Dreimal besser?

Hyundai Ioniq: Starker Auftritt des „Nasenbären“

Motor
07.07.2016 17:48

Hyundai hat einen Eroberungsplan. Bis 2020 wollen die Koreaner die erfolgreichsten Asiaten in Europa sein. Einer der wichtigsten Träger dieser Ambitionen ist das dreifache Lottchen Hyundai Ioniq mit seinen Antriebsvarianten Elektro, Hybrid und Plug-in-Hybrid. Die beiden Erstgenannten konnte ich bereits einem Test unterziehen.

Es ist kein Zufall, dass der Hyundai Ioniq optisch an den erfolgreichen Hybridpionier Toyota Prius erinnert, schließlich ist der Vorbild, Benchmark und Hauptgegner, jedenfalls für die Hybridversion. Allerdings polarisiert das Design des Koreaners weniger, er verzichtet auf Ecken und Kanten.

Dadurch wirkt er einerseits unauffällig, andererseits sieht man ihm an, dass da was wirklich Neues unterwegs ist. Im coolen Amsterdamer NDSM-Werft-Areal wurden denn auch spontan die Smartphones gezückt. Ein Auto, das auf drei elektrische Antriebsversionen hinkonstruiert wurde, gab es bisher nicht.

Manchmal sind es die Unauffälligen, die Kleinen, die plötzlich den ganz großen Erfolg absahnen. Kein Wunder, dass Hyundai-Austria-Sprecherin Valeska Haaf die Elektroversion liebevoll "mein kleiner Nasenbär nennt". Das Nasenbärhafte kommt daher, dass die Elektroversion keinen Kühlergrill braucht und daher stattdessen eine stupsnäsige Fläche trägt.

So startet das E-Mobil auch ganz und gar nicht lieblich in den Markt, sondern als vielseitiger Kompaktwagen mit hochmodernen Lithium-Ionen-Polymer-Akkus (28 kWh Kapazität) und immerhin 280 Kilometer Reichweite. Vorbei die Zeiten, da mir spontan graue Haare wuchsen, wenn ich in einem Elektroauto eine Autobahnabfahrt übersehen habe und sich die Fahrtstrecke deutlich verlängerte. Die Fahrleistungen sind beinahe sportlich: 120 PS und 295 Nm reichen für einen Standardsprintwert von 9,9 Sekunden (im Sportmodus, sonst 10,2 s) und ein Höchsttempo von 165 km/h.

Mit ein bisschen vorausschauender Fahrweise kann man sich das Bremsen sparen. Es reicht vom Gas zu gehen, schon verzögert der Elektromotor und lädt dabei die Akkus (Rekuperation). Wie stark diese Bremswirkung ist, lässt sich in drei Stufen per Paddles am Lenkrad steuern (aus, 1, 2, 3). Die zweitstärkste Stufe ist wohl der harmonischste Kompromiss. Zusätzlich rekuperiert man zunächst beim Druck auf das Bremspedal, bevor dann die normale Bremse nahtlos dazukommt. Das funktioniert gut, völlig ruckfrei ist das Anhalten - etwa an der Ampel - aber nicht immer.

Im Innenraum erkennt man den Elektro-Ioniq an der riesigen Aussparung in der Mittelkonsole, in die eine riesige Handtasche passt, sowie an den bronzefarbenen Akzenten, die an Kupferkabel erinnern sollen. Apropos Kabel: Geladen werden kann der Ionic Elektro mit bis zu 100 kW, dann ist der Akku in 23 Minuten zu 80% voll. Für zu Hause gibt es eine 6,6-kWh-Wallbox (4:25 Stunden) oder die Haushaltssteckdose fürs Laden über Nacht.

Hyundai Ioniq Hybrid verstört weniger als der Prius
Der Hybrid ist abgesehen von der Tropfenform (cW-Wert 0,24!) klassisch gestaltet, mit einem ganz normalen Kühlergrill, der zwecks Aerodynamikverbesserung seine Lamellenöffnungen je nach Luftbedarf steuern kann. Auch innen sieht er aus wie ein Auto heute aussieht, im Gegensatz zum Toyota Prius mit seinem modernistisch-weißen Apple-Design.

So kriegt man also gar nicht wirklich mit, dass man nicht in einem reinen Verbrenner sitzt, außer man verfolgt den Energiefluss am Display. Alles fühlt sich an, wie man es gewohnt ist, denn im Vergleich zum mächtigen Gegner hat der Ioniq Hybrid einen großen Vorteil: ein Sechsgangdoppelkupplungsgetriebe statt der stufenlosen CVT-Automatik des Prius, die in der aktuellen Version zwar weniger, aber durch einen aufheulenden Motor und gefühlsmäßige Entkopplung des Fahrers vom Fahrzeug immer noch nervt.

Der Ioniq fährt grundsätzlich elektrisch an, bevor sich der Vierzylinder nahtlos zuschaltet. Theoretisch soll er zwei bis drei Kilometer rein elektrische Fahrt schaffen, allerdings lässt er sich nicht in den E-Modus zwingen. Aber Sinn und Zweck eines Hybridautos (ohne Plug-in-Funktion) ist ja die verbrauchsgünstige Kombination der beiden Antriebe. Übrigens kommt auch im Hybrid ein Lithium-Ionen-Polymer-Akku zum Einsatz, hier mit einer Kapazität von 1,56 kWh.

Was die Leistungsdaten betrifft, liegt der Ioniq-Hybrid über dem Niveau des Prius. Der koreanische 1,6-Liter-Benziner bringt 105 PS und 147 Nm, der Elektromotor steuert 43,5 PS und 170 Nm bei - macht eine Systemleistung von 141 PS und 265 Nm, die über die Vorderräder abgegeben wird. Beim Normverbrauch liegt der Hyundai mit 3,4 l/100 km leiht drüber. Für den Sprint von 0 auf 100 nimmt sich der 1370 kg schwere Hybrid mindestens 10,8 Sekunden, maximal läuft er 185 lm/h.

Der Innenraum strotzt nicht vor Opulenz
Häufig sieht man den Toyota Prius als Taxi - da wird ihm der Hyundai Ioniq wohl kaum den Rang ablaufen. Zu beengt geht es auf der Rückbank zu, unter der die Akkus liegen. Personen ab 1,80 m Körpergröße stoßen mit dem Kopf an den Himmel, auch die Kniefreiheit ist nicht überragend. Auf den vorderen, bequemen Plätzen herrscht hingegen kein Mangel. Ich frage mich nur, warum die Türfächer nicht für 1,5-Liter-PET-Flaschen gedacht sind.

In den Kofferraum passen beim Hybrid 443 bis 1505 Liter, beim E-Ioniq sind es 350 bis 1410 Liter.

Viel Ausstattung schon in der Basis
Serienmäßig hat der Hyundai Ioniq einen Abstandsregel-Tempomat, einen aktiven Spurhalteassistenten sowie den autonomen Notbremsassistenten mit Fußgängererkennung an Bord. Außerdem LED-Tagfahrlicht (Scheinwerfer sind Bi-Xenon), elektrische Fensterheber auf allen Plätzen, Zweizonen-Klimaautomatik oder auch Parksensoren hinten mit Rückfahrkamera (notwendig bei der Karosserieform). Die Elektroversion hat zusätzlich immer das TomTom-Navigationssystem mit mit kostenlosem Kartenupdate einmal pro Jahr.

Unterm Strich
Hyundai schickt einen harten Konkurrenten ins Rennen, der je nachdem Toyota Prius, Nissan Leaf & Co. oder - wenn im Sommer 2017 der Plug-in-Hybrid (mit über 50 km E-Reichweite) rauskommt - VW Golf GTE & Co. das Leben schwerer machen wird. Mit 4,47 m Länge ist er ein klassischer Kompaktklasse-Vertreter und sucht sich seine Gegner über den Antrieb.

Preislich ist wer auch ein Hammer. Im Vergleich kann man den Hybrid-Einstiegspreis von 24.990 Euro als Kampfpreis bezeichnen, der Elektro-Ioniq gehört mit 33.990 Euro auch zu den Günstigen seiner Art. Die Garantie beträgt fünf Jahre, für die Hochvoltbatterie sogar acht Jahre oder 200.000 Kilometer (nach dieser Zeit sollen noch 70 Prozent der Kapazität zur Verfügung stehen).

Hyundai hat sich richtig rein und spielt das ganz große Spiel. Und sie wollen ihre künftigen Kunden auch emotional erreichen, nicht zuletzt mit dem Mega-UEFA-Sponsoring. Im Oktober 2016 startet die nächste Runde des Unternehmens Europa-Eroberung, mit der Markteinführung des Ioniq - dann werden wir bald sehen, ob die Koreaner mit dem Nasenbären und seinen Brüdern dem Mitbewerb eine lange Nase zeigen.

Warum?

  • Doppelkupplungsgetriebe statt CVT im Hybrid
  • Angenehmes, straff-komfortables Fahrverhalten
  • Leise im Innenraum

Warum nicht?

  • Leicht beengt auf den Rücksitzen
  • Lenkung nicht sehr gefühlsecht

Oder vielleicht …

… Toyota Prius, Nissan Leaf, Renault Zoe, BMW i3 …

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(Bild: KMM)
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