Auf den ersten Blick wird wohl niemand aufschreien, "ah, das ist ja der neue Audi A4!". Noch eher wird er auf Audi A6 tippen, denn der Ingolstädter mit der internen Bezeichnung B9 wirkt größer als sein Vorgänger, vor allem von hinten. Vorne blickt man in scharf geschnittene, fast böse Scheinwerfer, Xenon ist Serie, optional sind die sehr gelungenen LED-Matrix-Lichter zu haben. Die Seitenansicht wird geprägt von schlichter Eleganz, die auch auf die zarte Schulterlinie zurückzuführen ist, die sich über die ganze Länge spannt. Und das in einer Präzision, die schon beinahe als verspielt zu bezeichnen ist. Genau diese Linie wurde unter anderem am "Meisterbock" perfektioniert, und zwar so, dass sie sogar die 15/100 Millimeter dünne Lackschicht berücksichtigen. Eine Herausforderung ist dabei, dass unterschiedliche Materialien zum Einsatz kommen, sagt Audi, weil ja die Tankklappe aus Kunststoff besteht.
Das Ergebnis wird keinem Autofahrer auffallen, aber vielleicht spürt er es in Form einer Qualitätsausstrahlung, die ihresgleichen sucht.
Luxus und Wohlstand
Das gilt auch für den Innenraum, der noch eine Klasse eleganter wirkt als bisher, besonders wenn man ein wenig in die Zierflächen investiert. Offenporiges Holz zum Beispiel wirkt extrem luxuriös. Tacho & Co. werden optional volldigital (12,3 Zoll) dargestellt, das 8,3-Zoll-Infotainment-Display thront jetzt obenauf, kann aber nicht wie im A3 (obwohl es so aussieht) eingefahren werden.
Das Bedienkonzept ist neu, vieles wird über die serienmäßigen Lenkradtasten oder per deutlich verbesserter Sprachsteuerung geregelt. Natürlich gibt es auch den Drehdrücksteller auf der Mittelkonsole samt umgebender Tasten - allerdings ist seine Platzierung veritabel misslungen: Er sitzt hinter dem Automatikwählhebel. Auf diesem ruht also das Handgelenk, während sich die Finger auf den Drehdrücksteller krümmen, damit ihn die Fingerspitzen bewegen können. Als wäre es in Ingolstadt verboten, bei der Münchner Konkurrenz zu schauen, wie man so etwas richtig macht.
Der Wohlfühlfaktor ist hoch im Audi A4, auch weil es im Innenraum unheimlich leise zugeht. Der Sitzkomfort ist hervorragend - besonders auf die Rückbank sind sie stolz bei Audi. Tatsächlich sitzt man hinten wie in Abrahams Schoß. Die komfortable Sitzfläche ist auch der Grund, warum beim Umklappen der Rücklehne im A4 Avant keine ebene Fläche entsteht, sondern eine schiefe Ebene. Sei's drum, der Kofferraum fasst 505 bis 1510 Liter, ist durchgehend einen Meter breit und seine Klappe öffnet serienmäßig elektrisch, Fußkicköffnung gibt's auch. Sehr praktisch: Die neu konstruierten Kofferraumorganizer fliegen nicht durch die Gegend, wenn sie nicht gebraucht werden, sondern lagern dann in eigenen Aussparungen unter dem Ladeboden. Der wiederum hat serienmäßig zwei Seiten: eine mit Teppich und eine mit Kunststoffoberfläche für schmutziges Ladegut (wie z.B. Wanderstiefel).
Wahnsinn, wie das fährt
Das Fahrwerk ist schlichtweg großartig, vor allem mit den Adaptivdämpfern und ihrer sehr gelungenen Spreizung zwischen Sport und Komfort. Die Lenkung arbeitet gefühlsecht, der Audi gleitet behände um die Kurven. Da tut ihm auch sein um bis zu 120 Kilogramm gesunkenes Gewicht gut (der leichteste wiegt 1375 Kilo ohne Fahrer). Auch die getesteten Motorisierungen geben sich keine Blöße. Sehr geschmeidig läuft natürlich der Dreiliter-Sechszylinder-Diesel, der mit 218 oder 272 PS erhältlich ist, doch auch der Zweiliter-Vierzylinder-Diesel, den ich in der Version mit 190 PS gefahren habe (zum Vergleich: er wiegt 1530 Kilo), zieht gut und gehört auch akustisch zu den ganz Angenehmen. Im Vergleich eine Spur flachbrüstiger wirkt der gleich starke Benziner; wer einen sportlichen Benziner sucht, könnte bei der 252-PS-Version fündig werden. Verbrauchsking ist der 2.0 TDI ultra mit 3,8 l/100 km laut NEFZ.
Wer per Hand schalten will, muss übrigens zu den beiden 150-PS-Motoren greifen, alle anderen übertragen die Kraft per Automatik an die Vorderräder oder alle viere - die meisten per Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, der Allrad-Topdiesel per Achtgang-Wandler.
Großes Assistentenfeuerwerk für großes Geld
Serienmäßig sind alle neuen Audi A4 mit dem kameragestützten "pre sense city" ausgestattet, das bis 40 km/h Auffahrunfälle durch mehrstufige Reaktion bis hin zum autonomen Bremsen verhindern soll. Auch die Müdigkeitserkennung ist Serie. Wer genug Geld in die Hand nimmt, kann den A4 aber auch zum Technik-Center hochkonfigurieren, sodass er im Gefahrenfall dann z.B. selbsttätig ausweichen kann. Oder die im Tempomat eingestellte Geschwindigkeit automatisch an das geltende Tempolimit anpasst.
Alternative Antriebe in der Hinterhand
Ein Plug-in-Hybrid wird kommen, fix angekündigt ist für Ende 2016 eine 170 PS starke Erdgas-Version. Das Besondere daran ist weniger, dass dieser Audi A4 Avant g-tron dann bivalent unterwegs sein wird und (Normwert) 500 Kilometer mit Gas sowie 450 Kilometer mit seinem 25-Liter-Benzintank schafft, sondern dass Audi in einer Power-to-Gas-Anlage in Norddeutschland klimaneutrales Biogas erzeugt - und zwar so viel, dass es für alle g-trons reicht, die dadurch umweltfreundlich fahren.
Unterm Strich
Keine Frage: Der Audi A4 ist verdammt nah an der Perfektion. Das muss man sich aber auch leisten wollen. Klein anfangen kann man (ab 13. November 2015) ab 34.380 Euro für die Limousine mit 150-PS-Benziner, beim Diesel fängt es bei 35.900 Euro an. Der Avant kostet je nach NoVA jeweils rund 2500 mehr. Topversion ist der Audi A4 Avant 3.0 TDI quattro mit 272 PS um 55.310 Euro - da fängt dann aber erst die Aufpreisliste an. Schade, dass einem der Meisterbock nicht auch bei der Finanzierung helfen kann.
Warum?
Besser geht's kaum
Warum nicht?
Unsinnig angeordneter Drehdrücksteller
Oder vielleicht …
… BMW 3er, Mercedes C-Klasse, Jaguar XE, Volvo S60/V60
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