Polit-Paukenschlag

Slowenisches Parlament wählt Regierung ab

Ausland
20.09.2011 23:23
Das slowenische Parlament hat am Dienstagabend die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Borut Pahor (Bild) abgewählt. 51 der 88 anwesenden Abgeordneten stimmten gegen die von Pahor vorgeschlagene Regierungsumbildung, die der Sozialdemokrat mit der Vertrauensfrage verknüpft hatte. Lediglich 36 Abgeordnete sprachen dem Premier das Vertrauen aus, ein Abgeordneter enthielt sich. Nun droht Slowenien nach den Worten Pahors eine "politische Krise, die das Land monatelang lähmen wird". Die Abwahl des Premiers hat nämlich nicht automatisch Neuwahlen zur Folge.

Mit der Abwahl begann am Dienstag eine 30-tägige Frist zu laufen, innerhalb derer nun ein neuer Regierungschef gesucht werden muss. Erst wenn diese ergebnislos verstreicht, gibt es vorgezogene Neuwahlen. Hinter den Kulissen wurde schon am Vorabend des Abstimmungstages über mögliche Übergangspremiers spekuliert, die das Land bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2012 führen sollen.

Öffentlich sprachen sich dagegen alle Parlamentsparteien für rasche Neuwahlen aus. Pahor kündigte an, seine Sozialdemokraten (SD) in die nächsten Wahlen führen zu wollen. Oppositionsführer Janez Jansa bezeichnete das Misstrauensvotum als "wichtigen Schritt bei der Suche nach Lösungen für die künftige Entwicklung Sloweniens". Der Ex-Premier, dessen Demokratische Partei (SDS) in den Umfragen klar vor Pahors SD führt, überraschte zugleich mit dem Vorschlag einer Verfassungsänderung, mit der künftig der dritte Mai-Sonntag als Wahltermin festgeschrieben werden soll.

Noch mit dramatischen Worten Abgeordnete beschworen
Pahor hatte zu Beginn der achtstündigen Debatte in dramatischen Worten an die Abgeordneten appelliert, seine Regierung angesichts der jetzigen wirtschaftlichen Turbulenzen nicht fallen zu lassen. Im nächsten Halbjahr brauche es nämlich eine "außerordentlich reaktionsstarke Regierung", weil Slowenien ein "roher, sehr schwerer Kampf aus den Fängen der Krise" erwarte. Slowenien hat die Wirtschaftskrise schwer getroffen. Zahlreiche Paradeunternehmen sind in finanzielle Schieflage geraten, die Arbeitslosenzahl verdoppelte sich in den vergangenen drei Jahren auf 110.000 und auch die Staatsschuld explodierte von 23 auf 45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Pahors Mitte-Links-Regierung befand sich seit ihrem Amtsantritt im November 2008 in einer Dauerkrise, die heuer im Frühjahr ihren Höhepunkt erreichte. Wegen des Streits über die umstrittenen Sozialreformen verließ zunächst die Demokratische Pensionistenpartei (DeSUS) die Koalition, wenig später folgte auch die liberale Partei "Zares". Damit hatte Pahor nur noch die 33 Abgeordneten seiner SD und der Liberaldemokraten (LDS) hinter sich. Der Premier ging dennoch aufs Ganze und verknüpfte die Nominierung von fünf neuen Ministern mit der Vertrauensfrage, um ein neues Mandat für seine umstrittene Reformpolitik zu bekommen, die im Frühjahr bei mehreren Volksabstimmungen Schiffbruch erlitten hatte.

"Griechischen Ansatz zur Gänze kopiert"
Den Ausschlag bei der Abstimmung gaben die "Zares"- und DeSUS-Mandatare, die mit der konservativen Opposition mit Nein stimmten. Die Parlamentsdebatte war vor allem von Abrechnungen unter den ehemaligen Koalitionsparteien geprägt. Die Opposition warf der Koalition Versagen auf der ganzen Linie vor. Entgegen ihren Versprechen gegenüber Brüssel setze die Regierung die Schuldenpolitik fort und gebe täglich "zehn Millionen Euro mehr aus als sie einnimmt", kritisierte SDS-Klubchef Joze Tanko. "Die Regierung hat den griechischen Ansatz zur Gänze kopiert."

Pahor trug seine Abwahl mit Fassung. "Ich spüre in diesem Augenblick ohne Bitterkeit", sagte er nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses kurz vor 18 Uhr durch Parlamentspräsident Ljubo Germic. "Slowenien wurde unter einem glücklichen Stern geboren. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns schon irgendwie aus der jetzigen Lage retten werden", so Pahor.

Regierung in Korruptionsaffären verstrickt
Seine Abwahl erfolgte am Vorabend des dritten Jahrestags seines historischen Siegs bei der Parlamentswahl am 21. September 2008. Damals hatte er den Stimmenanteil seiner Sozialdemokraten beinahe verdreifacht und den damaligen konservativen Premier Jansa knapp vom Thron gestoßen. Pahors Vier-Parteien-Regierung verstrickte sich aber schon bald in Richtungsstreitigkeiten und Korruptionsaffären. Einen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte sich der Sozialdemokrat jedoch mit der Lösung des seit 18 Jahren schwelenden Grenzstreits mit Kroatien im November 2009.

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