Solo-Auftritt im ORF

Faymann: Nationaler Plan B als “Notwehr”

Österreich
13.03.2016 23:39

Bei seinem im Vorfeld heftig kritisierten Solo-Auftritt in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" hat Bundeskanzler Werner Faymann wie erwartet die österreichische Flüchtlingspolitik verteidigt und an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel appelliert, den gleichen Weg wie Wien einzuschlagen. Natürlich sei er zwar weiterhin für "Plan A", nämlich eine europäische Lösung. Doch bisher sei diese nicht erreicht, daher sei der nationale Plan B als "Notwehr" notwendig, sagte Faymann.

Der Rückgriff auf Plan B war gleichzeitig der Bruch mit Merkels Asylpolitik. Im Dezember sei klar geworden, "dass es nicht mehr funktioniert", erinnerte sich der Regierungschef. Dann sei er nicht mehr auf Linie mit Berlin gewesen. Zu Beginn der Flüchtlingswelle seien noch bis zu 95 Prozent der Migranten nach Deutschland gegangen, zuletzt sei der Anteil jener, die in Österreich blieben, aber kontiniuierlich gestiegen. Zudem habe er sehen müssen, dass keine europäische Lösung erreicht werde.

"Drei Staaten alleine können nicht alles schultern"
Daher habe er seine Meinung geändert. So erklärte der Bundeskanzler den Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik und stellte in diesem Zusammenhang klar: "Wir sind nicht das Wartezimmer Deutschlands." Außerdem habe Österreich sehr wohl bewiesen, dass man Menschen in der Not helfe. Statt nun Kritik an Österreich zu üben, sollte man auch jene EU-Staaten mit dem Thema stärker konfrontieren, die bisher wenig bis gar nichts getan hätten.

Plan B, das Abriegeln der Balkanroute und die verstärkte Kooperation beim Schutz der EU-Außengrenzen, sei also als "Notwehr" zu verstehen, da man bei gleichbleibender Dynamik des Flüchtlingsstroms von bis zu zwei Millionen Flüchtlingen für heuer rechnen habe können. Einerseits solle damit nun nach außen signalisiert werden, dass nicht drei Staaten alleine (Österreich, Deutschland und Schweden) die Flüchtlingskrise schultern können. Andererseits wolle man mit jenen Staaten, die bereits auf Linie Wiens sind, zeigen, dass nur legale Wege in die EU die Lösung seien.

Balkan- und Ausweichrouten sollen geschlossen bleiben
Faymann bekräftige seine Position, dass die Balkanroute geschlossen bleiben solle. Ebenso müssten die Ausweichrouten über Bulgarien und Italien geschlossen werden. Die Aktivitäten seien notwendig, bevor der Sommer kommt und das Meer wieder ruhiger wird. Zur Kritik an dieser Politik sagte der Kanzler nur: "Macht nichts. Es war richtig."

Auf die Frage, ob denn nicht auch das Drängen der ÖVP auf Obergrenzen bei der Flüchtlingsaufnahme und auf einen strengeren Kurs bei der Grenzpolitik eine wesentliche Rolle bei seiner "Meinungsänderung" gespielt hätten, entgegnete der SPÖ-Chef: "Das ist eine Überschätzung des Koalitionspartners." Sinkende Umfragewerte seien auch nicht ausschlaggebend: "Umfragewerte beeindrucken mich nicht."

"Nicht nur auf Ankara verlassen"
Dass die Türkei eine wichtige Rolle spielt, wollte Faymann nicht leugnen. Allerdings warnte er, dass man sich "nicht nur auf Ankara verlassen sollte". Wichtig seien eigene EU-Kapazitäten, um die 14.000 Kilometer lange Küste Griechenlands entsprechend zu sichern. "Wenn wir glauben, dass die Türkei das alles für uns löst, dann ist das falsch", so Faymann. Die Zusammenarbeit mit der Türkei, sofern diese in der kommenden Woche beschlossen wird, wäre aber ein großer Vorteil.

Auf die Forderungen Ankaras nach einer Visaliberalisierung und nach frischem Wind für die EU-Beitrittsverhandlungen ging Faymann ebenfalls kurz ein. Bezüglich der Reisefreiheit für türkische Staatsbürger sagte er, dass diese ab Juni angedacht sei, wenn die Türkei die Bedingungen erfülle, die an den Deal mit Brüssel geknüpft sind. Beim Thema EU-Beitritt gab sich Faymann zurückhaltend. "Ziel ist, dass wir weitere Kapitel eröffnen." Doch diese sollten nicht möglichst rasch wieder geschlossen werden, sondern es solle genügend Zeit für Diskussion geben, um auf Missstände hinzuweisen.

Seitenhiebe Richtung Mitterlehner
Kleine Seitenhiebe Richtung ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner konnte sich Faymann während des Gesprächs mit Moderatorin Ingrid Thurnher nicht verkneifen. Der Regierungschef bedankte sich mehrmals für die Einladung und die Gelegenheit, ausführlich über die Regierungslinie zu sprechen. Mitterlehner hatte während eines "ZiB 2"-Interviews am Mittwoch (siehe Bild oben) heftige Kritik an der Einladungspolitik des ORF ("Bestellfernsehen") geübt und für sich ein ähnliches Format mit ähnlich langer Sendezeit gefordert. Auf Twitter erntete der Vizekanzler für seinen Auftritt viel Kritik.

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