Lage in Bergkarabach

Exodus: Wiener Pfarrer hilft in „Hölle auf Erden“

Österreich
02.10.2023 06:00

Seit der Vertreibung aus Bergkarabach fanden 100.000 Menschen Zuflucht in Armenien. Dort sorgt sich der Wiener Pater Andreas um Menschen, denen sämtliche Hoffnung genommen wurde.

„Es ist eine Katastrophe: Menschen weinen, sind traumatisiert, hungrig und schwach. Viele wissen nicht, wo ihre Verwandten sind. Auch wenn ihnen die armenische Regierung Zimmer und Hotels zur Verfügung stellt, so herrscht unter den Vertriebenen Verzweiflung. Sie haben alles verloren: Haus, Hof und vor allem ihre Heimat“, so schildert Pater Andreas Isakahyan die Lage aus der Grenzstadt Goris.

Fehlgeburten, Hungertote und Aussichtslosigkeit
Er ist mit weiteren drei Österreichern vor Ort. „Es herrscht das pure Chaos. Etliche schlafen auf der Straße. Hier in knapp 1400 Meter Seehöhe sind die Tage heiß, die Nächte bitterkalt“, so der 43-Jährige.

Das größte Problem allerdings sei die Psyche der Menschen. „Sie haben neun Monate eine Blockade durchgemacht, in der sie kaum zu essen hatten. Wo sie keine Medikamente bekamen und viele Schwangere Fehlgeburten erlitten, da es auch keine normale Nahrung gab. Stundenlanges Anstellen für ein Stück Brot. Etliche sind verhungert. Und diese Menschen nennt man ,Occupier‘ (Besetzer) und Terroristen“, so der geschockte Geistliche.

Die psychische Belastung vor allem für Kinder und Jugendliche ist überall spürbar. (Bild: AP/Ani Abaghyan)
Die psychische Belastung vor allem für Kinder und Jugendliche ist überall spürbar.

Eine Vertriebene hat sogar geschildert, wie ein Vater, der für seine Kinder Granatäpfel pflückte, deshalb von aserbaidschanischen Soldaten geköpft wurde. Grauenhafter Horror des Glaubenskrieges zwischen Islamisten und einer christlichen Minderheit.

„Wie soll man das sonst nennen als Völkermord!“
Aserbaidschan hat alles blockiert! Hörbar betroffen bringt der Pater im „Krone“-Telefonat die apokalyptische Lage auf den Punkt: „Ich weiß nicht, wie man das sonst nennen könnte – außer Völkermord! In fünf Tagen sind 100.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben worden. Aus einem Gebiet, wo bereits im 4. Jahrhundert die armenische Schrift gelehrt wurde.“

Endlose Wagenkolonnen der aus ihrer Heimat vertriebenen Armenier (Bild: AFP/SIRANUSH SARGSYAN)
Endlose Wagenkolonnen der aus ihrer Heimat vertriebenen Armenier
Bei einer Kundgebung nahe der Wiener Staatsoper wurde für Frieden und Rückkehr in die Heimat demonstriert. (Bild: Reinhard Holl)
Bei einer Kundgebung nahe der Wiener Staatsoper wurde für Frieden und Rückkehr in die Heimat demonstriert.

Für den engagierten Priester steht fest: „Das ist der zweite Völkermord nach 1915 an den Armeniern. Und die Weltgemeinschaft schaut wieder einmal weg!“ Russland habe offenbar mit den Aserbaidschanern einen Deal gemacht, damit EU-Sanktionen umgangen werden können.

„Kann denn ein kleines Land wie Armenien mit drei Millionen Einwohnern überhaupt 100.000 Vertriebene aufnehmen?“, so die Journalistenfrage. „Es gibt keine Alternative“, antwortet Pater Andreas. Deshalb liegt seine Hoffnung darin, „dass Sanktionen gegen das aserbaidschanische Regime wegen der Gräueltaten und des Völkermordes ausgesprochen werden“.

Schönen Politikerworten müssen auch Taten folgen
Viele Außenminister hätten schon Statements zur katastrophalen Lage abgegeben. Aber schönen Worten müssten nun auch Taten folgen. „Damit das armenische Leben, das es seit so vielen Jahrhunderten in Bergkarabach gibt, nicht im September 2023 endet.“

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele