Selenskyj unter Druck

Größte Proteste seit Kriegsbeginn und EU-Kritik

Außenpolitik
23.07.2025 16:43

Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit einem neuen Gesetz die Befugnisse der beiden Antikorruptionsbehörden NABU und SAPO beschnitten und damit für viel Wirbel in der Ukraine und auch in der EU gesorgt. In mehreren Städten gingen am Dienstag Tausende Menschen gegen die Pläne der Regierung auf die Straße. Es handelte sich um den größten Protest seit Ausbruch des Krieges. 

Kritiker werfen Selenskyj seit Längerem zunehmend autoritäre Tendenzen vor. Der Staatschef seinerseits sagte die Ausarbeitung eines Plans zur Korruptionsbekämpfung innerhalb von zwei Wochen zu. „Wir alle hören, was die Gesellschaft sagt. Wir sehen, was die Menschen von den staatlichen Institutionen erwarten – nämlich eine garantierte Gerechtigkeit und das effektive Funktionieren jeder Einrichtung“, sagte Selenskyj am Mittwoch nach einem Treffen mit Vertretern von Antikorruptions- und Sicherheitsbehörden.

Selenskyj will Korruptionsjäger von „russischem Einfluss“ befreien
Selenskyj sagte am Dienstagabend in einer Videobotschaft (siehe X-Posting unten), „die Infrastruktur zur Korruptionsbekämpfung wird funktionieren. Nur ohne russischen Einfluss, davon muss sie befreit werden“. Seit Jahren lebten Beamte, die aus der Ukraine geflohen seien, aus irgendwelchen Gründen im Ausland – „in sehr schönen Ländern und ohne rechtliche Konsequenzen – und das ist nicht normal“.

Opposition will „große Schande rückgängig machen“
Doch diesen Worten schenken Oppositionsparteien offenbar keinen Glauben. Jaroslaw Schelesnjak von der liberalen Partei Holos kündigte an, er werde mit mehreren anderen Abgeordneten einen Gesetzesentwurf einbringen, „um diese große Schande, die beschlossen und unterzeichnet wurde, rückgängig zu machen“. Zudem wolle man das Gesetz vor dem Verfassungsgericht anfechten. 

In Kiew, Lwiw, Odessa und Dnipro gingen Tausende Menschen gegen die Entmachtung von unabhängigen ...
In Kiew, Lwiw, Odessa und Dnipro gingen Tausende Menschen gegen die Entmachtung von unabhängigen Antikorruptionsbehörden auf die Straße.(Bild: AFP/TETIANA DZHAFAROVA)

Der Chef des Nationalen Antikorruptionsbüros, Semen Krywonos, hatte zuvor gewarnt, das zuvor vom Parlament verabschiedete Gesetz gefährde den angestrebten Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union. Die Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption ist eine wichtige Voraussetzung für den von der Ukraine angestrebten Beitritt zur EU und die Sicherung milliardenschwerer westlicher Hilfsgelder. Laut der Nichtregierungsorganisation Transparency International zählt die Ukraine zu einem der korruptesten Länder Europas.

Kritik von den EU-Verbündeten
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul kritisierte die Entscheidung Selenskyjs. Das Gesetz „belastet den Weg der Ukraine in die EU“, sagte der Minister zu „Bild“. „Ich erwarte von der Ukraine die konsequente Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung. Deshalb habe ich mich bei meinem Besuch in Kiew auch mit den Leitern der Behörden NABU und SAPO getroffen.“ Beide Behörden sind von der Entscheidung betroffen.

Der französische Europaminister Benjamin Haddad erklärte am Mittwoch, es sei für die Ukraine noch nicht zu spät, ihre Entscheidung zur Einschränkung der Autonomie der beiden Antikorruptionsbehörden zurückzunehmen. Diese stehen im Zentrum der Reformbemühungen des Landes. „Es ist nicht zu spät, diesen Schritt zurückzunehmen“, sagte Haddad dem Radiosender France Inter. „Wir werden bei diesem Thema äußerst wachsam sein.“ Am Mittwoch gingen unterdessen erneut zahlreiche Menschen protestieren.

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