Gefährliche Euphorie

Autonomes Fahren ist wie russisches Roulette

Motor
22.03.2018 23:25

Würden Sie ein kleines Kind, das alleine in einer Badewanne spielen kann, in einen See werfen? Es wird dann schon schwimmen können? Wohl eher nicht. Aber genau das passiert derzeit mit autonomen Fahrzeugen, die ja angeblich sicherer sind als von Menschenhand gesteuerte Autos. Wie sicher, haben wir gerade in Arizona gesehen, wo eine Fußgängerin getötet wurde (das Video oben zeigt den Unfall).

(Bild: kmm)

Es ist erstaunlich genug, dass es so lange gedauert hat, bis so etwas Schlimmes passiert ist. Beim russischen Roulette ist ja auch nicht jedes Durchdrücken des Abzugs tödlich, aber irgendwann ist es so weit. Kleinere Unfälle gab es ja schon öfter, abgesehen von dem Überfahren einer roten Ampel in San Francisco, das einem Fahrzeug aus der autonomen Flotte des Chauffeursunternehmens Uber (zu der auch das Todesfahrzeug gehört) bereits am ersten Testtag passiert ist.

Theoretisch mag die Sensorenarmada in solchen Autos funktionieren, in der Simulation oder auch auf Teststrecken, auf denen kein normaler Individualverkehr stattfindet. Aber auf echten Straßen, mit echten Autos, Menschen, Tieren, Umwelteinflüssen? Selbst die geringste Ausfall- bzw. Fehlerrate ist nicht zu tolerieren.

Das Problem mit den Sicherheitsfahrern
Selbst wenn bei aktuellen Tests in „freier Wildbahn“ sogenannte Sicherheitsfahrer am Steuer sitzen, die im Fall eines Technikversagens eingreifen sollen, gibt es zwei Probleme:

  • Unaufmerksamkeit: Wenn der Fahrer nicht bei der Sache ist, sondern (wie offensichtlich bei dem tödlichen Unfall in Arizona) zum Beispiel nach unten sieht, um etwa Serien auf einem Tablet zu schauen oder Nachrichten auf dem Handy zu schreiben, wird er es schwer haben, einen Unfall zu verhindern.
  • Zeitverzögerung: Ein aufmerksamer Fahrer kann direkt auf eine Gefahr reagieren, also etwa auf einen Fußgänger, der über die Straße läuft, oder ein Auto, das den Weg kreuzt. In einem Fahrzeug, das autonom unterwegs ist, wird er grundsätzlich später reagieren. Warum? Zunächst soll ja das Auto reagieren. Nur wenn das nicht passiert, reagiert der Fahrer - aber nicht auf das Ereignis, sondern auf die fehlende Reaktion auf das Ereignis.

Assistenzsysteme in unseren Autos
Vieles von der Technik, die in autonomen Fahrzeugen verbaut ist, befindet sich mittlerweile in modernen Autos, die bereits im Handel sind. Aber: Jeder, der einmal teilautonome Assistenzsysteme an einem modernen Auto wirklich ausprobiert hat, weiß, dass die moderne Technik alles andere als zuverlässig ist. Europäische Hersteller wie Mercedes, BMW oder Volvo sagen immerhin dazu, dass man als Fahrer immer die Kontrolle haben muss, auch wenn man Schwachstellen niemals zugeben würde.

Tesla hingegen hat die bordeigenen Systeme vollmundig als „Autopilot“ bezeichnet. Ein Amerikaner, der das wörtlich genommen hatte, bezahlte das mit seinem Leben, als sein Tesla Model S in den USA einen Sattelzug-Auflieger nicht als solchen erkannte und ungebremst hineinkrachte. Nicht der einzige fatale Tesla-Unfall.

Trügerische Sicherheit durch „Assistenzsysteme“
Aber auch die Aussage, der Fahrer müsse immer die Kontrolle haben, kann keine Entschuldigung für Fehlerfunktionen der teilautonomen Assistenzsysteme sein. Wenn ein aktueller Mercedes CLS beim Setzen des Blinkers auf den Vordermann zu beschleunigt, statt die Spur zu wechseln. Wenn ein 7er-BMW plötzlich nach links Richtung Leitplanke zieht? Wenn ein Tesla Model X geradeaus auf eine Verkehrsinsel zufährt. Das ist alles (bei idealen Bedingungen, also bei Tag und trockener Fahrbahn) bei Testfahrten passiert und es sind nur willkürlich herausgegriffene Beispiele. Natürlich funktioniert die Technik öfter, als sie versagt, aber das ist nicht der Punkt. „Assistenzsysteme“ sollen für Sicherheit und Komfort sorgen? Trügerisch.

Die Probleme fangen schon bei viel einfacheren Technologien an: Ich bin sicher bereits eine dreistellige Zahl von Autos mit Tempolimiterkennung gefahren - in keinem Fall war sie über einen längeren Zeitraum hundertprozentig zuverlässig. Man kann nur von mehr oder weniger unzuverlässig sprechen. Wer würde eine Uhr verwenden, die zu 70 Prozent die richtige Zeit anzeigt? Eben. Und die Radarstrafe zahlt sicher nicht der Autohersteller.

Autonome Euphorie
Nur weil alle Welt autonome Fahrzeuge in den Himmel lobt, Hersteller schon fast massenhaft Konzepte präsentieren und längst Testflotten auf öffentlichen Straßen unterwegs sind, heißt das noch lange nicht, dass das alles gut ist. Und sicher. Und wünschenswert. Ja, auf manchen langen Autobahn- oder Staufahrten würde ich mich auch gerne zurücklehnen und mich automatisch chauffieren lassen - mein Leben will ich dafür nicht riskieren. Als Kind wollte ich auch gerne ins Wasser. Alleine reingesprungen bin ich erst, als ich schwimmen konnte.

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(Bild: kmm)



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