Bayern macht ernst

Seehofer will Flüchtlinge nach Österreich schicken

Ausland
09.10.2015 07:09
Um die Zahl ankommender Flüchtlinge zu reduzieren, erwägt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer jetzt offenbar, auch rechtlich nicht gedeckte "Notmaßnahmen" zu ergreifen und bereits am Freitag zu beschließen. Gegenüber der "Bild"-Zeitung kündigte er an, künftig Flüchtlinge nach Österreich zurückzuschicken. Kanzlerin Angela Merkel sprach sich indes gegen die pauschale Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze aus. Bereits am Wochenende hatte die "Krone" berichtet, dass Deutschland das geltende Asylrecht dramatisch verschärfen wird.

Trotz des nahenden Winters strömen weiter Tausende Flüchtlinge nach Westeuropa und vor allem nach Deutschland. Angesichts der stark steigenden Zahl von Flüchtlingen will Bayern am Freitag in einer Sondersitzung des Kabinetts "Notmaßnahmen" beschließen. Dabei geht es um Integration, Bildung und Ausbildung", sagte Seehofer der "Bild"-Zeitung. "Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands", sagte der CSU-Politiker.

Angela Merkel beharrte indes trotz der Kritik aus Bayern ausdrücklich auf ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik. Natürlich müssten der Zustrom begrenzt, die Abschiebungen Nicht-Schutzbedürftiger beschleunigt und deutsches Recht bei allen Neuankömmlingen sofort durchgesetzt werden. Aber gerade christliche Parteien mit einem "C" im Namen trügen eine besondere Verantwortung bei dem Thema. "Das C ist nicht nur für Sonntagsreden. Das ist auch nicht nur für diejenigen, die in Deutschland leben, gedacht und auch nicht nur für die, die in Europa leben", sagte die Kanzlerin. Erneut sprach sie sich gegen eine Abschottungspolitik aus: "Zäune um Deutschland herum werden nicht helfen."

Mikl-Leitner befürchtet bei Grenzschließung Proteste
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bezeichnete entsprechende Ankündigungen Bayerns vorerst als Gerüchte. Man müsse abwarten, welche Maßnahmen tatsächlich gesetzt würden. Wenn Bayern aber Maßnahmen setze, sei auch Österreich gezwungen, entsprechende Maßnahmen zu setzen. Sie befürchtet aber gewaltsame Proteste im Grenzgebiet, falls Bayern wie angekündigt Migranten abweisen sollte. "Wenn Flüchtlinge nach Österreich zurückgeschickt werden, die in Deutschland bleiben wollen, dann muss man letztendlich mit Ausschreitungen rechnen", sagte sie am Donnerstagabend. Zudem werde es zu einem Rückstau kommen, weil pro Tag auch in Österreich 5000 bis 6000 Flüchtlinge ankämen. Wie sich die Situation entwickle könne sie derzeit aber nicht sagen, erklärte die Ministerin nach einem Treffen mit ihren EU-Kollegen.

Seehofer kündigt "wirksame Notwehr" Bayerns an
Im Streit um die Flüchtlingspolitik hatte Seehofer bereits am Mittwoch den Ton gegenüber Merkel verschärft. Er kündigte eine "wirksame Notwehr" Bayerns an, sollte der Bund keine tauglichen Maßnahmen zur Reduzierung der Flüchtlingszahl treffen. Wie diese "Notwehr" aussehen könnte, ließ Seehofer dabei allerdings noch offen. Seinen Angaben zufolge sind allein zwischen 1. September und 3. Oktober 225.000 Flüchtlinge in Bayern angekommen. Seehofer schoss sich aber auch auf andere EU-Länder ein. Er sagte mit Blick auf die ankommenden Flüchtlinge: "Auf Griechenland kann man nicht zählen, Kroatien und Ungarn werden überrannt, und Österreich winkt nur durch."

CDU und SPD reagieren mit Unverständnis
In Berlin reagierten CDU und SPD mit Unverständnis auf die Drohungen Seehofers. In der CDU wurde darauf verwiesen, dass die Bundesregierung in der vergangenen Woche die deutlichste Verschärfung des Asylrechts seit Jahrzehnten auf den Weg gebracht habe. Sie solle bereits im November in Kraft treten. Außerdem habe das Kabinett am Mittwoch beschlossen, dass die Flüchtlingspolitik künftig direkt aus dem Kanzleramt gesteuert wird.

Die deutsche Regierung rechnet für das gesamte Jahr mit 800.000 Flüchtlingen, mit bisher 577.000 Neuankömmlingen und den nicht registrierten Personen dürfte die Zahl aber wohl überschritten werden. Innenminister Thomas de Maiziere sagte, dass er keine neue Prognose veröffentlichen will, da diese etwa in Herkunftsländern als Einladung missverstanden und von Schleppern missbraucht werden könne.

Merkel fordert "neues System der Fairness"
Merkel forderte am Mittwoch im Europäischen Parlament "ein neues System der Fairness bei der Lastenverteilung". Auch Frankreichs Präsident Francois Hollande forderte eine gemeinsame Migrations- und Asylpolitik in der EU. Konkrete Vorschläge, etwa zu verbindlichen Aufnahmequoten oder Erleichterungen der legalen Einwanderung, machten freilich weder die Regierungschefin noch der Präsident.

In der ARD-Talkshow "Anne Will" lehnte es Merkel am Mittwochabend einmal mehr ab, Deutschland gegen Flüchtlinge abzuschotten: "Ich möchte mich nicht an einem Wettbewerb beteiligen, wer ist am unfreundlichsten zu Flüchtlingen, dann werden sie schon nicht kommen", sagte die Kanzlerin. "Deutschland ist ein Land, das die Flüchtlinge freundlich empfängt. Darauf bin ich stolz." Eine Schließung der Grenzen oder ein Aufnahmestopp kämen nicht infrage: "Das wird nicht klappen."

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