"Krone"-Interview

Wolves In The Throne Room: In Trance mit der Natur

Musik
18.09.2017 11:09

Wer sich auf der Suche nach paralysierendem Black Metal mit Atmosphäre und kompositorischer Strahlkraft befindet, ist bei Wolves In The Throne Room goldrichtig. Vor etwa 15 Jahren begründete das Brüderpaar Nathan und Aaron Weaver den "Cascadian Black Metal" und revolutionierte damit ein ganzes Subgenre. Dieser Tage erscheint das neue Studioalbum "Thrice Woven" und Drummer und Bandboss Aaron Weaver führte uns im ausführlichen Interview in eine Welt des Autarken, Spirituellen und Geheimnisvollen...

(Bild: kmm)

Mit ihrem Debütalbum "Diadem Of 12 Stars" brachten die US-Black-Metaller Wolves In The Throne Room 2006 frischen Wind in eine leicht angestaubte Szene. Die Brüder Nathan und Aaron Weaver kreierten über Jahre hinweg mit viel Leidenschaft und Detailreichtum elegische Soundkaskaden, die sich perfekt mit der kühlen Atmosphäre ihrer Heimat, der kaskadischen Wälder an der US-Westküste, verknüpften. Gerüchten und Geschichten um eine autark lebende, sich von der Außenwelt abkapselnde Kommune machten die Runde, wurden von diversen Medienportalen über die Jahre aber mit viel Fantasie ins Unendliche aufgebauscht.

Nach einem Ausflug in elektronischere Gefilde veröffentlicht das zum Trio angewachsene Gespann nun mit "Thrice Woven" das erste Black-Metal-Werk seit sechs Jahren und beweist darauf eindrucksvoll, dass die Begründer des "Cascadian Black Metal" noch immer in einer eigenen Liga spielen. Die stets zwischen Naturerlebnissen, Mythologien und romantischer Spiritualität mäandern Songs kennen einmal mehr keine Stilgrenzen und verinnerlichen unter anderem die schwedische Liedermacherin Anna von Hausswolff als Gaststimme. Ein weiteres Meisterwerk aus der dem pazifischen Nordwesten, dass das Alleinstellungsmerkmal der Band würdevoll bestätigt. Aaron Weaver gibt uns einen profunden Einblick in die einzigartige Welt seines Lebensprojekts.

"Krone": Aaron, ihr wart im April live in der Wiener Arena zu sehen, das war das erste Mal seit mehr als fünf Jahren, das ihr überhaupt in Europa wart. Was war der Grund, dass ihr euer letztes Album "Celestite" (2014) hier nicht live promotet habt?
Aaron Weaver: "Celestite" war als reines Studioprojekt gedacht. Ich mag diesen Gedanken, weil du dir nicht überlegen musst, wie du deine Musik auf der Bühne umzusetzen hast. Jede Band ist schizophren. Es gibt eine Studio-Manifestation und eine Live-Manifestation und gewisse Dinge gehören einfach nicht auf die Bühne. Der magische Moment des Studios war für uns nicht live umsetzbar. Wie bringen wir all das Vintage-Equipment auf die Bühne? Wie schaffen wir es, die Black-Metal-Fans mit diesem Ambient-Projekt nicht zu vergraulen? Das musst du dir alles überlegen. Außerdem brauchten wir nach der vorherigen Albumtrilogie eine Pause, weil die Musik psychisch und physisch sehr herausfordernd war. Wir mussten durchatmen, um immer uns auf die Wurzeln der Musik zu besinnen und neue Inspirationen zu schöpfen. Um ein Album zu machen, müssen wir einen guten Grund haben, wir zwingen uns nicht dazu.

Nach dem letzten Teil der Trilogie, "Celestial Lineage" (2011), dachten ja viele, ihr würdet die Band auflösen…
Dieser Vibe kam in die Öffentlichkeit und ich habe wenig dazu beigetragen, das zu verhindern. Die Journalisten haben nach der großen Headline gesucht, aber das Ende war eigentlich nie wirklich geplant. Die Band hatte einen Punkt erreicht, wo sie auf jeden Fall kürzertreten und pausieren musste.

Euer Gitarrist Kody Keyworth wurde nach sieben Jahren von dir als Fixmitglied in die Band integriert. Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um ein Teil von Wolves In The Throne Room werden zu dürfen?
Wir haben kein besonderes Initiationsritual. (lacht) Eigentlich war es offensichtlich, denn er spielte nicht nur schon ewig mit uns live, sondern ist auch wirklich einer von uns - ein "Cascadian Brother". Wir haben dieselbe Geschichte und dieselben Ansichten. Er ist ein Metaller und Anarchist, ein Vagabund der Natur, was auch unserem Background entspricht. Wir ticken auch spirituell gleich und begegnen uns auf einer Ebene. Ich habe die Fähigkeit, die Menschen durchblicken zu können. Wenn ich jemandem gegenüber bin, dann sehe ich den Menschen als Farbe und am einfachsten zu erklären ist die Beziehung zu Kody so, dass er einfach die Farbe besitzt, die Vertrauen ausstrahlt. Er hat eine gute Aura und passt zu uns. Das war am Anfang nicht ganz so, aber wir öffneten uns gegenseitig und irgendwann trafen wir uns in der Mitte. Es ist wundervoll, dass wir nun zu dritt sind, denn mit meinem Bruder Nathan alleine kann alles schnell sehr eng gesteckt wirken.

War es für Kody schwierig, sich in diesen Bund der Brüder reinzuschieben?
Möglicherweise schon. Wenn du auf Tour bist, lernst du Menschen wirklich genau kennen. Das Beste und auch Schlechteste in jedem. Er hatte genug Zeit, um für sich zu entscheiden, ob er ein fixer Teil unserer Verbindung sein möchte. Wir sind mit ihm aber perfekt ausbalanciert. Wir hatten auch früher fixe Mitglieder außerhalb unseres Brüderbundes. Rick Dahlin etwa brachte diese verwesende, dunkle Stimmung in die Band, die stark auf uns einwirkte. Will Lindsay war jemand, der gerne tourte und wie ein Nomade lebte, aber musikalisch nicht wirklich weiterhalf. Nathan und ich haben dann alles zu zweit gemacht, so wuchs ich als Drummer immer mehr in die Rolle des Songwriters. Wir haben mittlerweile ein das neue Album "Thrice Woven" fertig. Es klingt verdammt gut und geht zurück zu unseren Black-Metal-Wurzeln. "Celestite" war einfach ein Experiment, das aus uns raus musste.

Wolltet ihr euch damit selbst neu erfinden? Euch fordern und schauen, wie es außerhalb der festgesteckten Klanggrenzen funktionieren würde?
Nein, das war nicht der Grund. Wir haben keine Wahl, welche Musik wir kreieren. Ich gehe ins Studio, stöpsle die Gitarre an, verschließe die Tür und verschwinde in einem eigenen Kosmos, versetze mich in Trance. Was dort rauskommt, dass kann auch mal ein schöner Folksong sein. Meist sind es aber harte, dunkle Riffs, die zu unseren Alben führen. So war es auch für das kommende Album.

Bis zur Veröffentlichung hat es doch etwas gedauert...
Das stimmt, aber danach werden wir auf große Touren gehen und uns überall öfter blicken lassen. Wir haben mit dem vergangenen Albumzirkel eine Erfahrung der Selbstbestrafung gemacht, weil wir uns dem Thema völlig hingaben und alles um uns herum ausblendeten. Ich bin so stolz darauf und auch sehr stolz, dass wir wieder durchstarten. Alle weiteren Details folgen.

Wie hat sich die brüderliche Beziehung zwischen dir und Nathan nach insgesamt 15 Jahren in der Band verändert?
Unsere Beziehung ist tiefergehend. Das hat nichts damit zu tun, dass wir Brüder sind, aber die Band ist für uns eine Art eigene Galaxie, in die wir eintreten. Wir schließen unsere Augen, öffnen die Gedanken und lassen uns in diese Galaxie der Magie, Energie und Seele fallen. Als wir die Band starteten, betraten wir unentdecktes Land. Dieses Land war unvollkommen und amorph. 15 Jahre später betreten wir diese Galaxie und fühlen uns dort daheim. Die Menschen darin sind Vertraute und man kann sich auf gute Zeiten berufen und die weniger guten verdrängen. Wir haben auch eine tiefergehende Beziehung zur Musik und der Band an sich. Ich habe jetzt einen dreijährigen Sohn und mein Leben ist ganz anders als früher, aber die Musik war immer da und wird immer da sein.

Lebt ihr immer noch in eurer kaskadischen Kommune und arbeitet als Farmer, um autark zu sein?
Ich lebe noch immer dort, aber es ist Jahre her, dass ich aktiv am Feld arbeitete, um tonnenweise Essen zu bearbeiten. Das ist eine dieser schönen Mythologien über unsere Band, die durch die Medien immer etwas aus dem Ruder liefen. Natürlich klingt das alles romantisch, aber vor fünf Jahren habe ich eine Entscheidung getroffen, dass ich viel mehr Zeit für die Musik verwende und mich im Studio einsperre. Wir möchten allgemein mehr Musik für uns selbst erschaffen, jeder für sich, um uns dann wieder für die Band zu finden. Das Studio ist für mich Eintritt in eine Welt künstlerischer Magie. Ich fühle mich dort einfach wohl und es fließt Kreativität aus mir raus.

Diese Kommunengeschichte klingt auch wie ein schönes Märchen, mit dem man sich sehr gut vermarkten kann. Doch auch hier scheinen sich die Dinge bei euch verändert zu haben.
Ich kann verstehen, dass die Menschen auf dieses Image abfahren, aber eigentlich i das nicht genau erklären, da es mein Leben ist. Es ist eine sehr interne, persönliche Sache, die sich im künstlerischen, spirituellen Bereich abspielt. Ich sitze oft im Wald und höre auf die Stimme der Natur, um mich leiten zu lassen.

Ist es für einen Naturliebhaber wie dich angenehm, immer wieder in den großen Metropolen zu touren und die Abgeschiedenheit der kaskadischen Wälder zu verlassen?
Ich könnte niemals in einer Stadt leben, soviel ist klar. Vor 15 Jahren existierte ja noch nicht einmal das Internet so richtig und ich habe mir erst vor zwei Jahren das erste Smartphone zugelegt. Die Gehirne der Menschen ticken in Städten total anders. Wenn ich in eine Stadt komme, fühle ich mich wie ein Außerirdischer. Ich finde es aber lustig, weil ich energetisch sehr stark verwurzelt bin und mich dadurch der Hektik und dem Stress der Social-Media-Welt in urbanen Bereichen nicht hingeben muss. Ich finde die Lebensweise der Städter einfach interessant. Ich habe mir mein Urteil darüber gebildet, für mich ist eine Stadt wie früher Babylon. Ich verwende aber keine meiner Energien dafür, mich über etwas aufzuregen oder die Dinge seltsam zu finden, sondern kanalisiere sie auf positive Dinge. Woran ich glaube und was ich liebe, das zählt für mich.

Viele Menschen bezeichnen euch gerne als Hippies. Kannst du mit dieser Einordnung leben?
Alle Einordnungen sind dumm. Wir sind keine Hippies, sondern Metalheads. Manchmal scherzen wir darüber und bezeichnen uns als "Death-Hippies". (lacht) Ich stimme der Charakterisierung nicht zu. Hippies sind ganz anders als wir. Sie haben Dreadlocks, ziehen sehr eigenartige Hosen an und hören wirklich schlimme Musik. (lacht) Andererseits ernähren wir uns alle von sehr gesundem Essen, machen Chi-Gong und Yoga, um unsere Körper und den Geist zu kultivieren. Wir mögen es, im Wald Holz zu arbeiten und geben der spirituellen, verborgenen Welt sehr viel Aufmerksamkeit. Natürlich klingt das nach Hippie-Dingen, das ist mir bewusst.

Andererseits sind Hippies lebensbejahende, grundpositive Menschen. Wie passt das mit dem negativen Kontext der Black-Metal-Szene zusammen?
Black Metal dreht sich für mich nicht um Negativität, sondern um Individualität. Es geht darum, die Welt über das offen Sichtbare zu betrachten. Wenn ein Wolf einen Baby-Elch reißt, ist das böse oder negativ? Es ist einfach die Natur. Wenn ein alter Baum langsam stirbt, ist das auch nicht böse oder negativ. So läuft das Universum nun einmal. Black Metal ist für mich die Sicht auf die Welt, ohne die eingebläuten christlichen Querverweise auf das, was gut und was böse ist, was richtig und falsch. Black Metal strömt vom Dualismus der Religion weg und sieht die Welt, wie sie wirklich ist. Der Satanismus im Black Metal ist eine Medizin für viele Menschen, die sich bewusst von der christlichen Moral wegbewegen wollen. Ich habe diese Medizin schon vor langer Zeit genommen und böse oder negativ zu sein ist für mich genauso uninteressant, wie voller Liebe und Licht zu erstrahlen. Ich sehe die Welt, wie sie ist - ohne Verklärung.

Ihr seid Pioniere und Aushängeschilder des "Cascadian Black Metal", in euren Fußstapfen versuchen sich seither sehr viele Bands. Wolltet ihr vor 15 Jahren bewusst eine neue Szene erschaffen, die sich entwickeln und halten würde?
Niemals bewusst. Ich habe mir nie Gedanken um die Zukunft gemacht, sondern lebe stets in der Gegenwart. Alle Gedanken, die in Richtung "oh mein Gott, was würden die von mir erwarten", oder "wie wird meine Legende einmal aussehen" gehen, sind giftig für die Kreativität. Es ist sehr wichtig für uns, bodenständig im Moment zu leben. Darum geht es und um nichts anderes.

Bist du stolz darauf, dass ihr so viele andere Bands aus eurer geografischen Umgebung so nachhaltig inspirieren konntet?
Ich bin so fokussiert auf mich und meine Kunst, dass ich keinen Stolz verspüre. Wenn ich tief in mein Herz blicke, dann empfinde ich eine Art Stolz dafür, dass wir einen Sound erschaffen haben, auf den sich Menschen beziehen können. Ich widme mich rein unserem Pfad, alle anderen gehen mich nichts an. Ich respektiere jeden Menschen auf der Welt, der sich kreativ betätigt, aber ich konzentriere mich nur auf mich selbst. Alles andere ist mir nicht wichtig.

Was bedeutet dir die von euch eben unbewusst forcierte "Cascadian Black Metal"-Szene persönlich?
Es geht um das Zuhören. Höre auf die Tierwelt. Wenn ein Adler über deinen Kopf kreist, ein Rabe gerade im Regen durch den Wald fliegt oder die Blätter im Herbst von den Bäumen fallen - was sagen dir diese Dinge? Und was sagen sie zum gesamten Universum? Man muss immer genau zuhören, um die Botschaften zu verstehen. Ich bin dankbar dafür, dass diese Lebewesen ihr Dasein mit uns teilen. Sie teilen ihre Geschichten mit uns und es ist als Mensch meine Aufgabe, diesen Stimmen zu lauschen und mich davon inspirieren zu lassen. Was ist das für ein Segen, dass wir so viel erleben dürfen? Meine Wurzel des Black Metal sind Dankbarkeit für mein Leben, andere Menschen, Fans, und die Erde an sich. Ich kann mich über nichts beklagen.

Ihr habt euch seit jeher als nichtpolitische Band deklariert, musstet, wie fast alle Bands aus der Black-Metal-Szene, aber immer wieder gegen Missverständnisse auftreten. Könnte eine medial aufgebauschte, falsche Einschätzung deiner Meinung nach eine ganze Karriere zerstören? Ist es überhaupt möglich, nicht politisch zu sein?
Natürlich. Ich sagte ja, dass ich Menschen in Farben sehe. Die Politik ist für mich nur eine Art von Brille, die du dir aufsetzen kannst, um die Welt zu sehen. Es war immer unsere explizite Wahl, nicht durch diese Brille zu sehen - speziell mit unserer Musik. Wir sehen das Leben aus einer völlig anderen Perspektive. Unsere Kräfte und der ganze Spirit haben nichts damit zu tun. Natürlich interessieren wir uns dafür und ich habe bei der US-Präsidentschaftswahl für Bernie Sanders gestimmt. Ich bin kein Fan von Politik, aber ich trage meinen Teil als Erdenbürger dazu bei. Ich denke auch nicht in Richtungen, denn wenn ein Lokalpolitiker Republikaner ist, aber das Beste daraus macht, seinen Ort zu schützen und weiterzubringen, ist er ein guter Mann in seiner Position. Natürlich würde ich immer einen Linken wählen, bevor ich das Kreuz bei einem rechtsgerichteten Faschisten machen würde, aber uns geht es in der Band um eine naturbelassene Balance. Die Band ist eine eigene Kultur, ein Riesentopf, wo wir wählen, was wir reinpacken. Die Band ist auch ein Altar und wir als Individuen entscheiden, was wir darauf platzieren. Ein Bild vom Papst? Ein umgedrehtes Kreuz? Eine Kopie eines Evolutionsbuches? Unsere Wahl ist jedenfalls, nichts Politisches auf diesen Altar zu stellen.

Mit eurem Label Artemisia Records habt ihr unlängst völlige Unabhängigkeit erreicht, seid nun von niemandem mehr abhängig. Macht es diese Position dagegen schwierig, sich auf Einflüsse und Ideen von außen einzulassen?
Ich liebe es, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Wir haben einen sehr engen, inneren Zirkel, aber rund 20 andere unterstützen uns kontinuierlich von außen. Mit Dave Clark haben wir einen der besten Soundmenschen der Szene, er tourt schon seit den frühen Anfängen mit Neurosis. Wir fühlen uns geehrt, dass er uns den Sound macht. Es ist so, als ob du den weisesten Zauberer mit auf Tour hättest. Wir sind sehr willkommen in unserer erweiterten Familie und mit den Jungs von Neurosis haben wir sowieso eine tiefergehende Beziehung, weil wir die Ideologien teilen. Wenn du dir Neurosis ansiehst, dann siehst du gleichzeitig unsere größte Inspiration. Sie machen alles selbst, haben die höchstmögliche Integrität und sind als Menschen so großzügig und offenherzig, dass es eine Freude ist, mit ihnen zu arbeiten. Sie sind in ihrer Kunst auch sehr emotional, ehrlich und verletzlich. Im Prinzip erfüllen sie alles, was wir auch wiedergeben wollen.

In euren Sound kann man sich fallen lassen und die Realität, den Alltag für einigehtigen Riffs und das Gespür für Black Metal?
Ich denke nicht. Die Songs kommen immer zuerst. Wir schreiben jede Nummer zuerst auf der Akustikgitarre und die Harmonien und Melodien sind immer als erstes da. Eigentlich zirkuliert die Sache. Die Noten sind dafür da, um eine Atmosphäre zu kreieren. Es ist hier dieselbe Frage wie mit dem Huhn und dem Ei - was kommt zuerst? Bei einer Live-Performance ist die Intensität einer Atmosphäre vorrangig. Als Drummer ist die Physis meiner Arbeit der Part, der mich in Trance bringt und mich völlig aus der realen Welt holt.

Ist euer neu gegründetes Nebenprojekt Drow Elixir, mit dem ihr unlängst auf dem holländischen Roadburn-Festival euer Debüt gefeiert habt, eine Fortsetzung des Wolves-In-The-Throne-Room-Albums "Celestite", weil es sich mehr um Ambient-Sounds, als um Metal dreht?
In gewisser Weise schon. Speziell Kody und ich wollten immer schon ein Alter Ego zu unserem Hauptprojekt erschaffen, indem wir der nichtmusikalischen Musik frönen können. Es geht darum, dass es keine Hooks, keine Melodien und keine Erzählung gibt. Bands wie Throbbing Gristle dienen mir hier als Vorbilder. Es geht um totalen Nihilismus, um den Gegensatz von dem, was ich mit meiner Hauptband mache. Mit Drow Elixir wollen wir einfach ein bisschen tiefer in diese Welt eintauchen. Bei Wolves In The Throne Room gibt es natürlich viel Atmosphäre auf der Bühne, aber ich kann mich nicht komplett fallen lassen, weil die Musik technisch sehr anspruchsvoll ist. Man muss immer die richtige Balance finden und bei Drow Elixir kann ich total in Trance versinken. Es gibt kein richtig und falsch, sondern nur völligen Frieden, in dem Chaos und Wahnsinn willkommen sind.

Was wollt ihr in den Menschen auslösen, wenn sie vor der Bühne stehen und den Songs lauschen, die ihr spielt?
Die Leute sollen einfach an gar nichts denken, sondern in der Musik versinken. Wir öffnen ein Portal, in dem jeder seine eigene Freiheit finden kann. Politische Botschaften, religiöse Dogmen und sozialkritische Gedankenspiele haben keinen Platz. Hier existiert nur reine Freiheit. Jeder Geist kann auf seine eigene Reise gehen und völlig in unserem Sound versinken. Musik ist in meinen Augen die einzige Kunst, in der man sich vollständig verlieren kann. Es geht um eine tiefergehende Form von Realität.

Kann jemand außerhalb der Kreativenszene eine solche Realität überhaupt finden?
Natürlich. In meinem Glaubenssystem bin ich eine Art Buddhist - im weitesten Sinne. Ich würde sagen, dass die Wahrheit, die Realität, überall ist. Es ist nur eine Frage der Sichtweise. Jemand, der ein Auto repariert ist genauso ein Künstler wie jemand, der ein Gemälde malt. Das gilt vielleicht nicht für einen Homepageersteller. (lacht) Aber in dieser physischen Welt geht es immer um die Quelle der Erleuchtung. Wir haben diese Erleuchtung alle vor uns, es kommt nur darauf an, ob wir sie wahrhaben wollen oder nicht. Du musst dir die Zeit nehmen, die Schönheit und den Segen deines Lebens zu sehen. Natürlich ist das für mich leicht zu sagen, denn ich wurde nicht von einer Bombe hochgejagt oder von bewaffneten Soldaten aus meinem Zuhause delogiert. Wenn ich vom Wissen der letzten 2000 Jahre Menschheit etwas mitgenommen haben, dann die Tatsache, dass das sogenannte Königreich Gottes in deinem Herzen stattfindet. Alles andere kreist drumherum. Die Theorie, dass du nach einem guten und ehrlichen Leben in den Himmel kommst, ist eine dreiste Lüge. Die Wahrheit liegt immer in der Gegenwart. Jeder von uns ist für sich selbst ein Künstler und kann sich entfalten. Wir werden dazu erzogen, dass wir Figuren wie einen Priester oder einen Vorgesetzten brauchen, die uns den Weg zu einem guten Leben weisen. Das ist aber Blödsinn. Jeder Mensch auf dieser Welt ist ein natürlich Sänger, Tänzer, Musiker oder Künstler. Es geht nur darum, an sich selbst zu glauben und sich eine ehrliche Möglichkeit zur Erfüllung der Träume einzuräumen.

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