Dokumente entfernt

Heiße Buwog-Akten in Liechtenstein manipuliert?

Österreich
21.12.2011 20:14
Die Causa Buwog hat jetzt in Liechtenstein einen handfesten Justizskandal ausgelöst: Einem Liechstensteiner Anwalt eines Geschäftspartners des früheren österreichischen Finanzministers Karl-Heinz Grasser wird vorgeworfen, beschlagnahmte Akten aus dem Landgericht in Vaduz entwendet und - möglicherweise sogar verfälscht - erst eineinhalb Monate später wieder zurückgebracht zu haben. Die liechtensteinische Regierung kündigte für Donnerstag eine außerordentliche Sitzung zu dem Thema an.

Gemeinsamen Recherchen von ORF, "News" und der "Süddeutschen Zeitung" zufolge soll der Liechtensteiner Anwalt im Rahmen einer Aktensicht in Vaduz Dokumente aus jenen Gerichtsakten entfernt haben, die bei Hausdurchsuchungen in Liechtenstein nach einem österreichischen Rechtshilfeantrag beschlagnahmt wurden. Sie sollten Licht in die Geldflüsse Grassers bringen.

Anfang Oktober erklärte der Oberste Gerichtshof in Liechtenstein die Hausdurchsuchungen aus formalen Gründen für rechtswidrig, Österreich stellte ein neues Rechtshilfeersuchen. Die Unterlagen blieben versiegelt bei Gericht.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Anwalt
Der leitende Staatsanwalt in Vaduz, Robert Wallner, bestätigte, dass ein Jurist am 19. Oktober Einsicht in die Akten genommen und sie auch eingesteckt hatte. Die "ohne Wissen und Zustimmung des zuständigen Landrichters" entfernten Akten befanden sich laut Wallner dann sechs Wochen außerhalb des Gerichts.

Nur einen Tag nach der Entwendung habe die liechtensteinische Staatsanwaltschaft gegen den betreffenden Anwalt ein Strafverfahren wegen des Verdachtes der Urkundenunterdrückung bzw. der Unterdrückung eines Beweismittels eingeleitet, betonte Wallner. Doch die Buwog-Akten blieben auch nach zwei Hausdurchsuchungen verschwunden - bis der verdächtige Anwalt sie selbst am 28. November wieder zurückbrachte, berichtete das Liechtensteinische "Volksblatt".

Ob die Unterlagen vor der Rückgabe an das Gericht manipuliert worden sind, muss nun geprüft werden. In Liechtenstein kursieren Gerüchte, dass handschriftliche Notizen verschwunden seien. Unklar ist auch, ob die brisanten Akten nach Österreich kamen.

Wiener Behörde erst durch Medien informiert
Auch wenn die Liechtensteiner sofort Ermittlungen eingeleitet haben, sorgt der Vorfall für weiteren Ärger, da die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erst durch Medienanfragen über den Fall in Kenntnis gesetzt wurde. Sie ersuchte die Liechtensteiner Justizbehörden umgehend um eine Stellungnahme. Trotz der Vorfälle zeigt sich Christian Pilnacek, Sektionschef im Wiener Justizministerium, mit dem Vorgehen der Liechtensteiner Justiz offiziell zufrieden: "Aus unserer Sicht haben die Liechtensteiner Behörden das Notwendige veranlasst."

Die Affäre rund um die entwendeten Buwog-Akten hat in Liechtenstein auch eine politische Dimension: Der Anwalt, gegen den die Justiz ermittelt, ist in der Fortschrittlichen Bürgerpartei FBP, der auch Justizministerin Aurelia Frick angehört, tätig. Die liechtensteinische Regierung will jedenfalls am Donnerstag eine Sondersitzung zu dem Thema abhalten. Der Fall solle rasch und lückenlos aufgeklärt werden, heißt es.

"Nichts mit meinem Mandanten Grasser zu tun"
"Dieser Vorfall hat rein gar nichts mit meinem Mandanten zu tun", sagte Grasser-Anwalt Manfred Ainedter am Mittwoch zur "Krone". Der neuerliche Justizskandal birgt allerdings viel Brisantes: Der Anwalt, der die Akten entwendet hat und gegen den nun ermittelt wird, sitzt im Vorstand der Liechtenstein-Stiftungen von Grasser. Und die Kanzlei, eine der einflussreichsten in Vaduz, vertritt auch Grasser.

SPÖ fordert Untersuchungshaft, Grasser will Kräuter klagen
Die Affäre sorgt auch in Österreich für ein gewaltiges Politbeben. Gabriele Moser von den Grünen, Vorsitzende des Korruptions-U-Ausschusses, äußerte einmal mehr den Verdacht, dass von politischer Seite versucht werde, die Aufklärung des Buwog-Skandals zu blockieren. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter fordert sogar die Untersuchungshaft für Ex-Finanzminister Grasser. Es handle sich um Verabredungs- und Verdunkelungsgefahr.

Anwalt Ainedter zur "Krone": "Das ist nicht nur abenteuerlich und absurd, sondern auch versuchte Anstiftung zum Amtsmissbrauch durch die Staatsanwaltschaft." Später am Abend wurde bekannt, dass Grasser nach den Wortmeldungen SPÖ-Bundesgeschäftsführer Kräuter wegen übler Nachrede und Kreditschädigung verklagen will, wie Grassers Anwalt in Mediensachen, Michael Rami, mitteilte.

Grasser-Anwalt fordert Verfahrenseinstellung
Seit über zwei Jahren wird in Österreich zur Causa Buwog ermittelt. Zahlreiche Einvernahmen und Hausdurchsuchungen wurden bei den Beschuldigten durchgeführt, zu Untersuchungshaft kam es nicht. Grassers Anwalt Ainedter will die Einstellung der Ermittlungen gegen den Ex-Finanzminister erreichen: Er hat einen Einstellungsantrag gestellt, die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat sich in einer Stellungnahme gegen die Einstellung ausgesprochen.

"Aus unserer Sicht ist das Ermittlungsverfahren nicht einzustellen, noch sind nicht alle Erhebungen durchgeführt", sagte der Sprecher der Behörde, Martin Ulrich, erst am Dienstag. So fehlten noch Unterlagen aus den Hausdurchsuchungen in Liechtenstein und in der Schweiz. Die Entscheidung über die von Grasser beantragte Verfahrenseinstellung werde von einem Richter am Landesgericht für Strafsachen Wien getroffen.

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