Von Bad Ischl bis Hinterstoder verbinden sich auf dem „Großen Welt-Raum-Weg“ Kunst und Natur. 56 Kilometer und 3000 Höhenmeter durch das Tote Gebirge werden zu einer Erfahrung für alle Sinne – begleitet von Audiodateien an ausgewählten Orten.
Der Große Welt-Raum-Weg beginnt nicht im Gelände, sondern daheim – im Badezimmer. Mit dem Handy in der Hand, Kopfhörer aufgesetzt, Play gedrückt, und plötzlich sprechen eine Gläubige, ein Mönch, eine Autorin und ein Intellektueller. „Der Blick ist begrenzt durch Wände.“ „Und dann kommt da Wasser raus.“ „Menschen sind die einzigen Lebewesen, die Badezimmer haben.“ „Verschwundenes Wasser.“ Fremd und irritierend klingt das im ersten Moment. Doch genau so soll es sein: ein bewusstes Raumerlebnis im Alltag und Beginn der Wanderreise. Schon hier wird klar – dieser Weg wird anders als jede Weitwanderung, die wir bisher gegangen sind.
Nach diesem außergewöhnlichen Auftakt geht es entspannt mit dem Zug nach Bad Ischl und wir begeben uns vor die Pfarrkirche. Wir setzen die Kopfhörer auf, starten die zweite Audio-Datei – für die nächsten 30 Minuten nehmen uns die Stimmen mit auf eine Reise durch Vergangenheit und Zukunft. Wir hören Geschichten, bekommen Anweisungen, spüren Stimmungen und entdecken diesen Raum sowohl außerhalb als auch innerhalb der Kirche.
Mit der Frage „Wos hot des mit mia zan tuan?“ verlassen wir den urbanen Raum und gehen nun nach Osten – in die Berge. Von hier führt die Route des Großen Welt-Raum-Weges ins Tote Gebirge, eine karge Hochfläche in den Nördlichen Kalkalpen zwischen Oberösterreich und der Steiermark. Auf rund 1500 Meter Seehöhe breitet sich das größte Karstplateau Mitteleuropas aus – eine Steinwüste, zerfurcht von Spalten und Rissen. Unterirdische Wasserläufe und Höhlen durchziehen das Innere, an der Oberfläche zeigt sich das Plateau trocken und kahl. Vor uns liegt ein Naturraum, der mit seiner surrealen und zugleich grandiosen Berglandschaft fasziniert.
Audiokunst trifft Weitwandern
Am Eingang zum Toten Gebirge liegt die Rettenbachalm, ein beliebtes Ausflugsziel. Rund um die Hütten herrscht reger Betrieb, auf den Wiesen weiden Kühe. Wenige Schritte abseits des Treibens sehen wir die graue runde Tafel des Hör-Raums 3. Wir gehen hin, setzen die Kopfhörer auf und drücken auf Play – und was zu Beginn noch ungewohnt war, wird nun selbstverständlich. Die Stimmen fügen sich in die Umgebung, das Hören wird Teil der Wanderung. Wir verlassen nun die Zivilisation und „do geht de Forststraß’ üba d’Wiesn, do gemma rechts weida“.
Mit dem Hör-Raum 4 beginnt der Aufstieg – die Stimme von Gerlinde Kaltenbrunner begleitet uns: „Schritt für Schritt ganz bewusst bergwärts.“ Während wir an Höhe gewinnen, passen sich Atem und Schritte dem Rhythmus ihrer Worte an. Naturraum und Hörraum gehen ineinander über – das Gehen wird bewusster, der Weg intensiver.
In den nächsten Tagen erwandern wir das Kalkplateau von West nach Ost – von Bad Ischl bis nach Hinterstoder. Wir durchqueren Wälder und Almen, gehen durch Latschenfelder, überschreiten Karrenfelder, kommen an mächtigen Dolinen, Karstschloten und Spalten vorbei, bis wir schließlich in der weiten Steinwüste unterwegs sind. Das Gehen, die Begegnungen, der Regen, die Anstrengung, die Ruhe, die Natur, die Freude – all das ist uns von anderen Weitwanderungen vertraut.
Eine Reise in sieben Etappen durch 14 Hör- und Erlebnisräume.
Doch entlang des Welt-Raum-Weges sind es vor allem die Hör-Räume, auf die wir uns freuen und die unsere Neugierde wecken. Stimmen aus Wissenschaft, Kunst, Sport, Religion und Gesellschaft sprechen über Natur und Zukunft, über Alpinismus, Veränderung – und vieles mehr. So wird die Wanderung zu einem Erlebnis, das über das Gehen hinausgeht. Dem Künstler Christoph Viscorsum ist mit dem Großen Welt-Raum-Weg ein beeindruckendes Natur-Kunstwerk gelungen, das nachhaltig wirkt. Viele Impulse begleiten uns, einer davon ist der letzte Satz im zwölften Hör-Raum mit Blick ins Gebirge: „Es ist nicht ganz klar, wer wen anschaut.“
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