"Krone"-Rezension

Awolnation setzen einen weiteren Meilenstein

Musik
10.03.2015 19:00
Vier lange Jahre des Wartens sind vorüber - Aaron Bruno wuchtet mit seinem Erfolgsprojekt Awolnation endlich das zweite Studioalbum in die Läden. "Run" klingt dabei durchaus etwas nachdenklicher und mystischer als der Vorgänger, kann aber erneut als stilistisch offenes Gesamtkunstwerk betrachtet werden. Auch wenn ein Top-Hit wie "Sail" vordergründig nicht zu finden ist.
(Bild: kmm)

Es war das Bekenntnis eines Ausgestoßenen. Die musikalische Aufarbeitung einer kantenreichen Karriere, die weder linear noch mit Kurven, sondern vielmehr im Zickzackkurs verlief. Vielleicht war "Megalithic Symphony", das Debütalbum des Ein-Mann-Ego-Projekts Awolnation, gerade deshalb eine derart spannende Frischzellenkur im Musikbusiness, das mittlerweile nicht nur Berufszyniker als ideenlos und eingeschlafen bezeichnen. Doch nicht mit Aaron Bruno! Ein hübscher junger Mann mit blonder Mähne, verträumtem Blick in den kristallklaren Augen und dem mehrmals in Interviews getätigten Bekenntnis, dass die Musik nach dem Surfen eigentlich erst an zweiter Stelle komme.

Erfolg durch Egoismus
Wer nur wenige Kilometer vom Prunk-und-Promi-Schmelztiegel Los Angeles wächst und gedeiht, dem kann man eine gewisse Laissez-faire-Haltung nicht übelnehmen. Bruno war in jungen Jahren oftmals getrieben von diversen Szenedogmen, selbst auferlegtem Druck und der chronischen Erfolglosigkeit, die ihn durch mehrere Bands führte und die er durch seine nonchalant-destruktive Art selbst heraufbeschwor. Dass man bei einer Vielzahl von gescheiterten Projekten mit 30 in eine veritable Midlife-Crisis rutschen kann, ist wenig verwunderlich. Doch nach vielen Versuchen in den unterschiedlichsten künstlerischen Bereichen war es ausgerechnet das Ego, das Bruno zu unerwartetem Weltruhm führte.

"Megalithic Symphony" war nämlich der erste Versuch, genau das auf Platte zu projizieren, was der Künstler auch selbst hören wollte. Das Ergebnis war im Prinzip die Erfindung eines komplett neuen Genres, für das Musiker noch immer die richtige Schubladenbezeichnung suchen. Obwohl überflüssig zu erwähnen, würde symphonischer Electro-Rock wohl am ehesten zutreffen. Neben seinem weltweiten Chart-Hit "Sail", der ihm finanzielle und kreative Unabhängigkeit garantierte und dank eines Mobilfunkherstellers in Österreich unlängst wieder in die Hitlisten kraxelte, war es vor allem die kompositorische Vielfalt, das Denken außerhalb jedweder Stilgrenzen und das erfrischende Chaos-Element, das "Megalithic Symphony" zu einem Referenzwerk der Popkultur machte. Anders ausgedrückt: Die Beatles duellieren sich mit Gary Numan, 2Pac Shakur mit Nirvana. Hier war alles erlaubt und nichts verpönt.

Zerbrechlich und zielstrebig
Nachdem sich die wachsende Anzahl an Fans über die Jahre sattgehört hatte, fragte man sich schon, warum denn nichts Neues kam. Geschlagene vier Jahre ließ Bruno schließlich verstreichen, bis er mit "Run" den längst fälligen Nachfolger in den musikalischen Orbit schickte. Doch wer den an ADHS leidenden Künstler kennt, weiß, dass hinter der oft zerstörerisch wirkenden Fassade ein sensibler und zerbrechlicher Mensch steckt, der trotz des so lang herbeigesehnten Erfolgs wohl nichts anderes wollte, als möglichst unbehelligt am Fortschritt seiner Karriere arbeiten zu dürfen. So dürfen wir im Nachhinein wohl froh sein, dass es Awolnation nicht zur großen Mainstream-Band schaffte, sondern immer noch luftig zwischen absolutem Durchbruch und Underground-Heroentum pendelt.

Für "Run" hat sich Bruno vier Monate lang in einer Scheune nahe Santa Barbara eingeschlossen, dabei sogar auf das Internet verzichtet und – wie gewohnt – in völliger Abgeschiedenheit alleine alle Instrumente eingespielt und an den Songs gebastelt. Was beim ersten Durchlauf noch gewöhnungsbedürft ertönt, entfaltet sich bei mehrmaligem Hörgenuss als weiteres großes Highlight, an dem sich Freunde popmusikalischer Variabilität für lange Zeit erfreuen dürfen. "Run" fehlt es zwar an der leichtfüßigen und positiven Herangehensweise des Debütalbums, aber die instrumentale Experimentierfreudigkeit von Bruno marschiert Hand in Hand mit seinem untrüglichen Sinn für klanglichen Perfektionismus.

Schwungvoll, schwer, schmerzhaft
Verstärkt elektronisch sind die neuen Songs, etwas nachdenklicher und handeln zudem nicht mehr ausschließlich vom großen Ganzen, sondern begeben sich in die Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen. Man spürt, dass das gesteigerte Selbstbewusstsein Brunos auf seine Rastlosigkeit und Unsicherheit trifft. Schon der eröffnende Titeltrack ist mit seiner bedrohlichen Electro-Atmosphäre eine eindringliche Warnung für das Kommende, das nur schwer greifbar ist. Da koaliert die schwungvolle Single "Hollow Moon (Bad Wolf)" mit dem nachdenklichen "Jailbreak", lässt Bruno auf "KOOKSEVERYWHERE!!!" die Springschlangen frei, nur um auf "Headrest For My Soul" wieder in schmerzhafter Verletzlichkeit zu versinken.

Eine Tour de Force der Emotionen und Gefühle, die vor allem die krude, aber geniale Geisteswelt des Musikers widerspiegelt, die sich in Songs wie "Windows", "Dreamers" oder dem stark an das erste Album erinnernden "Lie Love Live Love" voll entfalten kann. "Ich habe mich als Songwriter weiterentwickelt", erklärte Bruno in einem Interview, "aber entscheidend wird sein, ob alle andere das auch so sehen." Besser lässt sich "Run" auch nicht zusammenfassen – der verletzliche Junge mit dem nun gekürzten blonden Haar und dem verträumten Blick in den kristallklaren Augen wird auch live tief in seine selbst erschaffene Welt eintauchen, um dort zu gedeihen und erblühen. Dass es auf "Run" kein zweites "Sail" gibt, wird dem introvertierten Künstler nur recht sein - der Schritt Richtung "Gesamtkunstwerk" ist der richtige.

Live in Österreich
Wer Awolnation mit den neuen Songs und all den alten Hits live sehen möchte, sollte am 15. August in die Wiener Arena, wo Bruno mit Band ein Open-Air-Konzert geben wird. Karten dafür erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop. Am 22. März sind Awolnation im Grazer ppc zu Gast - das Konzert ist aber bereits restlos ausverkauft.

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