Kaum ein Künstler der deutschen Hip-Hop-Metropole Hamburg hat in den letzten Jahren so viele Genres durch die Diskoboxen der Hansestadt getrieben, wie er. Dabei hieß sich Jan Delay vor ein paar Jährchen noch einen absoluten „Beginner“ und rappte bloß liebe Lieder für unsere Nachbarn...
Doch der Sprachgesang, die Baggypants und die fetten Beats waren nur eine musikalische Station. Man ist sich nicht sicher, aber vielleicht war es seine Coverversion von „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“, die der ursprünglichen Interpretin Nena das kurz darauf vom Erfolg verwöhnte Comeback erst ermöglichte. Jedenfalls hat sich Jan Delay während seiner Reggaephase auch hierzulande so richtig einen Namen gemacht.
Dieser Name ist ab jetzt aber mit einer ganz anderen Musikrichtung zu konnotieren. Mit seinem neuen Album „Mercedes Dance“ widmet sich der Hamburger mit Anzug und Melone dem Funk – samt Jazzgitarrist, Background-Gesangs-Schönheiten und Brass-Section in Form seiner brandneuen Begleitband „Disko No. 1“.
Die Single „Klar“ macht – wie der echte Hamburger sagen würde – „ordentlich Mucke“ und läuft auf MTV rauf und runter. Der Song hat auch Drive – nicht zuletzt, weil er sich aus einer eingängigen Akkordfolge zusammensetzt, die man in den Achtzigern in jedem zehnten Funk-lastigen Song vorfand. Vor allem im Refrain fühlt man sich, als würde man haufenweise alte Bekannte treffen.
Neu ist auf „Mercedes Dance“ nichts. Nicht einmal der nasale Gesang von Herrn Eißfeldt höchstpersönlich, der aber – und das muss man ihm zugestehen – mittlerweile wirklich als Gesang bezeichnet werden darf. Bei langsameren Balladen wie „Für immer und dich“ – das by the way verdammt nach Herbert Grönemeyer klingt – kann Jan Delay auf sein Stimmschwächen kaschierendes Markenzeichen dann aber doch nicht verzichten: Im Studio werden die Gesangsspuren stets in doppelter oder dreifacher Ausführung und von Backgroundsängern oder ihm selbst zusätzlich eingesungen. Das soll jetzt aber kein Vorwurf sein – wäre es nicht so, würden wir es vermissen.
Neben den elf Studiotracks finden sich auch drei Live-Aufnahmen, darunter „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ in einer Version mit Disko No. 1. Ungewöhnlichste Nummer ist das Instrumentalstück „Gasthaus zum lachenden Stalin“ – ein unaufregende, E-Piano-lastige Funk-Nummer, die das Geheimnis um den Titel aber nicht wirklich lüftet. Die restlichen Songs des Albums sind inhaltlich, wie halt Songs von Jan Delay immer schon waren: Sie beginnen stets mit dem Ausruf seines Namens, sind liebenswürdig angeberisch und mit unzähligen Wortspielen ausgeschmückt. Auf „Mercedes Dance“ ist er aber bei weitem nicht mehr so gesellschaftskritisch wie noch zu Beginner-Zeiten, dafür musikalisch wahrscheinlich auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Laufbahn. Man kann eben nicht alles haben...
7 von 10 Nasen, die singen lernten
Christoph Andert
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