkel-Kritik an Papst zurück

Ausland
04.02.2009 15:24
Der Vatikan hat die Forderung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nach einer Klarstellung im Zusammenhang mit dem britischen Holocaust-Leugner Richard Williamson dezidiert zurückgewiesen. Eine solche Klarstellung sei unangebracht, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi in Rom. In einer ungewöhnlichen Reaktion auf die strittige Rücknahme einer Kirchenstrafe für den britischen Erzbischof Williamson hatte Merkel zuvor erklärt: "Es geht darum, dass vonseiten des Papstes sehr eindeutig klargestellt wird, dass es hier keine Leugnung geben kann." Dies sei aus ihrer Sicht "noch nicht ausreichend erfolgt". SPD-Chef Franz Müntefering ging sogar noch weiter und übte Kritik am Papst selbst.

Laut Lombardi sei die Verurteilung jeder Holocaust-Leugnung durch Papst Benedikt XVI. bereits erfolgt und hätte "nicht klarer sein können". Der aus Bayern stammende Papst hatte am vergangenen Mittwoch nach der Aufhebung der Exkommunikation von vier traditionalistischen Bischöfen, darunter Williamson, nachdrücklich seine "volle Solidarität" mit den Juden erklärt und sich von einer Leugnung der Judenvernichtung distanziert. Benedikt habe sich eindeutig auch auf die Sichtweise des Traditionalisten Williamson bezogen, sagte Lombardi. Zudem habe der Papst klargemacht, dass die Zurücknahme der Exkommunikation nicht bedeute, dass damit die Holocaust-Leugnung legitimiert werde. Auch auf seiner wöchentlichen Generalaudienz am Mittwoch hat der Papst keinen neuen Kommentar zum Streit abgegeben.

Müntefering übt Kritik an Benedikt
Der deutsche SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat den Vatikan aufgefordert, die Aufhebung der Exkommunikation von Williamson rückgängig zu machen. "Ich halte die Rehabilitierung eines Bischofs, der den Holocaust leugnet, für inakzeptabel. Das ist ein schwerer, historischer Fehler, den die Kirche so schnell wie möglich korrigieren muss", sagte Müntefering am Mittwoch. Es müsse weiter eine Selbstverständlichkeit sein, dass das Verbrechen des Holocaust in der Kirche und außerhalb nicht verharmlost werde.

Der SPD-Chef, selbst Mitglied der katholischen Kirche, bezog seine Kritik ausdrücklich auf die Entscheidung des Papstes zu Williamson: "Was die Rehabilitierung der anderen drei konservativen Pius-Brüder durch den Vatikan betrifft: Das ist eine innerkirchliche Angelegenheit, in die ich mich nicht einmischen möchte", sagte Müntefering.

Müntefering übte zugleich Kritik am Papst selbst. Auf die Frage, ob Benedikt dabei sei, seine Rolle als moralische Instanz zu verlieren, sagte der SPD-Chef: "Er hat gerade deutlich demonstriert, dass auch ein Papst hier nicht unfehlbar ist. Ich kann der katholischen Kirche hierzulande nur empfehlen, hier keinen falschen Gehorsam zu zeigen."

Bischof kritisiert Merkel: "Empörend"
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke hat die Einmischung Merkels in die Debatte mit scharfen Worten kritisiert. Es sei "unbegreiflich und empörend", wie die Integrität von Papst Benedikt XVI. derzeit sogar von staatlicher und politischer Seite infrage gestellt werde, sagte der Bischof der bayerischen Diözese am Mittwoch. Er sei darüber bestürzt. Hanke betonte, der Papst habe es in diesem Zusammenhang nie an Eindeutigkeit fehlen lassen.

Der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hingegen übte scharfe Kritik am Vatikan. Die Teilrehabilitierung der Bruderschaft sei "ein Signal für die Vergiftung und gegen die Versöhnung". Benedikt XVI. müsse diese Entscheidung "klar und unzweideutig zurücknehmen". Neben der Holocaust-Leugnung müsse auch bedacht werden, dass die traditionalistische Piusbruderschaft fundamentalistisch, antisemitisch und reaktionär sei, sagte Graumann. Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer begrüßte ausdrücklich, dass sich und wie sich Kanzlerin Merkel in die Debatte eingeschaltet hat.

Der Zentralrat erwägt nach Angaben Graumanns, in diesem Jahr der "Woche der Brüderlichkeit" fernzubleiben. Der Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit appellierte deshalb an den Zentralrat, doch teilzunehmen. Man müsse der Kritik an der teilweisen Rehabilitierung Williamsons eine Plattform geben, sagte der Präsident des Koordinierungsrates, Henry Brandt. Brandt, der auch Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz ist, forderte vom Papst eine Maßregelung des Traditionalisten. Als einzigen Weg aus der Krise will der Zentralrat ein Gespräch mit dem Papst - gemeinsam mit der deutschen Bischofskonferenz - führen.

Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone sagte, Benedikt und allen seinen Mitarbeitern liege auch künftig an guten Beziehungen zum Judentum. Die Bruderschaft habe sich von Äußerungen ihres Mitbruders distanziert und den Papst "für diese unerfreuliche Episode um Verzeihung gebeten", erinnerte Bertone. Der Papst selbst habe sich am vergangenen Mittwoch klar dazu geäußert, "die Angelegenheit ist aus meiner Sicht beigelegt".

Auch in katholischer Kirche nimmt Unmut zu
Der Berliner Erzbischof, Georg Kardinal Sterzinsky, fordert eine Korrektur der Papst-Entscheidung zu Williamson: "Dass sie überprüft wird, das muss, .glaube ich, sofort angekündigt werden. Dass es bei ihr bleiben könnte, der Eindruck darf nicht entstehen" "Es sind mit Sicherheit Fehler im Management der Kurie gemacht worden", sagte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper. Die Kritik an der Entscheidung des Papstes nimmt auch in der katholischen Kirche weiter zu. In seiner Gemeinde herrsche viel Unmut über das Vorgehen des Vatikans, sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode.

Papst-Schüler Wolfgang Beinert forderte den Vatikan zum Handeln auf. Beinert nannte das Vorgehen Benedikts beispiellos. Bisher hätten Gruppierungen, die im Widerspruch zum Papst standen, immer erst ihren Auffassungen abschwören müssen. Die vier Bischöfe hätten ihre abweichenden Auffassungen aber nicht revidiert. Die vom 1991 verstorbenen französischen Erzbischof Marcel Lefebvre 1970 gegründete Priesterbruderschaft St. Pius X. und deren Anhänger, die Lefebvrianer, lehnen die vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) und in dessen Gefolge eingeführten Veränderungen in der katholischen Kirche ab.

Die "Initiative Kirche von unten" unterstützte die Forderung der Bundeskanzlerin. "Seit Tagen wartet alle Welt angesichts des Skandals um die Rehabilitierung der rechtsextremen und antisemitischen Piusbruderschaft auf eine unmissverständliche Reaktion des Papstes", erklärte die kirchenkritische Gruppe am Dienstag. Auch der Tübinger Theologe Hans Küng begrüßte die Intervention Merkels: "Es ist sehr gut, wenn sich die Bundeskanzlerin in der Frage äußert." "Wenn ein deutscher Papst einen solchen katastrophalen Fehler macht, fällt das auch auf die Deutschen zurück. Vor allem in einer so sensiblen Frage wie zu den Juden."

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