Franziska van Almsick ist die wohl berühmteste Schwimmerin der deutschen Sportgeschichte. In der dreiteiligen Doku „Being Franziska van Almsick“ (ARD, ab heute Abend, 22.50 Uhr) geben sie selbst und Wegbegleiter Einblicke in ein Leben, das keine Kindheit erlaubte. Die „Krone“ fragte bei der heute 47-Jährigen genauer nach.
In einer Zeit, als die „Bravo“ die Bibel der Jugendkultur war und das lineare Fernsehen die Medienwelt beherrschte, war die deutsche Schwimmerin Franziska van Almsick der Popstar der Stunde. Bei den Olympischen Sommerspielen 1992 in Barcelona gewinnt die gebürtige Ost-Berlinerin zweimal Silber und zweimal Bronze und wird im zarten Alter von 14 Jahren zum absoluten Superstar. Über Nacht dreht sich ihr Leben um 180 Grad und nichts ist mehr, wie es war. Die Boulevardpresse filetiert die „süße Franzi“ nach Belieben, Fernsehkameras verfolgen sie bis in die Schulklasse hinein und sie wird als Kind zur Hoffnungsträgerin eines relativ frisch vereinten Deutschlands, das in ihr eine Art globale Heilsbringerin für die eigene Heimat verortet.
Sich selbst überraschen lassen
In der dreiteiligen Dokumentation „Being Franziska van Almsick“ (ab heute, 22.50 Uhr, ARD) erzählt die heute 47-Jährige das erste Mal selbst von rund 15 Jahren Karriere als Weltklasseschwimmerin, die zwischen Triumph und Tragödie pendelte und zu einer der schillerndsten Persönlichkeiten in der Sportwelt der 90er-Jahre wurde. Als ARD mit der Idee zur Doku auf die Sportlerin zukam, war sich van Almsick anfangs nicht ganz sicher, in welche Richtung sie sich präsentieren möchte. „Ich konnte mich ehrlich gesagt gar nicht so richtig entscheiden, welche Facetten ich von mir zeigen möchte. Ich wusste, dass in meinem Leben viel passiert ist und habe mich da selbst ein Stück weit überraschen lassen. Natürlich konnte ich mich an die meisten Momente erinnern – und doch wirken Bilder aus der frühen Kindheit und Interviewsequenzen, in denen ich 14, 15 war, heute sehr weit entfernt.“
Neben originalen Bewegtbildaufnahmen von ihren sportlichen Erfolgen und Interviews von damals, sorgt die Einbindung von Zeitzeugen und Vertrauenspersonen für eine besonders intensive Atmosphäre. So etwa, als das Filmteam im beschaulichen Einfamilienhaus ihrer Eltern Bernd und Jutta van Almsick aufschlägt und die Eltern davon erzählen, wie Anrufe und Stalker der damals kleinen Franzi der ganzen Familie das Leben schwer gemacht haben. Besonders intensiv sind dabei Szenen, in denen Journalisten physisch und mental eindeutig übergriffig werden. Sportkommentator Tom Bartels weiß, dass sich die mediale Berichterstattung über Menschen in der Öffentlichkeit über die letzten 30 Jahre stark verändert hat – mitunter auch deshalb, weil man sich heute über Social-Media-Portale selbst inszenieren kann und nicht auf die gängige Presse angewiesen ist.
Prägende Erlebnisse
„Am Ende kam tatsächlich eine Überraschung dabei raus“, resümiert die Schwimmerin im Gespräch mit der „Krone“, „mir war gar nicht so bewusst, was alles passiert ist, welche Wellen das geschlagen hat und für wie viel Furore das damals gesorgt hat. Ich habe es natürlich erlebt, aber es ist etwas anderes, wenn man selbst die Protagonistin ist. Jetzt noch einmal von außen draufzuschauen, war schon ziemlich viel.“ Trotz all der vielen WM- und EM-Titel und Erfolge bis zu Olympia 2004 blieb ihr das größte Lebensziel, olympisches Gold zu gewinnen, bis zum Ende verwehrt. „Dass ich meinen großen Traum vom olympischen Gold nie erfüllen konnte, hat mich geprägt. Ich habe oft gesagt: Wäre ich Olympiasiegerin geworden, wäre ich wahrscheinlich auch als Mensch ein anderer. Mir tut es sehr gut, erfahren zu haben, dass man sich nicht alle Träume erfüllen muss und nicht immer der Beste sein muss, um mit sich selbst im Reinen und glücklich zu sein.“
„Being Franziska van Almsick“ ist aber auch ein tieferer Einblick in einen Tunnel, in dem sich die Sportlerin jahrelang befand. Erst nach ihrem Karriereende ergab sich für sie, die wöchentlich bis zu 80 Kilometer Bahnen im Becken zog, ein Leben abseits von Trainingsplänen und festgelegten Strukturen. Auch wenn sie laut Medien finanziell schon als 16-Jährige ausgesorgt hatte, von einem freien Leben war keine Spur. „Ich konnte mich nur frei entscheiden, ob ich esse oder nicht. Also habe ich einfach aufgehört zu essen“, reflektiert sie in der Doku und spricht damit ihre jahrelange Essstörung an, die sie erst nach ihrer Karriere richtig analysierte. „Zwischen den Zeilen kann man in der Doku erkennen, dass ich ein Leben geführt habe, das ich mir so eigentlich nicht ausgesucht habe. Ich habe oft gesagt, dass ich eigentlich nur schwimmen wollte. Alles, was drumherum passiert ist, ergab sich einfach. Ich habe immer davon geträumt, ein normales Leben zu führen – aber manchmal weiß ich gar nicht, was ein normales Leben ist, weil ich selbst nie eines hatte.“
Mit sich selbst im Reinen
Ein mentaler Wendepunkt im Leben van Almsicks war 2007 die Geburt ihres ersten Sohnes. „Ich bin ein totaler Familienmensch, das war ich schon immer, und ich wollte immer Kinder haben. Als ich meinen erstgeborenen Sohn im Arm hielt, war vieles nicht mehr so wichtig. Dafür würde ich heute auf viele Medaillen und Erfolge verzichten. Wenn die sportliche Karriere vorbei ist, geht es um andere Dinge im Leben. Ich stehe heute mit beiden Beinen im Leben – auch mit der Erkenntnis, dass man nicht der bzw. die Größte auf diesem Planeten sein muss.“ Heute lebt van Almsick beschaulich mit Familie und Hund in der westdeutschen Diaspora, setzt sich für mehr Schwimmunterricht an Schulen ein und sucht das Rampenlicht nur mehr sehr selten. „Ich bin froh, dass ich niemanden brauche, der mir Beifall klatscht. Ich brauche keine Bestätigung von außen. Ich habe hart an mir gearbeitet, damit dieses Gefühl verschwindet – und heute brauche ich es nicht mehr.“ Das ist vielleicht der größte Erfolg in van Almsicks ereignisreichem Leben …
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