Vor der Weltpresse

Putin verteidigt seine Politik der letzten 13 Jahre

Ausland
20.12.2012 17:48
Erstmals seit vier Jahren hat sich der russische Präsident Wladimir Putin am Donnerstag in Moskau den Fragen der Weltpresse gestellt. Dabei verteidigte der Kreml-Chef mehr als vier Stunden lang seine Politik: Nach 13 Jahren an der Macht könne er keine größeren Fehler sehen, die er gerne korrigieren würde. Zugleich wies der 60-Jährige Vorwürfe zurück, das russische System sei autoritär. Vor über 1.200 Journalisten aus dem In- und Ausland nahm der Staatschef außerdem zu zahlreichen anderen Themen Stellung.

1.040 russische und 186 ausländische Journalisten waren für das Ereignis im "World Trade Center" am Fluss Moskwa akkreditiert. Simultandolmetscher übersetzen außer auf Englisch und Französisch auch auf Deutsch. Zuletzt hatte sich Putin am 14. Februar 2008 kurz vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit als Präsident der internationalen Presse gestellt. Den damaligen Längenrekord von vier Stunden und 40 Minuten verpasste er diesmal lediglich um zehn Minuten.

"Sehe keine großen systemischen Fehler"
"Ich sehe keine großen systemischen Fehler, die ich gerne rückgängig machen oder korrigieren würde", sagte Putin, der 1999 Regierungschef geworden war und ein Jahr später für acht Jahre das Präsidentenamt übernahm. 2008 wurde er erneut Ministerpräsident, nachdem er nach zwei Amtszeiten in Folge nicht wieder als Staatschef antreten durfte. In diesem Jahr wurde er dann wieder Präsident.

Putin erklärte, er könne der Behauptung nicht zustimmen, dass das russische System autoritär sei. "Der beste Beweis ist meine Entscheidung, meinen Posten nach zwei Amtszeiten zu verlassen." Hätte er den Weg des Autoritarismus gewählt, hätte er die Verfassung geändert. "Das wäre leicht gewesen."

Ansonsten zeigte sich der Staatschef zufrieden mit der wirtschaftlichen Situation seines Landes. Die Ergebnisse seien "vor allem im Vergleich mit der Rezession in der Euro-Zone und dem Abschwung in den USA" gut.

"USA haben selbst haufenweise Probleme"
Putin, der überzeugt ist, dass Washington für die Massenproteste in Russland gegen seine Rückkehr ins Präsidentenamt verantwortlich ist, wandte sich in seiner Ansprache auch gegen die USA. Er verteidigte dabei einen Gesetzesentwurf, der US-Bürgern die Adoption russischer Kinder verbietet. "Ich verstehe, dass dies eine emotionale Reaktion der Staatsduma war, doch ich denke, sie war angemessen", sagte Putin. Misshandlungen würden in den USA nicht verfolgt, deshalb sei das Gesetz richtig.

Die Duma-Entscheidung war eine Reaktion auf das sogenannte Magnitsky-Gesetz in den USA. Dieses verbietet russischen Verantwortlichen, die in den Fall des in Haft verstorbenen Anwalts Sergej Magnitsky verwickelt sind, die Einreise in die USA. Magnitsky, der einen Finanzskandal bei der Polizei aufgedeckt hatte, wurde angeblich im Gefängnis zu Tode gefoltert. Putin sagte am Donnerstag, die USA hätten moralisch kein Recht, das russische Justizsystem zu kritisieren: "Sie haben selbst haufenweise Probleme", sagte Putin und verwies etwa auf das US-Gefangenenlager in Guantanamo auf Kuba.

Der Duma-Gesetzentwurf beinhaltet auch eine Klausel, die es politischen Nichtregierungsorganisationen in Russland verbietet, Gelder aus den USA anzunehmen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte dazu am Donnerstag, ein solches Vorgehen "trifft die russische Zivilgesellschaft insgesamt". "Das darf nicht geschehen", so Amnestys Russland-Experte Peter Franck. In Russland war zuletzt eine Reihe von Gesetzen erlassen worden, die die Arbeit von NGOs sowie die Demonstrationsrechte von Oppositionellen einschränken.

Fall Chodorkowski: "Keinen Einfluss ausgeübt"
Putin äußerte sich auch zu einer am Donnerstag verkündeten Haftverkürzung um zwei Jahre für den seit Jahren in Haft sitzenden Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski. Er sei in keiner Weise in den Fall verwickelt und habe "keinen Einfluss auf die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte" ausgeübt, sagte Putin (siehe dazu Story in der Infobox). Über seinen Erzfeind, den er wiederholt als "Dieb" bezeichnet hatte, meinte der Präsident: "Gott gebe ihm Gesundheit."

Gleich mehrfach fragten Journalisten nach mehr Sicherheit in ihrem Beruf. Der Staat tue alles, um Reporter zu schützen, versicherte Putin. "Aber man kann nicht neben jeden einen Leibwächter stellen." In Russland sind zahlreiche an investigativen Journalisten begangene Morde nach wie vor ungeklärt, etwa jener an der Kreml-kritischen Reporterin Anna Politkowskaja.

Warnung vor Erfolg der syrischen Aufständischen
Zur Haltung Russlands gegenüber Syrien sagte Putin, sein Land wolle die Regierung von Staatschef Bashar al-Assad nicht "um jeden Preis" aufrechterhalten, sondern setze auf den "Dialog der Konfliktparteien". Putin warnte jedoch zugleich vor einem Erfolg der Gegner Assads. Es sei völlig unklar, was in einem solchen Falle passieren werde. "Wir wollen nicht, dass die heutige Opposition, einmal an der Macht, den Kampf mit der heutigen Regierung fortsetzt und dass das für immer so weitergeht." Der Präsident kritisierte, dass zunächst alles zerstört und erst dann überlegt werde, wie es weitergehe. Eine Einigung auf Grundlage eines militärischen Sieges einer Seite sei "ineffektiv".

An Gegner: "Warten Sie erst gar nicht auf mein Ende"
Putin empfahl seinen Gegnern weiters nach monatelangen Spekulationen um seinen Gesundheitszustand, nicht auf sein Ende zu warten. Gespräche über die Gesundheit seien Versuche, "die Legitimität und die Leistungsfähigkeit der Macht in Zweifel zu ziehen", sagte der Präsident. "Warten Sie erst gar nicht darauf." Zuletzt hatten Medien immer wieder über Rückenbeschwerden des Präsidenten berichtet. Der Kreml wiederum hatte stets beteuert, der mächtigste Mann des Landes sei gesund.

Apokalypse "in etwa viereinhalb Milliarden Jahren"
Auf die Frage eines regierungsfreundlichen Journalisten, ob er die Pressekonferenz angesichts des angeblich drohenden Weltuntergangs absichtlich auf dieses Datum gelegt habe, um "ein Fazit der Entwicklung der gesamten Menschheit zu ziehen", meinte Putin schließlich: "Ich weiß, wann das Ende der Welt kommt - in etwa viereinhalb Milliarden Jahren, wenn ich mich richtig an den Lebenszyklus unserer Sonne erinnere." Und weiter: "Warum Angst haben, wenn es ohnehin unausweichlich ist?"

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