Nach heftiger Kritik

Tschechien stoppt Nummerierung von Flüchtlingen

Ausland
03.09.2015 13:47
Die tschechische Polizei wird laut Prager Innenministerium Flüchtlinge nicht mehr nummerieren, indem sie mit Filzstiften Ziffern auf ihre Hände schreibt. Stattdessen sollen die Migranten Armbänder erhalten, auf denen die erforderlichen Identifizierungsdaten eingetragen werden, hieß es am Donnerstag.

Das Ministerium reagierte damit auf die internationale Kritik, die die Praxis der tschechischen Beamten hervorgerufen hatte. Es handle sich "nicht um einen standardmäßigen Vorgang der tschechischen Polizei".

Dazu sei es "wegen des Zeitdrucks" gekommen, in dem sich die Polizisten in dem gegebenen Moment befunden hätten - und vor allem deswegen, damit die Kinder in einer so großen Gruppe nicht von ihren Eltern getrennt würden, so das Innenministerium. Diese Praxis werde sich nicht mehr wiederholen. Die Polizisten hatten zuvor die Flüchtlinge auf dem Bahnhof im südmährischen Breclav nummeriert, als mehr als 200 Immigranten mit Zügen aus Ungarn und Österreich gekommen waren.

Bilder "wie in Nazi-Vernichtungslagern"
Die Kritiker wiesen darauf hin, dass diese Praxis Erinnerungen an die Vorgänge in den Nazi-Konzentrationslagern und an den Holocaust wachrufen könnte. Während das Vorgehen in Tschechien kaum kommentiert wurde, gab es zahlreiche internationale Reaktionen. Italien reagierte empört auf die tschechische Polizei. Scharfe Kritik erhob sich vor allem von der jüdischen Gemeinschaft in Rom. "Diese Vorgehensweise ist unannehmbar. Das sind Bilder, die wir nicht akzeptieren können, denn sie erinnern uns an die Prozeduren beim Eintritt in die Nazi-Vernichtungslager. 70 Jahre nach diesem Horror können wir dieser unmenschlichen Vorgehensweise nicht tatenlos zusehen", sagte die Präsidentin der jüdischen Gemeinschaft in Rom, Ruth Dureghello.

"Europa muss begreifen, dass das komplexe Phänomen der Migration nicht mit repressiven und menschlich unwürdigen Methoden bekämpft werden kann. Aufnahme und Integration von Flüchtlingen sind Elemente, für die sich die Regierungen einsetzen müssen", so Dureghello. Europa, das aus den Aschen von Auschwitz entstanden sei, drohe der Verlust seiner fundamentalen Werte.

Flüchtlinge "wie Tiere vor der Schlachtung markiert"
Empört äußerte sich auch der Präsident der Union der jüdischen Gemeinschaften in Italien, Renzo Gattegna. "Es ist erschreckend, dass Dutzende Flüchtlinge wie Tiere vor der Schlachtung markiert werden. Das weckt Erinnerungen an die obskurste Phase unserer zeitgenössischen Geschichte", so Gattegna. Kritisch zeigte sich auch der Chef der ausländerfeindlichen Oppositionspartei Lega Nord, Matteo Salvini. "Ich mag weder Markierungen noch Mauern noch Stacheldraht, doch das ist die Reaktion, wenn die Migrationsströme nicht geregelt werden", so Salvini.

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