Die medizinische Versorgung in Österreich steht vor großen Herausforderungen. Erstens wächst unsere Gesellschaft, wird immer älter und somit betreuungsintensiver. Zum anderen geht ein Drittel der Uni-Absolventen ins Ausland. Die Ärztekammer schlägt Alarm.
Einen Termin bei einem Kassenarzt zu bekommen, dauert oft Monate. Jeder, der medizinische Hilfe benötigt, merkt, dass das System nicht richtig läuft. 33,3 Prozent der Gesamtärzteschaft sind derzeit über 55 Jahre alt. „Aus den 18.189 Ärztinnen und Ärzten, die in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter von 65 Jahren überschreiten werden, ergibt sich ein jährlicher Nachbesetzungsbedarf von 1818 pro Jahr, allein um eine Aufrechterhaltung des Status-quo zu gewährleisten“, erklärt Lukas Stärker, Direktor der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK).
Dabei hätte Österreich laut Johannes Steinhart, Präsident der ÖÄK, derzeit zahlenmäßig genügend Doktoren, um die Gesundheitsversorgung in unserem Land abzusichern: „Es gibt also keinen Ärztemangel an sich, sondern einen deutlichen Mangel im öffentlichen System, sei es im Kassenbereich oder in den Krankenhäusern.“
Lücke lässt sich nicht mehr schließen
1800 Studenten absolvieren jährlich die das Studium der Humanmedizin an den öffentlichen Unis. Hinzu kommen noch ein paar Hundert Absolventen der Privatuniversitäten, die dafür sorgen, dass das System stabil bleibt. „Das klingt auf den ersten Blick ausreichend, wir dürfen aber nicht vergessen, dass rund ein Drittel unserer Absolventinnen und Absolventen nicht im österreichischen Gesundheitssystem versorgungswirksam werden. Diese Lücke lässt sich auch durch mehr Studienplätze nicht effektiv schließen – wir würden bloß noch mehr gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte an das Ausland verlieren, was bei uns beträchtliche Zusatzkosten zur Folge hätte“, fügt der ÖÄK-Präsident hinzu. Lange Wartezeiten auf Ausbildungsplätze verschärfen die Situation.
Akuter Mangel an Kassenverträgen
Derzeit kümmern sich bundesweit 52.000 Doktorinnen und Doktoren um die Patienten, wobei die Hälfte bereits weiblich ist. Darunter fallen mehr als 12.000 Allgemeinmediziner, von denen 5421 eine Ordination betreiben, 2000 davon ohne Kassenvertrag. Auch von den 8388 Fachärzten, die ausschließlich in ihrer Ordi praktizieren, haben knapp 5000 keinen Vertrag mit der ÖGK. Bei den 5000 Fachärzten, die in einer Klinik angestellt sind und zusätzlich eine Praxis betreiben, haben 4166 keinen Kassenvertrag. Zurück bleibt der Betragszahler, der aufgefordert wird, noch tiefer in die Tasche zu greifen und privat zu blechen. Für einen bedarfsgerechten Ausbau im öffentlichen System werden laut Standesvertreter mindestens 1000 zusätzliche Kassenstellen gefordert.
Früher war es noch üblich, auch 100 Wochenstunden im Spital zu arbeiten. Kassenstellen waren gefragt und Interessenten mussten sich im Auswahlprozess gegen zahlreiche Bewerber durchsetzen.
Dr. Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer
Work-Life-Balance
Hinzu kommt noch, dass sich der Beruf des Mediziners aufgrund des Gernerationenwechsels allgemein verändert hat. Stichwort: Work-Life-Balance. Junge Ärzte wollen mehr Zeit für ihre Patienten aufbringen, aber auch mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen und ihre Freizeit genießen.
Steinhart appellierte nochmals an ÖGK-Obmann Huss, seine Ankündigungen endlich in Taten umzusetzen „und mit uns wieder in konstruktive Verhandlungen zu treten, damit wir gemeinsam den niedergelassenen Bereich stärken und die Versorgung der Menschen absichern können.“
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