Krise in Pakistan

Regierung will Musharraf aus dem Amt jagen

Ausland
07.08.2008 18:20
Die pakistanische Regierungskoalition hat sich auf ein gewagtes Unterfangen eingelassen. Nach monatelangen Diskussionen einigten sich Asif Ali Zardari von der Volkspartei PPP und Ex-Premierminister Nawaz Sharif von der Pakistanischen Muslim-Liga (Nawaz/PML-N) am Donnerstag darauf, den umstrittenen Präsidenten Pervez Musharraf aus dem Amt zu jagen. Der frühere Armeechef und Elitesoldat wird das kaum kampflos hinnehmen. Er hat in der Vergangenheit bewiesen, dass ihm zum Machterhalt selbst drastische Mittel recht sind.

Ob die PPP-geführte Koalition tatsächlich zwei Drittel der Abgeordneten im Parlament hinter sich vereinen kann, um Musharraf abzusetzen, ist keineswegs gewiss. Sollte diese Mehrheit verfehlt werden, würde die Regierung, in die die Pakistani immer weniger Vertrauen haben, weiter geschwächt. Sollte sich wiederum Musharrafs Niederlage abzeichnen, könnte er das erst im Februar gewählte Parlament auflösen. Die Verfassung gäbe ihm theoretisch das Recht dazu. Ein solcher Schritt dürfte Musharraf im Volk allerdings endgültig diskreditieren, galt der Wahlsieg der PPP und der PML-N doch als Ohrfeige für seine selbstherrliche Politik.

Pakistan droht im Chaos zu versinken
Pakistan würde von einer derartigen Kampfansage Musharrafs unweigerlich ins Chaos gestürzt werden. Dabei brennt es in der südasiatischen Atommacht schon jetzt an allen Ecken und Enden. In den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan gewinnen radikalislamische Gruppen wie die Taliban immer weiter an Boden. Über weite Teile der Krisenregion hat die Regierung keine Kontrolle mehr. Das könnte auch für Teile des Sicherheitsapparates gelten. Der pakistanische Geheimdienst ISI wird von Afghanistan und Indien beschuldigt, hinter dem tödlichen Anschlag auf die indische Botschaft in Kabul Anfang Juli zu stecken.

Zwischen der Regierung in Kabul - die Pakistan auch für einen Angriff auf Präsident Hamid Karzai und zahlreiche weitere Anschläge mitverantwortlich macht - und der immer hilfloser wirkenden Regierung in Islamabad ist das Verhältnis schlecht wie nie. Indien wiederum macht Pakistan für die sich häufenden Schusswechsel zwischen Truppen beider Länder an der Demarkationslinie in Kaschmir verantwortlich, an der eigentlich seit knapp fünf Jahren ein Waffenstillstand gilt.

Wirtschaftliche Lage dramatisch
Während die Koalition in Islamabad vorrangig mit sich selber beschäftigt zu sein scheint, verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage dramatisch. Die Inflationsrate ist auf 21 Prozent gestiegen, bei Lebensmitteln hat sie 30 Prozent erreicht. In der Hauptstadt Islamabad, die früher ununterbrochen Strom hatte, gehen inzwischen jeden Tag mindestens sechs Stunden die Lichter aus. Die Kritik an der Regierung - die die Wirtschaftskrise als Erbe Musharrafs bezeichnet - wächst. Der Analyst und PML-N-Abgeordnete Ayaz Amir sprach vor kurzem von "Witzbolden und Scharlatanen, die nationale Anführer spielen". Premierminister Yousaf Raza Gilani von der PPP sei "ungefähr so mächtig in Pakistan wie Karzai in Afghanistan". Karzai wird von Kritikern als "Bürgermeister von Kabul" verspottet.

Tatsächlich ziehen im Hintergrund Sharif von der PML-N und PPP-Chef Zardari, der Witwer der Ende Dezember 2007 ermordeten Oppositionsführerin Benazir Bhutto, die Strippen. Beide haben weder ein Regierungsamt noch ein Abgeordnetenmandat. Ex-Premierminister Sharif, der sich nun gegen den zögerlichen Zardari durchsetzte, hat noch eine Rechnung mit Musharraf offen. Der damalige Armeechef hatte Sharif 1999 in einem unblutigen Coup aus dem Amt des Regierungschefs geputscht.

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