Vietnam ist ein Einparteienstaat. Kritik an der kommunistischen Partei ist verboten. Zahlreiche kritische Blogger sind angeklagt oder sitzen im Gefängnis. Das Dekret 72 über "Management, Bereitstellung und Verwendung von Internetdiensten und Inhalten online" schreibt vor, dass Bürger auf Blogs und in sozialen Netzwerken nur persönliche Informationen veröffentlichen dürfen.
Kein anderes Material, etwa Presseberichte oder Webseiten der Regierung, dürfen zitiert werden. Verweise sind ebenfalls verboten. Dies solle die weitverbreiteten Verletzungen von Urheberrecht eindämmen, sagte der stellvertretende Kommunikationsminister Le Nam Thang.
Internetfirmen, die in Vietnam aktiv sind, müssen nun Server im Land unterhalten und die Inhalte auf sogenannte verbotene Handlungen überprüfen. Dabei handelt es sich unter anderem um die "Förderung von Gewalt, Ausschweifungen, lasterhaftem Lebenswandel, Verbrechen, sozialen Übel und Aberglauben".
Experten fürchten Schaden für Internetwirtschaft
Die boomende Internetindustrie könnte zum Kollateralschaden der Kontrollwut der Regierung werden. Der Informations- und Kommunikationstechniksektor in Vietnam wächst täglich. Waren 2006 nur 17 Prozent der Bevölkerung online, so waren es 2011 bereits 35 Prozent - etwa 30 Millionen Menschen. Der Sektor erwirtschaftete Einkünfte von umgerechnet etwa 10,4 Milliarden Euro.
Die Kosten der Überwachung und die schwammige Formulierung des Dekrets drohten nun Innovationen zu ersticken und Firmen davon abzuhalten, in Vietnam zu investieren, fürchten Experten. "Es ist schlecht für die User und für einheimische Firmen", sagt ein Vertreter einer internationalen Internetfirma, der anonym bleiben will. "Ein Internetunternehmer muss zu allererst einen Rechtsanwalt anstatt eines Software-Entwicklers anheuern und kann nicht mal loslegen, bis der ganze Papierkram erledigt ist."
Spielemarkt besonders betroffen
Schwer treffen könnte das Dekret 72 vor allem den boomenden Spielemarkt. Mehr als 13 Millionen Vietnamesen spielen online. Das Land ist damit der größte Markt für solche Spiele in Südostasien. 2011 lag der Umsatz bei 114 Millionen Euro. Doch nach Angaben von Nguyen Tuan Huy, Gründer der Firma Emobi Games, dominieren ausländische Spiele den Markt.
Das neue Dekret könnte die Entwicklung von Spielen zu riskant machen, meint er, da nun im Voraus eine Lizenz benötigt wird. "Entwickler wissen nicht, ob das Spiel erlaubt wird." Kontrollen sollten stattfinden, nachdem das Spiel auf dem Markt sei, meint Huy. Die Copyright-Probleme hingegen könne nur der Markt selbst lösen, findet er angesichts der Problematik grassierender Raubkopien. Das sei nichts, wo Maßnahmen der Regierung greifen können.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.