Adventkalender #10

Weihnachten für Kesselflicker Franz

Kärnten
09.12.2016 14:40

"Krone"-Leserin Inge Jobst aus Millstatt hat ihre wahre Weihnachtsgeschichte aus ihrer Kindheit für den "Kärntner Krone"-Adventkalender geschrieben. Lesen Sie die Geschichte vom einsamen Kesselflicker Franz, der von ihren Eltern zum Weihnachtsessen eingeladen wurde, hinter dem zehnten Türchen des "Kärntner Krone"- Adventkalender:

Es liegt schon viele Jahre zurück, ich war damals acht Jahre alt. Meine Eltern und meine Großmutter hatten eine kleine Landwirtschaft und ich erinnere mich, es kam öfters ein Kesselflicker zu uns, der von Haus zu Haus wanderte, um die Löcher in den alten Kochtöpfen, Pfannen und Schüsseln zu löten. Franz, so hieß der Kesselflicker, wohnte allein, in der Nähe, in einer stillgelegten alten Mühle am Bach. Das bisschen Geld, das er verdiente, versoff er sofort im nächsten Gasthaus. Aber meinen Eltern tat Franz leid und sie luden ihn eines Tages ein, am Heiligen Abend zu uns zu kommen.

Ich wollte was sagen, aber der Blick meiner Eltern ließ mich verstummen. Am Weihnachtsabend klopfte es heftig an unsere Haustür. Franz stand an der Schwelle. Er hatte sich einen zackigen Seitenscheitel gekämmt, war sauber angezogen. Er roch nicht nach Schnaps, sondern nach Pitralon. Was ich sofort sah, auf einer Wange klebte ein Pflaster. Da war ihm wohl die Rasierklinge ausgerutscht. Er hatte eine Flasche Rotwein aus einem zerknitterten Papier hausgeholt und auf unseren Küchentisch gestellt. Wir Kinder bekamen jedes ein kleines Täfelchen Schokolade. Ich schaute ihn dankbar an und bemerkte ein paar Tränen in seinen Augen. In der Küche, wo meine Großmutter hantierte, duftete es schon herrlich weihnachtlich. Der unwiderstehliche Geruch der selbstgemachten Selchwürstel, die schon am Herd brodelten, war kaum noch auszuhalten. Aber es dauerte noch.

Dann endlich: Tee, Zitronen, Zucker, eine Flasche Rum, zwei Sorten Kekse, die Würstel, Senf, frischer, geriebener Kren und selbstgebackenes Brot, alles stand bereit.

Ich spür noch heute, wie mir der geriebene Kren in die Nase schoss und die Tränen aus den Augen. Auch das schadenfrohe Gelächter habe ich nicht vergessen. Franz erzählte uns aus seinem Leben, manches davon war bestimmt erfunden. Derweil sich die Erwachsenen angeregt unterhielten, stibitzte ich schnell unbemerkt einen Löffel Rum für meinen Tee. Die Zeit an diesem Abend verging sehr schnell und im Laufe des Redens stellte sich heraus, dass Franz am selben Tag Geburtstag hatte, wie ich. Sein faltiges Gesicht strahlte vor Freude.

Franz verbrachte nun jeden Weihnachtsabend bei uns. An meinem Geburtstagen bekam ich von ihm immer eine große Packung Kaugummi. Ich pustete die größten Blasen und erschreckte mit dem anschließenden, lauten Knall meine Großmutter. Franz hat meinen Geburtstagskaugummi bis zu seinem Tod kein einziges Mal vergessen.

Es ist bestimmt auch in Ihrer Nähe ein einsamer Mensch, der sich über ein paar Stunden Gemeinsamkeit freuen würde.

***

Sie haben auch eine berührende Geschichte oder eine Lieblingserinnerung aus 2016 für unseren Adventkalender? Dann senden Sie diese bitte inklusive Querfoto(s) per Mail an clara-milena.steiner@kronenzeitung.at . Alle Leser und Leserinnen, deren Weihnachtsgeschichten veröffentlicht werden, erhalten ein "Krone"-Schlagzeilenbuch als Dankeschön! :-)

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