Keine Falschaussage

Fall Kampusch: Ex-OGH-Präsident freigesprochen

Österreich
27.02.2015 12:24
Mit einem Freispruch ist am Freitag im Wiener Straflandesgericht der Prozess gegen den pensionierten Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Johann Rzeszut, zu Ende gegangen. Ihm war falsche Zeugenaussage vorgeworfen worden. Richterin Claudia Geiler sagte in ihrer Begründung, im Zweifel liege keine "subjektive Tatseite" vor.

Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, weshalb der Freispruch vorerst nicht rechtskräftig ist. Der ehemalige Spitzenjurist, dem im Fall eines Schuldspruchs bis zu drei Jahre Haft gedroht hätten, wollte nach der Verhandlung gegenüber den Medien keine Erklärung abgeben.

Der 73-Jährige hatte sich zu den Vorwürfen "nicht schuldig" verantwortet. Inkriminiert war eine Zeugenaussage Rzeszuts im Verfahren gegen einen Polizisten, den er in seiner Funktion als Mitglied einer vom Innenministerium eingesetzten Evaluierungskommission kennengelernt hatte. Das Gremium sollte allfällige behördliche Versäumnisse bei der Suche nach der im Frühjahr 1998 entführten Natascha Kampusch aufdecken.

Kampusch Schwangerschaft unterstellt
Der Polizist teilte Rzeszuts kritische Betrachtungsweise, der unter anderem ein Gutachten angezweifelt hatte, das Wolfgang Priklopil als Einzeltäter auswies. Weiters unterstellte Rzeszut dem Entführungsopfer öffentlich, eine Schwangerschaft verheimlicht zu haben, was einige Medien bereitwillig verbreiteten.

Der Polizist marschierte schließlich eines Tages ohne Ermittlungsgrundlage illegal in eine niederösterreichische Volksschule und versuchte, an die DNA eines Mädchens zu gelangen. Er wollte damit Klarheit erlangen, ob es sich bei der Schülerin um die leibliche Tochter Natascha Kampuschs handelt. Gegen den Beamten wurde in weiterer Folge ein Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet, in dem Rzeszut am 6. März 2012 förmlich als Zeuge vernommen wurde.

Unter Wahrheitspflicht gab der Ex-OGH-Präsident an, er habe nach zwei Treffen in einem Kaffeehaus bzw. auf der Straße keinen Kontakt zu dem Polizisten mehr gehabt. Diese Darstellung wurde in weiterer Folge insoweit widerlegt, als die Ergebnisse einer Rufdaten-Rückerfassung ein deutlich anderes Bild ergaben. Demnach kontaktierte Rzeszut den Polizisten zwischen 21. Februar 2012 und 4. März mehrmals.

Rzeszut befand sich in "mentalem Tunnel"
Exakt zwei Tage später fand Rzeszuts Zeugenbefragung statt, wo er explizit jegliche Kontakte nach den beiden Treffen ausschloss. Er sei bei seiner Einvernahme "auf die Aktion des Polizisten fokussiert gewesen" und habe sich "in mentaler Fixierung auf dieses Thema" befunden, legte der Höchstrichter im Ruhestand beim ersten Verhandlungstermin dar.

Er habe "stereotyp immer gesagt, ich hab' damit nix zu tun", insistierte Rzeszut: "Ich hab' einen mentalen Tunnel gehabt." Von daher habe er nicht bewusst etwas verschwiegen oder die Unwahrheit gesagt. Zudem habe es damals "eine Fülle an Telefonaten" gegeben und er könne sich beim besten Willen nicht "an jedes kleine Telefonat erinnern", gab Rzeszut zu bedenken.

Richterin entschuldigt sich bei Angeklagtem
Die Richterin glaubte dem Angeklagten diese Verantwortung. Rzeszut sei auf den in den Medien erhobenen Vorwurf, er habe den Polizisten angestiftet, fokussiert gewesen. Zudem sei bei den Einvernahmen nicht ganz klar herausgekommen, was dem Juristen vorgeworfen wurde. "Ich glaube im Zweifel, dass Sie vergessen haben, das zu erwähnen", meinte Geiler zu einer verschickten SMS.

Zudem habe er auch einen guten Grund gehabt, die Kontakte nicht zu erwähnen, da er wohl als Anstifter dagestanden wäre und ein Verfahren wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch eingeleitet worden wäre (zu diesem kam es aber ohnehin und es wurde erst im September 2014 eingestellt). Deshalb könnte sich Rzeszut auch auf den Paragrafen 290 (Aussagenotstand) berufen, was aber nicht nötig sei, da sie ihm glaube, so Geiler. "Es tut mir leid, und das sage ich sonst nie, was Sie in den vergangenen zwei Jahren über sich ergehen lassen haben müssen", sagte die Richterin.

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