Priester regte auf

Polen: Teufelsaustreibung für kritische Zeitung

Ausland
14.12.2015 09:47

Das politische Klima in Polen ist rauer denn je: Am Wochenende gab es landesweite Demonstrationen für und gegen die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Einen Tag nach Protestmärschen von Regierungsgegnern zogen am Sonntag Zehntausende PiS-Anhänger durch die Straßen Warschaus. Parteichef Jaroslaw Kaczynski beschimpfte dabei seine politischen Gegner. Für Aufsehen sorgte ein Priester vor dem Redaktionsgebäude der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza": Er rückte mit einer symbolischen Teufelsaustreibung der führenden polnische Zeitung zu Leibe.

Auf dem Verlagsgebäude der Zeitung wehte in Anspielung auf die aktuelle juristische Auseinandersetzung zwischen der PiS und dem Verfassungsgericht eine Fahne mit der Aufschrift "Verfassung ohne Zensur". Mit einer Teufelsaustreibung für das Blatt sorgte daraufhin ein Priester für Aufsehen. Umringt von Mitgliedern nationalkonservativer Gruppen aus dem Umfeld der Partei sprach der Kirchenmann ein Exorzismusgebet. Die Aktion war der Abschluss des Protestmarsches gegen die "Lügen der Medien".

"Gazeta Wyborcza" wichtigstes Meinungsbildungsorgan in Polen
Die "Gazeta Wyborcza" unter Chefredakteur Adam Michnik gilt als wichtigstes Organ der Meinungsbildung in Polen. Das linksliberale Blatt erschien erstmals 1989, nachdem sich die Gewerkschaft Solidarnosc vor den ersten freien Parlamentswahl im Juni nach der Ära des Kommunismus in Polen das Recht zur Herausgabe einer Zeitung ertrotzt hatte.

"Ganz Polen lacht über euch, ihr Kommunisten und Diebe"
"Ganz Polen lacht über euch, ihr Kommunisten und Diebe", verhöhnte Parteichef Kaczynski vor dem Verfassungsgericht in Warschau seine Gegner. In pathetischem Tonfall sagte er: "Erst seit dem jüngsten Machtwechsel in Präsidentenamt, Parlament und Regierung ist das wahre Polen an der Macht. Davor hat eine Machtelite geherrscht, der es nur um ihre eigenen Interessen, nicht um das Wohl des Volkes gegangen ist." Kaczynski reagierte damit auf die landesweiten Proteste von Regierungsgegnern einen Tag zuvor, die etwa in Slogans "Wir sind Polen" gerufen hatten.

PiS will auch die Justiz übernehmen
Nach ihren Siegen bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im heurigen Jahr will die PiS nun in einer Art Putsch auch die Justiz übernehmen. Die Teilnehmer der Demonstrationen zogen nach Kaczynskis Rede hinter einer Ikone der Jungfrau Maria und einem Transparent mit der Aufschrift "Kreuzzug für das Vaterland" vor das Verlagshaus der "Gazeta Wyborcza".

Ernennung dreier Verfassungsrichter als Auslöser der Konflikte
Hintergrund des erbittert geführten Konflikts ist die Weigerung des von der PiS nominierten Präsidenten Andrzej Duda, trotz einer gültigen Gerichtsentscheidung drei neue Verfassungsrichter zu ernennen, die noch von der früheren liberalkonservativen Parlamentsmehrheit gewählt worden waren. Duda ernannte stattdessen, ohne auf das Urteil zu warten, neue Verfassungsrichter, die von der jetzigen PiS-Mehrheit im Parlament ausgewählt wurden. Kaczynski verteidigte diesen Schritt: "Das Verfassungsgericht und das gesamte Justizsystem müssen umgebaut werden, um endlich konsequent zu arbeiten und mit beschämenden Fehlern der Vergangenheit aufzuräumen", so Kaczynski.

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