"Blutleere" Rede

Putin fordert “Wiedergeburt des Nationalstolzes”

Ausland
12.12.2012 15:32
Der russische Präsident Wladimir Putin hat in seiner ersten Rede an die Nation nach seiner Rückkehr ins Präsidentenamt eine "Wiedergeburt des Nationalstolzes" der Russen gefordert. Russland leide an einem "Mangel an geistiger Stütze". "Deshalb ist es nötig, die moralischen und geistigen Grundlagen der Gesellschaft zu stärken", sagte der 60-Jährige am Mittwoch im Großen Kremlpalast vor Hunderten Gästen. Beobachter kritisierten die Rede als blutleer mit vielen schönen Worten, aber ohne konkrete Initiativen.

Mit der weiß-blau-roten Nationalfahne und dem Moskauer Stadtbanner im Rücken sollte sich Putin, der seit mehr als 13 Jahren an der Macht ist, eigentlich eklatante Probleme wie die allgegenwärtige Korruption oder Behördenwillkür vorknöpfen, wie Medien zuvor erwartungsvoll geschrieben hatten. Doch dazu kamen ihm dann nur ein paar dürre Sätze über die Lippen. So blieb lediglich die vage Forderung nach der "Wiedergeburt des Nationalstolzes" hängen.

Kremlkritiker sieht Manifest des Status quo
Dabei hatte der Kreml eine wegweisende Rede angekündigt, die nicht nur für das kommende Jahr, sondern für die gesamte sechsjährige Amtszeit bis 2018 Vorgaben liefern werde. Auf bahnbrechende Neuheiten aber warteten die etwa 1.000 Vertreter aus Staat, Gesellschaft und Kirche vergeblich. Vielmehr wärmte Putin viel Altbekanntes wieder auf. Als "Manifest des Status quo" kritisierte der Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow die 83 Minuten lange Ansprache.

Auffällig ist für viele Experten, dass Putin vor allem sich selbst lobte. "In den ersten zwölf Jahren des neuen Jahrhunderts haben wir viel erreicht", sagte der Staatschef. Dann dozierte der 60-Jährige die Wirtschaftserfolge seit seinem Machtantritt 1999: die Schulden gesenkt, die Inflation verlangsamt, das Bruttoinlandsprodukt deutlich erhöht. Eine Lösung aber, wie die Rohstoffmacht ihre Abhängigkeit von Öl und Gas verringern kann, präsentierte der Präsident nicht.

Väterliche Ratschläge statt politische Reformen
Auf seine Kritiker ging der Ex-Geheimdienstchef kaum zu. Politische Reformen blieben nebulös. Den gut 140 Millionen Bürgern gab Putin dafür väterliche Ratschläge mit auf den Weg: "Die Norm in Russland sollte eine Familie mit drei Kindern sein", sagte der Vater von zwei Töchtern. Aber auch hier fehlten konkrete Ideen, wie Putin die immensen demografischen Probleme zwischen Ostsee und Pazifik lösen will. "Wir sollten ..." - so fingen typische Putin-Sätze an, kritisierte Ryschkow.

Seit dem Beginn seiner dritten Amtszeit im Mai gefalle sich Putin immer mehr als weiser Führer, der das trockene Tagesgeschäft der Regierung um seinen politischen Ziehsohn Dmitri Medwedew überlässt, meinen Experten. Seine Zuhörer riss der Kremlchef mit seiner Ansprache jedenfalls nicht mit. Nur selten befeuerten sie die traditionelle Programmrede mit Applaus - zwölfmal, wie die Staatsagentur Itar-Tass zählte.

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