Sarajevo - eine Stadt, von der aus die Welt verändert wurde! Leidgeplagt, aber weltoffen und gastfreundlich. Die „Krone“ war mit einem unterwegs, der von dort geflüchtet ist und nun in Tirol eine neue Heimat gefunden hat.
Suleiman Kubat ist Muslim. Er wohnt mit seiner Frau seit vielen Jahren in Wörgl (Bezirk Kufstein). Die Familie ist weltoffen, gebildet - und dennoch geflüchtet aus Sarajevo. Die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina - nur eine Flugstunde entfernt von Wien, lediglich zwei von Innsbruck. Eine pulsierende Stadt, die einst Austragungsort für die Olympischen Winterspiele 1984 war. Eine geschichtsträchtige Stadt, von wo der Erste Weltkrieg ausging.
Aber auch eine geschundene Stadt! Die Einschusslöcher von Maschinengewehren in den Hochhäusern zeugen noch immer vom unsäglichen Jugoslawien-Krieg. Der Kontrast zwischen Offenheit, Narben und Fröhlichkeit - der kann nicht größer sein. Vier Religionen leben in dieser Stadt mit 555.000 Einwohnern (den Großraum miteinbezogen), friedlich und respektvoll.
Lebensmitteltechniker und Ärztin
Suleiman Kubat ist studierter Lebensmitteltechniker und sportlicher Leiter vom Boxclub Wörgl. Ausgewandert ist er damals beim Jugoslawien-Krieg mit seiner Frau und dem damals dreijährigen Sohn Benjamin. Die Familie Kubat ist das beste Beispiel für Integration in Tirol. Der Vater, hochgeschätzter Mitarbeiter der Tirol Milch und Mitbegründer der Käsiade in Hopfgarten, seine Frau bis zur Pensionierung praktische Ärztin in Kirchbichl.
Egal welche Religion - wir haben zusammengelebt. Konfliktfrei!
Suleiman Kubat
Ein Tunnel als Mahnmal für die Schrecken des Krieges
Schauplatz Sarajevo: Der Anflug in den Talkessel ist ruppig. Wie in Innsbruck, wo der Wind das Sagen hat und die Piloten mechanisch antworten müssen. Ankunft vor dem eigentlichen Wahrzeichen - dem „Tunnel of Hope“. Ein 750 Meter langer, von Hand gegrabener Tunnel, der die Versorgung für die eingekesselten Einwohner, für Nahrung, Munition war. „Wir konnten nur über diese Verbindung hinaus aus der Stadt“, erinnert sich Suleiman.
Diese unterirdische Lebensader ist ein Mahnmal, das die Schrecken des Jugoslawien-Krieges darlegt. Nach dem Ausgang galt es noch, einen halben Kilometer im Freien zu laufen. Ein Lauf zwischen Leben und Tod, weil serbische Scharfschützen rundum Vieles im Visier hatten. Unvorstellbar, wie sich Suleiman noch erinnert: „Egal welche Religion - wir haben zusammengelebt. Konfliktfrei! Und plötzlich kam der Krieg - und Gemeinschaften zerbrachen aus dem Nichts.“
Moschee neben jüdischem Tempel und einer Kirche
Die Innenstadt von Sarajevo, wo einst Österreichs Thronfolger Franz Ferdinand erschossen wurde, beherbergt vier Religionen und deren Gebetshäuser. Orthodox, jüdisch, katholisch, Muslim. Es geht doch! Suleiman Kubat meint nüchtern: „Ja, hier ist Geschichte geschrieben worden. Auf traurige Weise. Aber wir sind weltoffen.“
Von einem Hügel über der Stadt sind Bauten aus der K&K-Monarchie zu sehen, die immer noch Zeugen sind. Schöne sogar - das alte Rathaus zum Beispiel, bauliches Zeugnis aus der österreichischen Zeit. Gleich daneben steht eine Moschee mit dem Minarett. Fünf Mal spricht der Muezzin das Gebet - es hallt durch die Innenstadt von Sarajevo. Keinen Juden, keinen Katholiken stört’s.
Fazit: Eine Stunde reicht für ein Jahrhundert Zeitgeschichte.
Roland Mühlanger
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