Treibt Zelle in Suizid

Kernfaktor für schwere Corona-Verläufe entdeckt

Wissenschaft
25.03.2024 09:56

Seit Beginn der Corona-Pandemie ist ein Rätsel, warum manche Menschen nach einer Infektion ums Leben rangen und andere von einer Erkrankung gar nichts mitbekamen, weil sie keine Symptome zeigten. Ein internationales Wissenschaftlerteam mit Beteiligung aus Wien hat nun in einem Immunbotenstoff einen Kernpunkt für schwere Krankheitsverläufe und Lungenschäden identifiziert.

„Die dysregulierte Immunantwort und die Entzündungsmechanismen, die zu schweren Covid-19-Krankheitsverläufen führen, werden noch immer nicht komplett verstanden. Vor kurzem haben wir fehlgeleiteten, durch Liganden (Bindungsproteine von Rezeptoren; Anm.) verursachten Zelltod als Ursache für letal endende Entzündungen identifiziert. Wir haben die Hypothese aufgestellt, dass dieser Prozess auch die krankhafte Entzündung und das Lungenversagen nach einer SARS-CoV-2-Infektion verursachen oder dazu beitragen könnte“, schrieben jetzt Marie-Christine Albert (Universität Köln) und ihre Co-Autoren, unter ihnen Roman Reindl-Schwaighofer von der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Wien (MedUni/AKH), in „Cell Death & Differentiation“.

Tests mit mutierten Virusstamm an Mäusen
Zunächst einmal entwickelten die Wissenschafter ein neues Tiermodell (MA20) mit Mäusen, an dem die wichtigen Krankheitsabläufe von Covid-19 nachverfolgt werden konnten. Dazu verwendeten die Experten einen SARS-Cov-2-Virusstamm mit einer Mutation, welche eine stärkere Affinität der Erreger an die ACE2-Rezeptoren von Mäusen bewirkte. ACE2-Rezeptoren sind der Eintrittsort für SARS-CoV-2 in Zellen. In Serienexperimenten mit 20 Infektionen von jeweils immer neuen Tieren wurde ein Virus gezüchtet, das bei den Tieren schwere bis tödliche Krankheitsverläufe verursachte.

Forschungen am Coronavirus (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Forschungen am Coronavirus

Immunbotenstoff löst Selbstmord von Zellen aus
Schließlich wurden junge und alte Mäuse eines bekannten Laborstammes infiziert. „Gleichzeitig mit dem Auftreten von Zelltod und Entzündung erhöhte sich die Expression von FasL (Fas-Liganden) auf monozytischen Makrophagen und NK-Zellen („Fresszellen“ und sogenannte Natural Killer Zellen; Anm.) bei den mit MA20 infizierten Mäusen“, schrieben die Wissenschafter. Bei FasL handelt es sich quasi um einen Immunbotenstoff. Bindet FasL an Zellen mit dem entsprechenden Rezeptor (Fas), bedeutet das ein Signal, das den programmierten Zelltod (Apoptose), eine Art Selbstmord der Zellen, auslöst. Normalerweise dient dieser Mechanismus dazu, bei Säugetieren und auch beim Menschen nicht benötigte, womöglich schädliche Zellen zu beseitigen. Bei Krebszellen funktioniert das allerdings zumeist nicht.

Forscher: „Blockade von FasL verringert den Zelltod“
Die Wissenschafter kehrten die Angelegenheit um. Sie blockierten bei mit SARS-CoV-2 infizierten Mäusen FasL. Das Ergebnis: Diese Behandlung erhöhte die Lebensrate der Tiere dramatisch, bei älteren Mäusen zum Beispiel von 40 auf 90 Prozent. „Die therapeutische Blockade von FasL verringert den Zelltod und die Entzündung in den Lungen von mit MA20 infizierten Mäusen“, stellten die Wissenschafter fest. Offenbar sind Immunzellen mit einer besonders starken Produktion von Fas-Liganden für die oft tödlichen Lungenkomplikationen – hervorgerufen durch schwere Gewebeschäden infolge von Zelltod – im Rahmen von Covid-19-Erkrankungen verantwortlich.

Der Clou, so die Autoren der Studie: „FasL ist auch verstärkt vorhanden in Lungen-Lavage-Flüssigkeit (Flüssigkeit aus Entnahmen zu Diagnosezwecken; Anm.) von Covid-19-Patienten in einem kritischen Krankheitsstadium. Insgesamt identifizieren die Forschungsresultate FasL als bestimmenden Faktor (bei den Betroffenen; Anm.) der krankmachenden Immunantwort, welche die Schwere und die Letalität von Covid-19 verursacht. Das impliziert, dass Patienten mit einer schweren Covid-19-Erkrankung von einer Blockade von FasL als Behandlung profitieren könnten.“

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