Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen heute in Brüssel zu einem Gipfel zusammen, der als entscheidend für die Zukunft der Ukraine und die EU selbst gilt. Kiew braucht dringend Geld, dominiert wird das Treffen von der Debatte, ob dafür eingefrorene russische Vermögen genutzt werden sollen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet, dass es auf dem Gipfel, der auf zwei Tage anberaumt ist, noch am Donnerstag eine Einigung gibt. „Ich werde den Rat nicht ohne eine Lösung für die Finanzierung der Ukraine verlassen“, sagte sie vor Reportern und pflichtete damit Ratspräsident António Costa bei, der zuvor das Gleiche versprochen hatte. Im Notfall werde man „tagelang verhandeln“, so Costa.
De Wever: Belgien kann Risiko nicht allein tragen
Belgiens Regierungschef Bart De Wever hatte vor Gipfel seiner Forderung nach mehr Rückendeckung für die mögliche Nutzung in Belgien eingefrorener Vermögenswerte bekräftigt. Sein Land könne „das Risiko und die Verantwortung nicht allein tragen“, erklärte De Wever am Donnerstagfrüh im belgischen Parlament. Die Vorschläge ändern sich seinen Angaben zufolge stetig. Aber: „Ich habe bisher noch keine Vorlage gesehen, der Belgien zustimmen könnte.“ Von der Leyen äußerte zum Auftakt Verständnis für die Position von Belgien: „Ich unterstütze Belgien voll und ganz.“
Ursula von der Leyens Statement zum Gipfel-Auftakt:
Merz: Sehe keine bessere Option
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hält eine Einigung der EU-Staaten zur Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte am EU-Gipfel für möglich. „Mein Eindruck ist, dass wir zu einem Ergebnis kommen können“, sagte Merz vor Beginn. Er plädierte dafür, die eingefrorenen Gelder zu nutzen. „Ich sehe keine bessere Option“, fügte Merz hinzu. Er verstehe die Bedenken einiger Mitgliedstaaten, insbesondere der belgischen Regierung. Er hoffe jedoch, dass diese gemeinsam ausgeräumt werden könnten.
Tusk: Entweder heute Geld oder morgen Blut
Mit drastischen Worten rief der polnische Ministerpräsident Donald Tusk die Europäer auf, die Nutzung russischer Vermögen zu beschließen: „Wir haben jetzt eine einfache Wahl: Entweder Geld heute oder Blut morgen.“ Dabei gehe es nicht nur um die Ukraine, sondern um Europa, warnte Tusk indirekt vor der Gefahr eines Kriegs mit Russland.
Kallas rechnet mit Kompromiss
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas rechnet nach eigenen Angaben damit, dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf einen Kompromiss einigen werden. Bei 27 Demokratien mit verschiedenen politischen Ausgangslagen werde dies zwar nicht leicht, man habe aber schon in vielen schwierigen Situationen einen Ausweg gefunden, sagte Kallas im Deutschlandfunk.
Stocker: Raiffeisen nicht benachteiligen
Auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) zeigte sich zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden könne. Es gehe nicht darum, ob, sondern „wie wir die Ukraine unterstützen wollen“, sagte Stocker bei seinem Eintreffen ins EU-Ratsgebäude. „Gegen Belgien sollte eine solche Entscheidung nicht getroffen werden“, sagte der Kanzler. Andererseits dürfe auch nicht die Raiffeisen Bank International (RBI) benachteiligt werden, wenn russische Gelder verwendet würden, so Stocker. Hintergrund ist die Forderung der RBI, dass sanktionsrechtlich eingefrorene Aktien des österreichischen Baukonzerns Strabag im Wert von rund zwei Milliarden Euro, die derzeit im Besitz der russischen Firma Rasperia stehen, freigegeben werden sollen, damit sie an Raiffeisen übertragen werden können.
Entscheidung gegen Belgien schlechte Option
Rund 210 Milliarden Euro an eingefrorenem russischem Staatsvermögen liegen in der EU, der Großteil davon in Belgien. Das Land mittels Mehrheitsentscheidung zu überstimmen, gilt als keine gute Option. Denn die von allen akzeptierten Bedenken eines EU-Landes, das viele EU-Institutionen beheimatet, zu übergehen, könnte die Union in eine tiefe Krise stürzen.
Orbán und Fico gegen russische Gelder für Ukraine
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán will die Nutzung russischer Vermögen verhindern, kann aber einen Mehrheitsentscheid nicht allein blockieren. Vor dem Gipfel kündigte auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico an, dass er keine Maßnahmen unterstützen werde, die zu einer weiteren Unterstützung des Krieges in der Ukraine führen, einschließlich der Verwendung eingefrorener russischer Vermögenswerte. „Ich lehne es grundsätzlich ab, morgen irgendetwas zu unterstützen, das zu Geld für den Krieg führen würde“, sagte Fico. Er würde die Verwendung der eingefrorenen Vermögenswerte nur für ein Abkommen über den Wiederaufbau der Ukraine unterstützen.
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