Traurige Weihnachten

Aleppo: “Die Kinder haben aufgehört zu weinen”

Ausland
17.12.2016 15:02

Auch nach dem Abtransport der ersten Verwundeten und Zivilisten aus der umkämpften syrischen Stadt Aleppo geben Helfer keine Entwarnung. Noch immer harren bis zu 50.000 Menschen im völlig zerstörten Ostteil der Stadt aus, nachdem die Evakuierungsmaßnahmen ausgesetzt wurden. Unter ihnen ist auch die syrische Filmemacherin Wa'ad al Kateab, die für den Sender Channel4News ein aufwühlendes Video gedreht hat. "Aleppo ist ein Ort, an dem die Kinder aufgehört haben zu weinen", sagt sie.

Kateabs Aufnahmen sind im letzten noch halbwegs funktionierenden Spital im Osten Aleppos entstanden, wo sie mit ihrem Mann (einem Arzt), ihrer elf Monate alten Tochter, einer Handvoll medizinischen Personals, einem Dutzend Rebellen sowie zahlreichen Verletzten festsitzt. "Aleppo ist in einer düsteren Phase und die Zahl der Überlebenden sinkt. Und das sind die Letzten der Letzten", sagt die 25-Jährige. "Aleppo ist ein Ort, an dem die Kinder aufgehört haben zu weinen", so die renommierte Filmmacherin, die bereits zweimal mit einem Amnesty Award ausgezeichnet wurde.

"Oh Gott, alle meine Kinder sind tot"
In Kateabs Video kommt unter anderem eine Frau namens Um Fatima zum Wort. Sie ist die einzige überlebende Erwachsene dreier Familien, deren Wohnblock durch syrische oder russische Bomben getroffen wurde. "Ich weiß nicht, womit Assad uns getroffen hat. Wir schliefen zu Hause. Plötzlich stürzte das gesamte Gebäude auf uns. Oh mein Gott, alle meine Kinder sind tot", erzählt die blutverschmierte Frau.

Wenig später kommt ein Nachbarsbub namens Mahmoud ins Bild, der ein Stockwerk über Um Fatima gewohnt hat. In seinen Händen hält der Teenager seinen kleinen Bruder Ishmael Mohammed. Das Gesicht des einen Monat alten Babys scheint das einzig Friedliche in dem ganzen Durcheinander zu sein, doch das täuscht - Ishmael ist unter den Trümmern des Hauses erstickt. Doch Mahmoud will den Körper seines Bruders nicht loslassen.

Von den ehemals neun Krankenhäusern der Stadt ist inzwischen nur noch eines in Betrieb. "Das Personal ist völlig erschöpft und Medikamente und medizinisches Material gehen zur Neige", schilderte Marianne Gasser, die Leiterin der Delegation des Internationalen Komitees vom Rote Kreuz in Syrien, die dramatische Situation in Aleppo.

Weiterhin Warten auf Evakuierung
Auch am Samstag haben die Menschen bei eisiger Kälte und ohne Nahrung auf eine Fortsetzung der am Freitag abgebrochenen Evakuierung in Aleppo gewartet. Zivilisten und Kämpfer harrten in dem noch immer zum Teil von Rebellen gehaltenen Viertel Al-Amiriyah auf der Straße oder in den Ruinen der zerbombten Häuser aus. Nach Angaben des UN-Sonderbeauftragten für Syrien, Staffan de Mistura, befinden sich in dem fast vollständig von der syrischen Armee zurückeroberten Osten von Aleppo noch mehr als 40.000 Zivilisten sowie bis über 5000 Rebellen und deren Familien.

Angeblich haben sich am Samstagnachmittag Rebellen und Regierung auf ein neues Abkommen geeinigt, das den Abzug der restlichen Kämpfer und Zivilisten aus dem umkämpften Stadtteil ermöglichen soll. Doch laut UNO seien solche Ankündigungen nach den jüngsten Entwicklungen mit Vorsicht zu genießen. Angesichts der verheerenden humanitären Lage in Ost-Aleppo hatte am Donnerstag die Evakuierung der zerstörten Stadtviertel begonnen, doch die syrische Armee setzte sie am Freitag aus. Sie warf den Rebellen vor, diese hätten sich nicht an die "Bedingungen der Vereinbarung" gehalten. Die Aufständischen wiesen die Vorwürfe zurück.

Ban: "Aleppo ist nun ein Synonym für Hölle"
Der scheidende UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte am Freitag eine sofortige Wiederaufnahme der Evakuierungsaktionen in Aleppo. "Aleppo ist nun ein Synonym für Hölle", sagte Ban bei seiner letzten Pressekonferenz in New York.

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