Nächtliche Aktion

Flüchtlingscamp vor Wiener Votivkirche von Polizei geräumt

Österreich
28.12.2012 15:40
Das vor mehr als einem Monat errichtete Zeltlager von Asylwerbern im Sigmund-Freud-Park vor der Wiener Votivkirche ist in der Nacht auf Freitag von der Polizei geräumt worden. Nach Angaben der Exekutive gab es keinen Widerstand und keine Verletzten. In der Votivkirche befänden sich laut Caritas allerdings nach wie vor bis zu 40 Asylwerber, einige davon weiterhin im Hungerstreik. Die Polizei versicherte, diese Personen nicht aus der Kirche entfernen zu wollen. Sechs von ihnen mussten allerdings zumindest vorübergehend ins Krankenhaus gebracht werden - von Kreislaufproblemen war die Rede.

Die Räumung des Zeltlagers vor der Kirche war von uniformierten und zivilen Kräften der Polizei durchgeführt worden. Die Aktion begann um 4 Uhr und war um 7 Uhr beendet. Zwei Personen seien nach dem Fremdenpolizeigesetz festgenommen worden, 19 Anzeigen seien nach der Campier-Verordnung und fünf Anzeigen wegen sonstiger Verwaltungsübertretungen erstattet worden, so die Polizei. Bei 20 Personen seien Identitätsfeststellungen durchgeführt worden.

"Um Missständen und Übertretungen vorzubeugen"
Es habe Vorfälle von gegenseitiger Körperverletzung, Behinderung von Passanten beim Durchqueren des Parks, massiver Bettelei und auch Anzeigen wegen Herabwürdigung religiöser Lehren und Störens der Religionsausübung am Heiligen Abend gegeben. "Um weiteren Missständen und Übertretungen verschiedener Rechtsnormen vorzubeugen, wurden daher die Zelte und die im Rahmen des Camps betriebenen Einrichtungen abgebaut", begründete die Polizei ihr Einschreiten. Es habe zudem keine Erlaubnis der Stadt Wien als Grundeigentümer vorgelegen.

Sämtliche Versuche, die Verantwortlichen zu einem selbstständigen Abbau des Zeltlagers und "Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu bewegen", seien im Sand verlaufen. Deshalb sei die Exekutive von sich aus tätig geworden, weil sie das Gesetz vollziehen müsse. Ein ausdrückliches Ersuchen der Stadt Wien habe es dazu nicht gegeben.

SOS Mitmensch verurteilt "brutale Räumung"
Für die Wiener Caritas, die die Flüchtlinge betreut, kam die Aktion überraschend. Pressesprecher Klaus Schwertner bestätigte, dass es in der Votivkirche keine Räumung gebe und die Asylwerber dort Schutz genießen. Bewerten wollte er die Polizeiaktion nicht. Wichtig sei der Caritas jedoch, dass die Politik die Sorgen und Ängste der Flüchtlinge ernst nehme und Schritte zur Verbesserung ihrer Situation setze.

SOS Mitmensch verurteilte die Polizeiaktion hingegen und sprach von einer "brutalen Räumung". "Mit der Zerstörung des Protestcamps wurde auch ein Stück Demokratie zerstört. Hier haben Menschen friedlich gegen die österreichische und europäische Abschiebepolitik protestiert", sagte Sprecher Alexander Pollak. Er befürchtet, dass viele der gespendeten Zelte, Einrichtungsgegenstände und auch Teile der gespendeten Kleidung bei der Räumung zerstört wurden.

Die Organisatoren des Camps beklagten, dass alle Zelte und das Inventar zerstört worden seien. Die Menschen, die sich in den Zelten befanden, hätten sich vor diesen aufstellen müssen und seien "von allen Seiten fotografiert und gefilmt" worden.

"Räumung auf Zuruf der FPÖ"
SOS-Mitmensch-Sprecher Pollak äußerte auch den Verdacht, dass auf Zuruf der FPÖ gehandelt wurde, weil die Räumung kurz nach Ablauf eines "Ultimatums" der Freiheitlichen durchgeführt worden sei.

Die FPÖ attackierte daraufhin die Caritas, die in der Votivkirche Flüchtlinge betreut: Deren Haltung sei "unverständlich", meinte FP-Generalsekretär Harald Vilimsky. Er forderte, auch die Flüchtlinge aus der Votivkirche zu entfernen und witterte die Möglichkeit, dass mithilfe der Caritas für Menschen ohne Asylgrund "ein Bleiberecht erpresst" werden solle.

Die Grünen wiederum kritisierten die Regierung: Diese sei unfähig, die wahren Probleme der Asylpolitik an der Wurzel zu packen, so Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Für das BZÖ begrüßte Bündnissprecher Rainer Widmann die Räumung des Camps im Sigmund-Freud-Park. Damit habe man sich "linker Berufsdemonstranten aus dem Ausland" bzw. "linksradikaler Chaoten" entledigt.

Polizei will in Kirche nicht einschreiten
Nach Angaben der Caritas haben während der Polizeiaktion zwei Flüchtlinge aus dem Camp in der Kirche Schutz gesucht und wurden dort aufgenommen. Insgesamt befänden sich noch 35 bis 40 Personen in der Votivkirche. Die Polizei versicherte, dass eine Räumung der Kirche nicht geplant sei. Solange dies von der Kirche als Eigentümerin geduldet werde, sei dies kein Thema.

Die Eigentümerin müsste demnach schriftlich bestätigen, dass sie in ihren Rechten geschädigt sei und den Aufenthalt der Asylwerber nicht dulde. Solange dies nicht der Fall sei, sehe die Polizei keinen Einschreitungsgrund - außer es komme zu einer "groben Störung der öffentlichen Ordnung".

"Eine Räumung schließen wir aus"
Für die Erzdiözese Wien kommt eine Räumung der Kirche derzeit nicht infrage. Dies wurde am Freitag klar, als nach der Räumung des Camps eine Art ökumenischer Gipfel in der Kirche stattfand. "Eine Räumung in der jetzigen Situation schließen wir aus", stellte der Wiener Bischofsvikar Dariusz Schutzki klar.

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