Zerfall droht

Das irakische Horrorszenario nimmt seinen Lauf

Ausland
21.12.2011 16:37
Während die westlichen Diplomaten gebannt auf die Revolutionsstaaten Libyen, Tunesien, Ägypten und Syrien starren, eskaliert die Situation im Dauerkrisenherd Irak. Nach dem Abzug der US-Truppen brechen die Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen offen aus. Mit dem Haftbefehl gegen den sunnitischen Vizepräsidenten Tarik al-Hashemi versucht der schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki seine Macht auf Kosten der Minderheiten auszubauen. Ein viel beschworenes Horrorszenario droht damit schön langsam Realität zu werden: der blutige Zerfall des Irak.

Beim Haftbefehl gegen Vizepräsident Hashemi wegen angeblicher terroristischer Umtriebe (siehe Infobox) wird mittlerweile jedenfalls davon ausgegangen, dass Maliki im Hintergrund die Fäden gezogen hat. Bei der Arabischen Liga in Kairo, die in diesen Tagen eigentlich vorrangig mit dem Konflikt in Syrien beschäftigt ist, schrillen seitdem die Alarmglocken. Doch auch hektische Telefonate der Liga-Vertreter mit den Beteiligten in Bagdad und in der irakischen Kurden-Hauptstadt Arbil brachten keine Entspannung.

In seiner offensichtlich frisch entdeckten Machtvollkommenheit forderte Maliki nun am Mittwoch auch noch den Rücktritt des sunnitischen Vize-Ministerpräsidenten Salih al-Mutlak, weil ihn dieser als "Diktator" beschimpft hat. In der nördlichen Stadt Mossul nahmen Militärs zudem aus bisher unbekannten Gründen einen Berater des Provinzgouverneurs fest. Der Berater gehört der in Mossul beheimateten Partei Hadaba an. Sie ist mit dem Al-Iraqiya-Bündnis verbunden, dem auch Hashemi und Mutlak angehören.

Maliki wettert gegen "ausländische Einmischung"
Die US-Amerikaner geben sich ob der Entwicklung entsetzt. Gemeinsam mit UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon und der Arabischen Liga appellieren sie an Maliki und seine Kontrahenten, den von ihnen mit viel diplomatischem Geschick ausgehandelten politischen Burgfrieden in Bagdad nicht zu gefährden. Doch der Ministerpräsident will davon derzeit nichts wissen. Er wettert gegen die "ausländische Einmischung" und betont, er mache schließlich nur von den Machtbefugnissen Gebrauch, die ihm die Verfassung zubillige.

Der Fall Hashemi und die weiteren Entwicklungen zeigen auf jeden Fall, dass der Irak schon heute ein gespaltenes Land ist. Denn Hashemi ist zwar nicht bereit, in Bagdad vor Gericht zu erscheinen. Der Justiz im kurdischen Autonomiegebiet will er dagegen sehr wohl Auskunft geben. Dass Maliki Polizeibeamte oder Soldaten in den kurdischen Norden schicken könnte, um den Haftbefehl dort zu vollstrecken, ist fast ausgeschlossen. Denn dann würde er die Kurdenparteien, die über Jahre seine treuen Bündnispartner waren, in die Arme der Sunniten und säkularen Kräfte treiben. Einem Miteinander der verschiedenen Bevölkerungsgruppen wäre dies jedenfalls nicht zuträglich.

Verzweifelte Appelle durch die UNO
Geradezu verzweifelt klingt angesichts dieser Szenarien eine Ermahnung, die UN-Generalsekretär Ban Ki Moon jetzt von einem Sprecher verbreiten ließ: "Die politischen Führer sind gegenüber dem irakischen Volk, das sie gewählt hat, verpflichtet, partnerschaftlich und im Geiste der nationalen Einheit zusammenzuarbeiten, um die Herausforderungen, die das Land zu bewältigen hat, zu meistern."

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