Album & Live-Termine

Lil Julez: In der neuen Welt Radio durchgestartet

Musik
25.03.2023 09:00

Lo-Fi-Indie-Bedroom-Pop mit viel Liebe zur Melodie und inhaltlichem Nonsens - das ist die grob umrissene Beschreibung von „It Was A Hoax“, dem Debütalbum des jungen Wieners Lil Julez. Damit kommt er bald live ins Wiener Rhiz und zum Lido Sounds. Ein Gespräch über moderne Musikvertreibungsmechanismen, fliegende Pinguine und Musik als Stabilitätsfaktor.

(Bild: kmm)

Achtung, Vorsicht! Das Selbstverständnis älterer Semester und traditioneller Musikhörer wird in diesem Artikel möglicherweise über den Haufen geworfen, denn Lil Julez steht mit seinem Debütalbum „It Was A Hoax“ für Bedroom-Pop mit kreativer Selbstermächtigung. Den schwammig wirkenden Begriff der Schlafzimmer-Populärmusik kennt man spätestens seit Billie Eilish auch im breiteren Segment. Junge Künstlerinnen und Künstler, die sich budgetär keine großen Studioaufenthalte leisten können, basteln mit MacBook, diversen Soundprogrammen, Apps und einem Mikrofron in den eigenen vier Wänden neben ihren Beyoncé- und Ed-Sheeran-Postern an Musik und haben damit oft sogar Erfolg. Schlag nach bei Yung Lean, Kali Uchis oder PinkPantheress. Den Song zusammenstoppeln, ein DIY-Amateurvideo drehen, das alles im Netz hochladen und auf einen viralen Glückstreffer hoffen - fertig ist die Popmusik-Rezeptur des 21. Jahrhunderts.

Neue, alte Welt
Bei Lil Julez passierte für ihn Unverständliches. Vor gut einem Jahr landete seine Single „Saw Someone Like You“ auf FM4, kam in die Charts und wurde immer wieder neu gespielt. „Das hat mir eine Riesenfreude gemacht, denn das Medium Radio hatte ich gar nicht am Schirm“, lacht der 23-Jährige im „Krone“-Interview, „ich dachte nur an Spotify, YouTube und TikTok. Diese andere Welt war komplett neu für mich.“ Vom Radio zum Album bis hin zum Vinyl sind es dann auch nur mehr kleine Schritte. Lil Julez‘ Debütalbum „It Was A Hoax“ wurde in Zusammenarbeit mit seinem Label Fabrique Records auch konventioneller aufbereitet, weshalb der junge Wiener Pop-Fan nun in mehreren Altersetagen vorstellig werden kann. Wer hinter Lil Julez übrigens einen tighten Gossenrapper vermutet, liegt falsch. Nomen non est omen - das „Lil“ bezieht sich nur auf seine Größe, musikalisch ist er ganz und gar dem Pop mit Indie-Schlagseite zugetan.

Ein weiteres Paradoxon im so vielseitigen Schaffen des Künstlers ist, dass seine Einflüsse gar nicht so alt klingen, wie sie sind. Hört man sich durch die rhythmisch-melodischen Lieder, zieht man unweigerlich Vergleiche zu den Beatles, den Kinks oder anderen Flower-Power-Bands aus der Hippiezeit, doch die Realität ist wesentlich moderner ausgeformt. „Ich stehe eher auf Steve Lacy oder PinkPantheress. Dort ist die Melodieführung im Pop den 60ern entlehnt, aber sie haben einen moderneren Sound. Die Old-School-Einflüsse funktionieren also auf der Metaebene.“ Um sich dafür öffnen zu können, musste Julian Jungmair, so sein richtiger Name, erst einmal die Pubertät überwinden. „Mit 14 war ich ein ziemlicher Hipster. Alles war scheiße und neue Musik sowieso blöd. Nur Nirvana war okay. Irgendwann setzte dann ein Reifeprozess ein und ich merkte, moderne Popmusik ist eigentlich ziemlich gut. Heute ist das mein Lieblingsgenre.“

Im breiten Spannungsfeld
Von seinen jungen Idolen übernahm Lil Julez einen gewissen Qualitätsanspruch. Clever geschriebene Songs, die eingängige, aber niemals plumpe Melodien aufweisen. Ein zeitgemäßer Urban-Sound, der nicht zu stark in Richtung Schlagerpop abdriftet und Texte, die nicht immer Sinnhaftigkeit ausstrahlen müssen. Das Songwriting für manche Tracks liegt bis zu fünf Jahre zurück, die Texte wurden alle aktuell geschrieben, weil es zwischen einem 18- und einem 23-Jährigen doch eklatante Unterschiede in der Lebensauffassung gibt. Hinter dem ironischen Albumtitel steckt die Tatsache, dass sich hinter fröhlichen Dur-Melodien allzu oft melancholische Texte verbergen. Das Spannungsfeld zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt spiegelt sich auch im persönlichen Leben des Geschichtsstudenten wider.

„Ich verpacke meist meine Erlebnisse und Gefühle in Metaphern. Beobachtungen und Erlebnisse sind mir sehr wichtig, aber manchmal geht es auch um gar nichts. Etwa im Track ,All About The Leader‘, das eher ein ,I Am The Walrus‘-Feeling hat.“ Besonders auffallend ist der flotte Opener „Flying Penguins“. „Freunde und ich haben mit psychedelischen Substanzen experimentiert und daneben lief im Fernsehen eine BBC-Doku über fliegende Pinguine. Das war natürlich ein Aprilscherz, aber in unserem Zustand hat der gut funktioniert. In der Ausnüchterungsphase schrieb ich den Song und reflektierte, dass das alles natürlich ein Blödsinn war. Das Lied ist ein bisschen selbstironisch, blöd.“ Trotz aller jugendlichen Gen-Z-Zugänge zur Musik war Lil Julez die Albumform ein Anliegen. „Die Reihenfolge war mir wichtig, denn es sollte nicht wie eine Kompilation klingen. Es ist kein Konzeptalbum, aber es hat schon alles seinen Sinn.“

Musik zum Lebensglück
Von Besitzverhältnissen hält der junge Künstler wenig. „Ich bin per se kein großer Freund der Eigentümerschaft und würde es auch zulassen, wenn ein Produzent einen meiner Songs verändern möchte. Ich finde auch das Sampling richtig toll.“ Mit dem aus dem Hardcore-Punk stammenden Produzenten Patrick Vanek fand er einen Mitstreiter, dem er blind vertraut. „Ich schreibe lieber selbst und habe strenge Kriterien an mich, aber mit Patrick läuft alles total gut ab.“ Lil Julez schreibt permanent und fürchtet sich nicht vor einer Blockade. „Ich habe immer Songs und Ideen in der Hinterhand. Ansonsten würde ich Panik verspüren.“ Schlussendlich benötigt er Musik zum Lebensglück. „Als Jugendlicher war ich total instabil. Da gab es teilweise nur Chaos und mein Selbstwert war extrem an die Musik geknüpft. Wenn ich eine Phase habe, wo mir kein Lied auskommt, bin ich total unbefriedigt. Mir geht es nicht gut, wenn ich keine Musik schreiben kann.“

Live in Wien und beim Lido Sounds
Von den Livequalitäten Lil Julez‘ und seiner kundigen Band kann man sich am 30. März bei der Album-Release-Show im Wiener Rhiz und am 18. Juni beim Lido Sounds in Linz überzeugen. „Mac DeMarco und Michael Jackson würde ich da als meine Idole sehen, aber ich versuche natürlich, mir selbst eine Identität zu geben. Das erste Mal auf die Bühne zu gehen war noch ein bisschen ein Muss, aber mittlerweile sind Gigs ein zentraler Baustein meiner Musik und machen richtig Spaß.“ Unter www.oeticket.com kann man sich noch mit Karten für die beiden Shows eindecken.

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