Seit Tagen protestieren Tausende Ukrainer in Kiew und anderen Großstädten gegen die geplante Entmachtung der beiden wichtigsten Behörden im Kampf gegen die Korruption. Scharfe Kritik kam auch aus den Reihen der EU-Verbündeten. Nun lenkt Präsident Wolodymyr Selenskyj ein und kündigt ein neues Gesetz an.
„Wir alle hören, was die Gesellschaft sagt. Wir sehen, was die Menschen von den staatlichen Institutionen erwarten – nämlich eine garantierte Gerechtigkeit und das effektive Funktionieren jeder Einrichtung“, sagte Selenskyj am Mittwoch nach einem Treffen mit Vertretern von Antikorruptions- und Sicherheitsbehörden. Selenskyj sagte in seiner Videobotschaft, „die Infrastruktur zur Korruptionsbekämpfung wird funktionieren. Nur ohne russischen Einfluss, davon muss sie befreit werden“. Seit Jahren lebten Beamte, die aus der Ukraine geflohen seien, aus irgendwelchen Gründen im Ausland – „in sehr schönen Ländern und ohne rechtliche Konsequenzen – und das ist nicht normal“. Auch die Unabhängigkeit der Behörden werden garantiert, so der ukrainische Staatschef, der bereits einen Tag später einen entsprechenden Gesetzesentwurf präsentierte.
Deutscher Außenminister: „Belastet Weg in die EU“
In dem am Dienstag vom Parlament abgesegneten neuen Gesetz war noch von einer Übertragung der Aufsicht über das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAPO) an den Generalstaatsanwalt die Rede. Der vom Präsident bestellte Generalstaatsanwalt sollte daher in Zukunft frei darüber entscheiden können, welche Fälle bearbeitet werden und welche nicht, wird kritisiert.
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul kritisierte die Entscheidung Selenskyjs. Das Gesetz „belastet den Weg der Ukraine in die EU“, sagt der Minister zu „Bild“. „Ich erwarte von der Ukraine die konsequente Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung. Deshalb habe ich mich bei meinem Besuch in Kiew auch mit den Leitern der Behörden NABU und SAPO getroffen.“ Beide Behörden sind von der Entscheidung betroffen. Der französische Europaminister Benjamin Haddad erklärte am Mittwoch, es sei für die Ukraine noch nicht zu spät, ihre Entscheidung zur Einschränkung der Autonomie der beiden Anti-Korruptionsbehörden zurückzunehmen.
Von der Leyen drückt „Besorgnis“ in Telefonat aus
Am Mittwoch telefonierte auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Selenskyj und drückte dem Vernehmen nach ihre „starke Besorgnis“ aus. Die deutsche Politikerin verlangte „Erklärungen“ zu dem Gesetzesvorhaben. „Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung der Korruption sind Kernelemente der Europäischen Union. Als Beitrittskandidat wird von der Ukraine erwartet, dass sie diese Standards vollständig einhält. Einen Kompromiss kann es nicht geben“, zitierte ein Sprecher von der Leyens aus dem Telefonat.
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