Kampusch-Prozess

Nataschas Mutter von Zeugen schwer belastet

Steiermark
17.05.2008 13:42
Hat die Mutter von Natascha Kampusch, Brigitta Sirny, etwas mit der Entführung ihrer Tochter zu tun? Diese Frage beschäftigte am Donnerstag das Grazer Zivilgericht am zweiten Verhandlungstag des von Ex-Richter Martin Wabl angestrengten Prozesses. Auch Natascha selbst sagte aus - allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Unter den Zeugen war auch eine Nachbarin und ehemalige Angestellte von Brigitta Sirny, die die Klägerin schwer belastete. "Ich glaube, dass sie mit der Entführung zu tun hat", meinte die Befragte.

Bilder vom Prozess in der Infobox!

"Zum sexuellen Missbrauch kann ich nichts sagen, ich war ja nicht dabei", meinte die Nachbarin. Sie schilderte, wie am Tag vor Nataschas Verschwinden das Mädchen bis in die Nacht hinein bei ihr auf die Mutter gewartet hatte. Natascha war damals gerade von einem Ungarnausflug mit ihrem Vater zurückgekommen. Sirny sei sehr böse gewesen, weil Natascha nicht allein in der Wohnung gewartet hätte. Am nächsten Tag verschwand die Zehnjährige. Die Nachbarin fuhr zum Vater, um bei der Suche zu helfen. "Dann hab' ich sie angerufen und gesagt, dass niemand da ist, aber da hat sie schon Anzeige erstattet. Das ist mir komisch vorgekommen, ich hätte Natascha ja mitbringen können", gab die Zeugin zu bedenken.

"Frau Sirny war nur auf's Geld aus"
Zur Polizei habe sie damals gesagt: "Entweder ist in der Nacht etwas passiert oder sie (Sirny, Anm.) hat Natascha verkauft." "Das klingt seltsam", gab der Richter zu bedenken. "Die Frau Sirny war immer nur auf's Geld aus", so die Nachbarin. Dem Anwalt der Klägerin wurden die Aussagen schon fast zu viel, er drohte der Zeugin mit einer Klage. "Das ist keine Tratschrunde über Frau Sirny", meinte er erbost.

Priklopil angeblich im Geschäft gesehen
Schließlich schilderte die Nachbarin noch, wie sie im Geschäft von Brigitta Sirny im Herbst 1997 zwei Männer bei einem Stromkasten gesehen hätte. Einer sei ein Bekannter ihrer Chefin gewesen, der zweite "hat mich so deppert angeschaut. Er war kleiner als ich. Seit ich die Bilder im Fernsehen gesehen habe weiß ich, es war der Priklopil", war sie überzeugt.

Wabl: "Eine Mutter gibt die Hoffnung nicht auf!"
Ex-Richter Martin Wabl erklärte in aller Deutlichkeit, er sei nach wie vor von einer Mitschuld Sirnys überzeugt. Er gab an sich wenige Tage nach dem Verschwinden des Mädchens mit Sirny getroffen zu haben, um seine Hilfe anzubieten. Eine Schwester von Natascha habe ihm dabei erzählt, das Mädchen habe kurz zuvor stark zugenommen und begonnen, ins Bett zu machen. "Das deutete für mich auf einen sexuellen Missbrauch hin", so Wabl. Die Polizei habe diese Richtung zwar zunächst verfolgt, aber nach einem Gutachten des Sachverständigen Max Friedrich, der keine Anzeichen für sexuellen Missbrauch vor dem Verschwinden fand, wurde diese Spur fallen gelassen. Stutzig sei er geworden, als Brigitta Sirny schon bald erklärt habe, sie habe die Hoffnung aufgegeben. "Eine Mutter gibt die Hoffnung überhaupt nicht auf", meinte der pensionierte Richter. Brigitta Sirny gab keinerlei Erklärungen ab, sie lachte nur zu den Aussagen der Zeugen.

"Kein sexueller Missbrauch vor Entführung"
Zwei weitere prominente Zeugen wurden am Nachmittag gehört. Zunächst wurde Psychiater Max Friedrich befragt, der kurz nach Nataschas Verschwinden ein Gutachten erstellt hatte. Darin vertrat er die Meinung, es habe vor der Entführung keinen sexuellen Missbrauch gegeben. "Warum haben Sie nicht in der Schule nachgefragt?", wollte Martin Wabl wissen. "Weil mir das, was ich gehabt habe, gereicht hat", antwortete der Arzt. Eine ältere Freundin Nataschas hätte auch zunächst von ihm befragt werden sollen, "aber ich bin nicht an die Adresse herangekommen, und das Sicherheitsbüro wollte rasche Daten."

Ermittlungen gegen die Familie bald eingestellt
Ernst Geiger, damals Leiter der Mordkommission des Wiener Sicherheitsbüros erklärte, man habe die Ermittlungen gegen die Familie des Mädchens sehr bald eingestellt. Er bestätigte, dass nach dem Gutachten die Ermittlungen in Richtung sexueller Missbrauch nicht weiter gingen. "In so einem Fall kann man nur Beweggründe erforschen oder Spuren sicherstellen. Natürlich gab es erste Ermittlungen in der Familie". Der Verdacht gegen den Vater Ludwig Koch wurde aber sehr schnell fallen gelassen, "weil er ein sicheres Alibi hatte". Das von der Mutter sei lückenhafter gewesen, "das ist aber nicht ungewöhnlich", so Geiger.

Hinweis auf Priklopil wurde "halt übersehen"
Nach Friedrichs Gutachten habe man aber eher in Richtung weiße Kombis ermittelt, da ein Kind angegeben hatte, Natascha sei mit so einem Auto entführt worden. Der Hinweis in Richtung Wolfgang Priklopil, den ein Hundeführer gemacht hat, "ist nicht bis zu mir vorgedrungen und wurde dann halt übersehen", so Geiger.

Nataschas Vater: "Ich möchte Klarheit"
Ludwig Koch, Nataschas Vater, erklärte, er könne nicht sagen, ob er Wolfgang Priklopil gekannt habe - und er bezweifelte auch, dass das Sirny mit Bestimmtheit könne. Auch er wunderte sich darüber, dass Sirny am Tag von Nataschas Verschwinden bereits eine Anzeige erstattet hatte, bevor sie ihn anrief. "Das hat mich im Nachhinein verwundert", so Koch. Über seine ehemalige Lebensgefährtin sagte er: "Ich möchte nicht auf sie losgehen, ich möchte Klarheit". "Haben Sie den konkreten Verdacht, dass  sie etwas mit der Sache zu tun hat?", fragte Richter Jürgen Schweiger. "Kann ich nicht sagen. Weder zu hundert Prozent ja noch zu hundert Prozent nein."

Natascha nimmt ihre Mutter in Schutz
Natascha Kampusch erschien gegen Mittag und wurde von Fotografen regelrecht belagert. Die junge Frau schwieg allerdings auf alle Fragen von Reportern und machte ihre Aussage unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Anschließend gab der Richter eine kurze Erklärung ab: "Die Befragung hat ergeben, dass Natascha Kampusch die Behauptungen von Herrn Wabl klar verneint hat".

Riesen-Andrang
Schon eineinhalb Stunden vor Beginn des Prozesses im Fall Kampusch gab es im Grazer Zivilgericht am Marburgerkai großen Andrang. Zahlreiche Zuschauer, die Nummern für Zählkarten hatten, hofften auf Einlassscheine. Für sie hieß es allerdings warten, da zunächst die Plätze für die Journalisten vergeben wurden. Immerhin hatten sich 37 Medien aus dem Inn- und Ausland mit bis zu vier Personen pro Team akkreditiert.

Prozess vertagt
Da mehrere Zeugen, darunter der ehemalige Leiter des Wiener Sicherheitsbüros, Max Edelbacher, nicht erschienen waren, entschied Richter Jürgen Schweiger, den Prozess zu vertagen. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Steiermark



Kostenlose Spiele