"Geisterschiffe"

Frontex verbreitete Fehlinformationen über Seenot

Ausland
23.02.2015 05:20
Nach dem Auftauchen der beiden "Geisterschiffe" "Ezadeen" und "Blue Sky M" mit Hunderten Flüchtlingen an Bord und deren dramatischer Rettung durch die italienische Küstenwache Anfang des Jahres haben die brutalen Geschäftsmodelle der Schlepper die internationalen Schlagzeilen beherrscht. Als "neuen Grad der Grausamkeit" hatte die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Versuche bezeichnet, mittels kaum seetüchtiger Frachtschiffe Flüchtlinge über den Seeweg nach Europa zu schleusen. Doch nun entpuppen sich die dramatischen Schlagzeilen als Fehlinformationen: Die Schiffe waren weder besatzungslos noch schrottreif.

Wie das Nachrichtenmagazin "ZAPP" des deutschen Fernsehsenders NDR vor wenigen Tagen aufdeckte, hatte sich ein Bericht der Grenzschutzagentur wie ein Lauffeuer in den internationalen Medien verbreitet, nachdem die Nachrichtenagenturen die Meldungen übernommen hatten und diese weitergaben.

Unter Berufung auf Frontex hieß es, die Besatzungsmitglieder des unter moldauischer Flagge fahrenden Schiffs hätten ein Notsignal abgesandt und sich von Bord begeben. Weiters hieß es, das Transportschiff habe einen Motorschaden und könne nicht gesteuert werden. Kurz: Rund 800 Flüchtlinge seien ihrem Schicksal überlassen.

Küstenwache: "Besatzung hat uns an Bord empfangen"
Doch Wochen später stellt sich heraus, dass die Situation damals weit weniger dramatisch war. Sowohl Mitglieder der italienischen Küstenwache als auch einer der Passagiere kommen in "ZAPP" zu Wort und erklären, dass die Besatzung nicht von Bord gegangen sei. So erzählt Attilio Daconto, der Sprecher der Küstenwache, dass seine Mannschaft von der Besatzung der "Blue Sky M", selbst syrische Flüchtlinge, empfangen worden sei. "Sie haben uns in den Maschinenraum geführt und erklärt, wie man das Schiff steuert." Von einem Motorschaden sei keine Rede mehr gewesen.

Flüchtling: "Mannschaft war um unsere Sicherheit bemüht"
Passagier Mussab widerlegt ebenfalls die bisherige mediale Berichterstattung: "Die Mannschaft war um die Sicherheit der Passagiere sehr bemüht. Sie ist zum Beispiel nicht ins offene Meer gefahren, sondern immer entlang der Küsten und zwischen den Inseln."

Wie die Fehlinformation also zustande kam? Tatsächlich hatte sich die Mannschaft zunächst unter die Passagiere gemischt, weil die Männer Angst vor einer Verhaftung hatten. Doch später gaben sie sich als Besatzung zu erkennen. Aber diese neue Entwicklung drang nicht mehr zur Presseabteilung von Frontex durch, die die Nachrichtenagenturen informierte.

Frontex sieht Schuld nicht bei sich
Weil all diese Informationen erst viel später korrigiert werden können, sieht Frontex die Schuld nicht bei sich. "Ihnen liegen nun andere Informationen vor, als uns vor wenigen Wochen. Ich verstehe wirklich nicht, was Sie von mir wollen", zeigte sich eine Sprecherin der Grenzschutzagentur mit Sitz in Warschau überrascht und äußerst wortkarg, als sie vom deutschen Redakteursteam mit den Vorwürfen konfrontiert wird.

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