Sorge bei EU-Chefs

Kern: FPÖ gilt als "krass antieuropäisch"

Ausland
29.09.2017 14:04

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ortet im Kreise seiner EU-Amtskollegen "reihum" die Sorge vor einer möglichen Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen nach der Nationalratswahl. "Die gelten als krass antieuropäisch", sagte Kern am Freitag vor österreichischen Journalisten im estnischen Tallinn auf die Frage, ob er beim EU-Gipfel auf die FPÖ angesprochen worden sei.

"Da hast du natürlich Besorgnis, ganz klar", sagte Kern. Besonders ausgeprägt sei dies bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, weil dieser "das größte Sensorium und die beste Kenntnis Österreichs" habe.

"Rechtspopulisten weit weg von der Machtergreifung"
Der SPÖ-Chef räumte aber ein, dass es vor der zweiten Bundespräsidentenwahl im Vorjahr "schlimmer" gewesen sei als jetzt. Nach dem Brexit und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten habe es damals die Einschätzung gegeben, dass Europa vor dem Abgrund stehen könnte. "Die Sorge war, dass Österreich der erste Stein ist und dann ein Land nach dem anderen kippt. Es hat sich dann herausgestellt, dass die Rechtspopulisten doch weit weg von der Machtergreifung sind." Mit Blick auf die anstehenden Wahlen zeigte sich Kern beruhigt: "Es gibt eine ausgeprägte Meinung. Wenn die österreichische Population aus den 28 Staats- und Regierungschefs bestehen würde, würden wir eine deutliche absolute Mehrheit erzielen."

ÖVP "fast am defensivsten Rand bei diesen Geschichten"
"Es wird nach der Wahl auch eine österreichische Klärung brauchen", sagte Kern im Vorfeld des EU-Gipfels mit Blick auf die "sehr unterschiedlichen Konzeptionen" der österreichischen Parteien in der vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron angestoßenen Reformdebatte. Die Bandbreite reiche von den NEOS bis zu FPÖ und ÖVP, wobei die Volkspartei von Außenminister Sebastian Kurz "fast am defensivsten Rand bei diesen Geschichten" sei.

"Wir wollen kein Nachtwächter-Europa"
"Wir wollen kein Nachtwächter-Europa, das sich nur auf Sicherheit und das Zusperren der Grenzen beschränkt", sagte Kern in Anspielung auf die Kritik von Kurz an den wirtschafts- und sozialpolitischen Plänen Macrons. Hier gelte es, die Potenziale der europäischen Zusammenarbeit zu nutzen, betonte der SPÖ-Chef. Wenn man weiter auf nationale Lösungen setze, bedeute dies: "Wir werden weiter zuschauen, wie unsere Steuerbasis erodiert, wir werden weiter zuschauen, wie unsere Sozialstandards erodieren."

"Öffentlicher Konvent" in Österreich
Kern sprach sich auch für eine breite innerstaatliche Diskussion unter Einbindung der Bürger aus. Ein "öffentlicher Konvent" solle in Österreich "die großen Zukunftsfragen" der EU erörtern. Als Themen nannte der Kanzler etwa die Zusammenlegung von EU-Ratspräsident und EU-Kommissionspräsident sowie die Bildung gemeinsamer europäischer Parteilisten.

Kein "Warten auf den Langsamsten" mehr
Auf ein gemeinsames Vorgehen aller EU-Staaten hofft der Bundeskanzler nicht. Das "Warten auf den Langsamsten" habe bisher dazu geführt, dass es in der Sozial- oder Sicherheitspolitik kaum Fortschritte gegeben habe. Skeptisch sieht er auch eine Reform der Institutionen wie etwa ein eigenes Eurozonen-Budget, weil das unrealistisch sei. Der Lissabon-Vertrag solle nicht aufgemacht werden, weil eine Reform jahrelang dauern würde. Stattdessen sollte sich eine Staatengruppe bilden, die gemeinsam rascher vorankommt.

Konkret sprach der Kanzler von einer Koalition aus derzeit sieben oder acht Staaten unter Führung Frankreichs, der sich auch Deutschland anschließen dürfte. Auch Österreich habe "Interesse angemeldet", dieser Gruppe anzugehören. Sie könnte noch heuer ein eigenes Papier vorlegen. "Wir werden sehen, was bis Dezember möglich ist in dieser Gruppe."

"Gruppe der Willigen" muss "Druck ausüben"
"Ich erwarte mir insbesondere in der Steuerpolitik Fortschritte", sagte Kern mit Blick auf die Harmonisierung der Unternehmenssteuern. Das sei auch mit Blick auf den Brexit und die Überlegungen Großbritanniens zu sehen, das Land nach dem EU-Austritt zu einem "Singapur Europas" mit niedrigen Steuern zu machen. Scharfe Kritik übte er neuerlich an Ungarn, das Milliarden an EU-Fördergeldern bekomme und zugleich die Unternehmenssteuer auf neun Prozent gesenkt habe.

"Es kann nicht sein, dass mit den Mitteln europäischer und österreichischer Steuerzahler in Nachbarländern Steuersätze subventioniert werden", so Kern. Hier solle die "Gruppe der Willigen" durch gemeinsame Vorschläge "Druck ausüben".

Rückendeckung für Macron
Kern hatte sich bereits im Rahmen des informellen Abendessens der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag hinter Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gestellt und diesen nach eigenen Aussagen "massiv unterstützt".

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