Probleme vorhanden

“60% der Landärzte sind bald im Pensionsalter”

Tirol
10.11.2016 16:06

Sie platzen - wie berichtet - aus allen Nähten, die Notaufnahmen in Tirols Spitälern. Doch die Zuständigen der Krankenanstalten fühlen sich dafür wenig verantwortlich und spielen den Ball gerne den Landärzten zu. Und einige von ihnen räumen auch tatsächlich ein: "Ja, unsere Versorgung ist zum Teil nicht zufriedenstellend!"

Seit mittlerweile 26 Jahren betreibt Allgemeinmediziner Klaus Schweitzer eine Praxis in Tulfes. "Die Zeiten haben sich geändert, was auf insgesamt vier Gründe zurückzuführen ist: Eine enorme Bürokratie, der Generationenwechsel, eine mangelhafte Ausbildung sowie die schlafende Politik", bringt es Schweitzer auf den Punkt.

"Wir üben Leistungen aus, für die wir nicht bezahlt werden"

In erster Linie habe sich das Arbeitsumfeld in der Ordination stark verschlechtert. "Uns wurde die E-Card aufgedrückt, wir müssen die Elektronische Gesundheitsakte (Elga) abwickeln und die Medikamenten-Bewilligung ist ohnehin die reinste Katastrophe", sagt der Mediziner und ergänzt: "Außerdem werden täglich notwendige Leistungen nur bis zu einem Limit bezahlt, wie etwa das EKG oder Patientengespräche. Das heißt, dass wir zahlreiche Leistungen ausüben, für die wir allerdings nicht bezahlt werden."

Generationenwechsel spürbar

Zudem setze sich die neue Generation von Ärzten andere Schwerpunkte im Berufsleben. "24 Stunden am Tag Arzt sein gibt es bald nicht mehr. Die Jungen wollen geregelte Arbeitszeiten sowie eine fixe und vor allem planbare Freizeit", verdeutlicht Schweitzer. Außerdem seien viele Ärzte nicht mehr interessiert daran, alleine zu arbeiten, sondern setzen vermehrt auf Teamwork. "Und auch die mangelnde Ärzte-Ausbildung sowie die schlafende und uneinsichtige Politik sind Gründe für die Probleme im niedergelassenen Bereich", spricht Schweitzer Klartext und ergänzt: "In fünf bis zehn Jahren kommen mehr als 60 Prozent der Tiroler Landärzte in das Pensionsalter. Doch selbst diese Tatsache beunruhigt die politischen Entscheidungsträger nicht."

Wunsch nach modernen Arbeitsmodellen ist groß

Auch für den Gynäkologen Hugo Lunzer, der vor einem Jahr in Kufstein eine Praxis eröffnet hat, ist der Ärztemangel deutlich spürbar. "Die Arbeitsbedingungen sind nicht mehr sonderlich attraktiv, deshalb gehen viele Kollegen ins Ausland. Es müssen moderne Arbeitsmodelle her", fordert er. Und zu den überlasteten Ambulanzen in den Krankenhäusern sagt er: "Das ist zum Teil auch ein hausgemachtes Problem einzelner Einrichtungen. Ich habe einige Patientinnen, die von den Ärzten in den Spitälern etwa zu Nachuntersuchungen in die Ambulanzen bestellt werden - und das, obwohl auch Landärzte diese Kontrollen ohne Probleme durchführen könnten."

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Land setzt erste Akzente: Zwei Projekte sollen nun entlasten

Überfüllte Ambulanzen in den Spitälern und eine teils mangelhafte Versorgung am Land sind Probleme, die die Gesundheitspolitik stark fordern. Nun werden erste Akzente gesetzt: Eine ambulante Erstversorgungseinheit in der Klinik Innsbruck sowie Primärversorgungszentren in den Bezirken sollen für Entlastung sorgen.

"Die Verhandlungen haben Jahre gedauert. Wir haben zwei Projekte geschaffen, die die Spitäler entlasten und den niedergelassenen Bereich stärken sollen", erklärt LR Bernhard Tilg. Zum einen handelt es sich um eine ambulante Erstversorgungseinheit im Medizin-Zentrum Anichstraße des LKH Innsbruck. "Patienten ohne Termin oder Überweisung werden schneller eingeschätzt und je nach Dringlichkeit folgt eine Untersuchung", weiß Tilg und ergänzt: "Jene Patienten, die keine Versorgung im Spital benötigen, werden direkt an den Hausarzt überwiesen."

Investitionssumme: 175.000 Euro pro Jahr

Die Räume für diese Einheit werden derzeit bezogen, demnächst sollen die ersten Patienten behandelt werden - und zwar von Montag bis Freitag von 8 bis 22 Uhr. Das Pilotprojekt läuft vorerst auf zwei Jahre. "Dann wird es evaluiert und im Idealfall auch in den anderen Landeskrankenhäusern installiert", sagt Tilg. 175.000 Euro werden jährlich für ärztliches Personal investiert - plus die Leistungen des Spitalträgers.

Ärzte, Krankenschwestern, Therapeuten unter einem Dach

Zum anderen sollen künftig regionale Primärversorgungszentren gebaut werden. Ziel sei es, den Patienten eine abgestimmte Betreuung zu ermöglichen - und zwar indem vor Ort Ärzte, Krankenschwestern und Therapeuten kooperieren. Am 15. November sollte die Absegnung im Ministerrat erfolgen, dann fange man in Tirol mit der Planung an.

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