Todeszahlen steigen

Putsch-Generäle stürzen Sudan weiter ins Chaos

Ausland
17.04.2023 09:13

Der Konflikt zweier Männer droht den Sudan zu zerreißen. Seit dem Wochenende kommt es in weiten Teilen des Landes zu bewaffneten Konflikten. Bereits jetzt sind Krankenhäuser überfüllt und die Zahl der Todesopfer steigt stündlich.

Bei den Gefechten im Sudan sind nach Angaben sudanesischen Ärzte-Organisation mindestens 97 Zivilisten getötet worden. Weitere 942 Menschen, unter ihnen Soldaten wie Zivilisten, seien verletzt worden. Bereits in der Nacht zum Montag hatte die Weltgesundheitsorganisation 83 Tote und mehr als 1.126 Verletzte gemeldet.

Aufgrund der schweren Gefechte in Khartum am Wochenende sind die Krankenhäuser in der sudanesischen Hauptstadt, in deren Umland rund sechs Millionen Einwohner leben, laut WHO überlastet. Wasser- und Stromausfälle sowie fehlender Treibstoff für die Stromgeneratoren der Krankenhäuser erschwerten den Betrieb weiter. Auch Fachpersonal wie Anästhesisten fehle.

Nach Angaben des Zentralkomitees der sudanesischen Ärzte vom frühen Montagmorgen sind seit dem Ausbruch von Kämpfen zwischen der Armee und paramilitärischen Kräften mindestens 97 Zivilisten getötet und 365 weitere verletzt worden.

Militär gegen „Rapid Support Forces“
Im Sudan duellieren sich aktuell die zwei mächtigsten Männer des Landes. Der Machtkampf lässt das flächenmäßig drittgrößte Land Afrikas mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern und reichen Öl- und Gold-Vorkommen im Chaos versinken. Wer dort auf dem Schlachtfeld gerade die Oberhand hat, ist angesichts der unübersichtlichen Lage und widersprüchlichen Angaben beider Konfliktparteien unklar.

Sowohl die sudanesischen Streitkräfte unter dem Befehl von De-Facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan als auch die von seinem Vize Mohammed Hamdan Daglo angeführte paramilitärische Gruppe „Rapid Support Forces“ (RSF) verbreiten Erfolgsmeldungen, deren Wahrheitsgehalt sich kaum überprüfen lässt.

Seit dem Sturz des Langzeitherrschers Omar al-Baschir 2019 teilen sich die RSF und das Militär faktisch die Macht im Land, doch spannungsfrei war das Verhältnis beider Lager nie. Im Zuge des jüngst erneut verschobenen Übergangs zu einer zivilen Regierung sollten die RSF in die Streitkräfte eingegliedert werden, was zum Bruch zwischen den Verbündeten führte. RSF-Anführer Daglo, auch Hemedti genannt, warf General Al-Burhan vor, sich an die Macht zu klammern.

Die Kämpfe waren am Samstagmorgen in Khartum ausgebrochen. Die RSF behaupteten, sudanesische Soldaten seien in ihr Hauptquartier im Süden der Stadt einmarschiert. RSF-Kräfte griffen den Flughafen im Norden der Stadt sowie den Präsidentenpalast an. Die Armee setzte Artillerie, Kampfflugzeuge und Panzer ein. Am Sonntag konzentrierten sich die Kämpfe weiter auf das nahegelegene Hauptquartier der Armee und das Gebäude des staatlichen Rundfunks.

Zitat Icon

Jahrelange Konkurrenz (...), die nur durch eine Zweckgemeinschaft gegen die Zivilgesellschaft zusammengehalten wurden, entlädt sich jetzt in offener Feindseligkeit.

Gerrit Kurtz, Politologe

Politologe: chaotische Zustände im Sudan
Die Kämpfe drohten den ohnehin von Konflikten geprägten Sudan vollends zu zerreißen, sagte Gerrit Kurtz, Politologe der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, der Deutschen Presse-Agentur. Entscheidend sei die Entwicklung der kommenden Tage. „Dazu zählt, wer von den beiden Parteien Kontrolle über die Staatsinstitutionen im Zentrum Khartums erlangt und wer den Kampf um innenpolitische und internationale Legitimität gewinnt.“

„Jahrelange Konkurrenz zwischen beiden Sicherheitskräften, die nur durch eine Zweckgemeinschaft gegen die Zivilgesellschaft zusammengehalten wurden, entlädt sich jetzt in offener Feindseligkeit“, erklärte Kurtz. „Beide Kräfte sind gut bewaffnet, auch wenn die RSF keine Luftwaffe haben und weniger schwere Waffen.“

Das Militär sei durchsetzt mit loyalen Anhängern des 2019 abgelösten Machthabers Al-Baschir, die dem RSF-Führer wegen dessen Rolle beim damaligen Umsturz misstrauen und ihn als Verräter ansehen. „Armeechef Al-Burhan handelt nicht zuletzt unter dem Druck dieser islamistischen Kräfte, der sich mit Blick auf die mögliche Übergabe der Macht an eine zivile Regierung zuspitzte“, so Kurtz. Der General sperre sich gegen die Kontrolle des Sicherheitsapparats durch eine zivile Übergangsregierung, „während Hemedti glaubte, seine Geschäfte und Operationen im Graubereich der Legalität auch so weiterführen zu können“.

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