Im Herzen Sardiniens

Barbagia: Tradition um der Tradition willen

Reisen & Urlaub
13.12.2022 16:00

Wanderungen, Wein und Genuss - auch das ist Sardinien. Eine „bewegte“ kulturell-kulinarische Reise in das Herz des Eilandes. Und zu den weltweit einzigartigen Nuraghen und Mamuthones.

Tagsüber mehr als 20 Grad, Sonnenschein, abends kühl. Es ist Herbst, als ich auf Sardinien bin. Strandluft schnuppere ich nur kurz, bin ich doch hier, um Barbagia zu entdecken, das Herz der Mittelmeerinsel. Mein Tag startet in Urzulei. 1200 Menschen leben hier. Wir werden von Naturführer Francesco Murru begrüßt. Bevor er mit uns wandert, führt er uns durch den Ort, erzählt über dessen Geschichte, die Bedeutung traditioneller sardischer Trachten sowie die Malereien lokaler Künstler, die Hausmauern schmücken.

Handarbeit aus Stielen von Affodill
Bei unserem Rundgang treffen wir Luigina und Agostina. Die beiden Frauen flechten Körbe und Untersetzer aus in Wasser aufgeweichten Stielen von Affodill. Einer Pflanze, die zu den Grasbaumgewächsen zählt. Die Tradition dieser Handarbeit lehren sie junge Frauen im Dorf - und mittlerweile auch junge Männer. Mittags stärken wir uns mit Pane Carasau, dem dünnen, knusprigen sardischen Fladenbrot, Tomaten, Speck und Käse. Besonders mundet das Brot auch mit Ricotta und Honig von der Affodill-Pflanze.

Einzigartig auf der Welt: die Nuraghen
Auf der Hochebene Fennau in den Supramonte del Urzulei wandern wir neben Eseln, Kühen und - sehr entspannend - ohne Handyempfang in 1000 Meter Seehöhe zu etwas auf Sardinien Einzigartigem, einer Nuraghe. Die Turmbauten wurden nur aus Steinblöcken errichtet, es gibt Tausende auf der Insel, von vielen nur Überreste, wie hier. Ob Festung, Tempel oder Observatorium - wofür sie genau dienten, ist nicht vollständig geklärt.

Herrlicher Weitblick und Gigantengräber
Von der Nuraghe Perdeballa aus haben wir einen wunderbaren Blick auf den 1300 Meter hohen Monte Nuovo San Giovanni, der uns gegenüberliegt. Auf dem Rückweg kommen wir an den Überresten der Gigantengräber von S’Arena vorbei. Wir verabschieden uns von Francesco, fahren weiter nach Oliena, wo wir die Nacht verbringen.

Trittsicher auf den Berg Tiscali
Tags darauf geht es mit dem Geländewagen unseres heutigen Guides Paolo zum Fuß des 500 Meter hohen Monte Tiscali. Neben gutem Schuhwerk ist beim Aufstieg vor allem Trittsicherheit gefragt. In diesem Moment bin ich meinem Vater dankbar, dass er mit mir früher öfter wandern gegangen ist, mir fürs Leben mitgegeben hat, was beim Berggehen wichtig ist. Nach gut einer Stunde erreichen wir Tiscali, die Überreste einer früheren Nuraghensiedlung in einer eingestürzten Höhle. Den Abend lassen wir im Naturpark Ecoparco Neulè ausklingen, der einer Ranch ähnelt und oberhalb des Stausees Lago del Cedrino liegt. Pünktlich zum Sonnenuntergang lichten sich die Wolken.

Der Herbst in Barbagia
Eine weitere Besonderheit ist der „Autunno di Barbagia“, der Herbst in Barbagia. Von September bis Dezember präsentiert sich jedes Wochenende ein anderer Ort. Einheimische kommen, um lokales Brauchtum kennenzulernen, Kunsthandwerk zu bestaunen, vor allem aber um kulinarischen Genüssen zu frönen. Wir Touristen sind herzlich willkommen. An diesem Sonntag richtet Lollove - ein Dorf, in dem nur noch 30 Menschen wohnen - das Fest aus. Im Ort werden Häuser und Innenhöfe geöffnet. Es gibt Musik, Gesänge, sardische Spezialitäten, heiße Maroni, Süßes, Pasta, aber auch Ausgefallenes wie Eselfleisch. Die Menschen unterhalten sich, essen, trinken, feiern. Es ist ein Fest für alle Sinne, Tradition um der Tradition willen.

Die Mamuthones von Mamoiada
Letzte Station unserer Reise ist der 2500-Einwohner-Ort Mamoiada. Wenn man hier ist, versteht man, warum die Region als „Blaue Zone“ gilt - ein Gebiet, in dem viele Bewohner über 100 Jahre alt werden. Die Menschen wirken entspannt und zufrieden. Die gestresste Gesellschaft, aus der ich komme, gibt es hier nicht. Man ist freundlich, kennt sich, hilft zusammen. Der jährliche Karneval, für den Mamoiada berühmt ist, zählt zu den ältesten Volksfesten der Insel. Im Mittelpunkt stehen die Mamuthones. Sie tragen aus Holz geschnitzte, schwarz bemalte Masken mit markantem Gesicht sowie ein Schaffell, an dem schwere Kuhglocken hängen.

Sardischer Wein und Männergesänge
Abseits der Feierlichkeiten kann man sie im örtlichen Maskenmuseum bewundern. Auch der Wein ist ausgezeichnet. Wir besuchen mehrere Winzer im Ort - und erleben ein UNESCO-Weltkulturerbe, den „Canto a tenore“, mehrstimmige Männergesänge, die eine jahrhundertelange Tradition haben. Zum Abschluss entdecken wir Su Tapiu, ein kleines, feines und romantisches Lokal, das mit hervorragendem Abendessen aufwartet. Bei einem letzten Glas Rotwein lasse ich diese wunderbare kulinarische Wanderreise Revue passieren. Das Herz der Insel hat auch mein Herz erobert.

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