Ein wunderschönes Stück "Bella Italia" ist sie geworden, liebevoll gestaltet mit glänzendem Chrom, konkaven Kotflügeln, einem schlank zusammenlaufenden Heck, das wie ganz früher namensgebend an ein Wespenhinterteil erinnert, schmaleren Trittbrettern, die auch einen weißen Sommeranzug nicht gefährden, Blinkern mit LED-Tagfahrlicht. Es finden sich Anleihen an das unfassbar teure Designerstück Vespa 946 ebenso wie Zitate aus alten Zeiten. Etwa das "Rückgrat" in der (wie die ganze Karosserie stählernen) Frontschürze innen wie außen, das einst stilprägend war. Man könnte sich in die neue Italienerin nur wegen ihres guten Aussehens verlieben - muss man aber nicht, denn die Vespa Primavera 125ie 3V ist auch technisch ein komplett neu konstruierter Motorroller.
Elegant, spritzig, praktisch
Bella Italia an sich mag den einen oder anderen Image-Kratzer abbekommen haben, die Primavera jedoch glänzt mit solider Qualität und räumt radikal mit einigen Mankos der LX auf. Etwa mit dem zu kleinen Helmfach, das zu ihr gehörte wie Berlusconi zu Italien. Das der Primavera fasst 16,6 statt 14,3 Liter und schluckt endlich auch einen Integralhelm. Kleinkram wie Handy oder Brieftasche verstraut man im versperrbaren Handschuhfach. Praktisch: Das Helmfach lässt sich mit einem Handgriff wie ein Eimer herausnehmen, wodurch man freien Zugriff auf den Motor hat.
Der ist eine völlige Neukonstruktion mit Dreiventiltechnik (zwei Einlass-, ein Auslassventil), wurde aber in der LX bereits kürzlich eingeführt, wo er 1 PS mehr leistet – allerdings bei höheren Drehzahlen. In der Primavera sorgt er in Verbindung mit dem neuen stufenlosen Variomatic-Getriebe trotz nomineller Minderleistung für spritzige Fahrleistungen. Bei ambitionierten Testfahrten kreuz und quer durch Barcelona hatte ich nie das Gefühl, dringend mehr Power zu brauchen als die 10,7 PS und 10,4 Nm. Praktisch ohne Verzögerung setzt beim Dreh am Gasgriff kräftiger Vortrieb ein und beschert aufmerksamen Fahrern beim Ampelstart sogar Erfolgserlebnisse. Piaggio hat auch ausgiebig an der Motoraufhängung gearbeitet und dem Triebwerk jegliche Vibrationen ausgetrieben. Zudem klingt der luftgekühlte Antrieb absolut angenehm.
Fabelhaftes Fahrwerk
Am meisten hat mich jedoch das Fahrwerk beeindruckt. Damit, dass ein Roller mit so kleinen Rädern so stabil zu fahren sein kann, habe ich nicht gerechnet. Keine Unsicherheiten, kein Taumeln, selbst wenn ich mit 50 Sachen über Holperschwellen brettere. Man merkt sie weder im Kreuz noch im Fahrverhalten, die Primavera dämpft alles so superkomfortabel weg, dass ich Kanaldeckel, Schwellen und Schlaglöcher regelrecht gesucht habe, um mich am Schluckvermögen zu ergötzen. Auch bei Höchsttempo (91 km/h) fühlt sich alles sicherer an als ein rechtskräftiges Urteil gegen den Cavaliere.
Gründe für die eklatante Verbesserung sind das jetzt 11" große Hinterrad (LX hatte vorn 11", hinten nur 10"), der bei gleicher Fahrzeuglänge um sechs Zentimeter gewachsene Radstand (1,34 Meter), der steifere Rahmen und die komplett neue Radaufhängung. Natürlich bleibt es auch bei der im Prinzip aus dem Flugzeugbau stammenden einseitigen Aufhängung, die seit 1946 bereits 18 Millionen Vespe geprägt hat. Gebremst wird per schwimmend gelagerter Zweikolbenbremse an 20er-Scheibe, hinten per Bremstrommel.
Geschaffen für die Großstadt
Im Verkehrsgetümmel der Großstadt ist die Primavera zu Hause wie der Chianti in der Toskana. Sie ist wendig, so gut ausbalanciert, dass man auch mal stehen bleiben kann, ohne gleich einen Fuß absetzen zu müssen. Die Sitzposition ist hervorragend, trotz meiner Körpergröße habe ich richtig viel Platz für meine Beine. Die Bedienung der Armaturen gelingt problemlos, sie sind in einer Art Manschetten untergebracht, die an die alte Handschaltung erinnern sollen. Der Hauptständer wurde verbessert, wodurch sich die Vespa spielerisch aufbocken lässt. Nur die verchromten, runden Spiegel ragen zu weit über die Lenkerenden hinaus, da heißt es aufpassen.
Die ersten 125er-Primaveras treffen noch zur Herbstzeit in den nächsten Tagen in Österreich ein. In anderen Märkten wie Italien gibt es stattdessen eine 150er mit 12,9 PS. Importeur Faber überlegt noch, ob er eventuell ein paar ins Land holt. Im Frühjahr folgen jedenfalls noch zwei 50-cm³-Versionen (Zwei- und Viertakter). Die 125er soll trotz eklatanter Verbesserungen nicht teurer werden als die LX, also rund 4.300 Euro kosten. Fürs ABS kommen noch etwa 300 Euro dazu – wenn es dann mal verfügbar ist, denn daran wird noch gearbeitet. Investieren kann man auch in wunderschöne Chrom-Gepäckträger vorne und hinten oder in ein perfekt gestaltetes Topcase in passender Lackierung.
Für die Großstadt gibt es wohl nichts Angenehmeres als die Vespa Primavera – und sie ist besser für die schlanke Linie als die gleichnamige Pasta mit einem Vierterl Rotwein dazu…
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
… aufs ABS warten.
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