„Friede, Freiheit“

Mauthausen-Gedenken im Zeichen des Ukraine-Krieges

Oberösterreich
15.05.2022 14:07

In der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist am Sonntag der Befreiung des Lagers durch US-Truppen vor 77 Jahren gedacht worden. Die Veranstaltung stand heuer auch im Zeichen des Ukraine-Krieges. Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreich, appellierte: „Wenn es unbedingt einen Sieger braucht, dann nicht Nationen, nicht einen großen Führer, sondern die Werte Friede, Freiheit, Solidarität!“

Gemäß des diesjährigen Themas „Politischer Widerstand“ erinnerte Mernyi an all jene politisch Andersdenkenden, die von den Nazis „systematisch verfolgt und ermordet“ wurden. Er betonte, dass es auch heute wichtig sei Widerstand zu leisten: „So sehen wir es als unsere Verpflichtung, bei einer kriegerischen Auseinandersetzung klar und deutlich ‘Nein‘ zu sagen!“ Der Präsident des Comité International de Mauthausen, Guy Dockendorf, nahm ebenfalls auf den Krieg in der Ukraine Bezug: Er erinnerte an die vielen russischen und ukrainischen Kriegsgefangenen in den Lagern der Nazis, die dort zur selben Kategorie an Häftlingen gezählt worden waren. „Sie haben als Bürger der Sowjetunion ihren Teil zum gemeinsamen Kampf gegen den Nazi-Aggressor beigetragen.“

Zu der Feier kommen traditionell Abordnungen aus aller Welt, denn die in Mauthausen Inhaftierten stammten aus mehr als 70 Nationen. Die Botschafter von Russland und Belarus wurden nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine von den Veranstaltern gebeten, nicht zu kommen. Hilfsorganisationen, Überlebende und deren Angehörige aus diesen Ländern waren aber willkommen. Beim ukrainischen Denkmal widmete sich eine Ausstellung dem Krieg, der zurzeit dort tobt. Fotos von Zivilisten in Luftschutzkellern, von Massenflucht und Zerstörung aus der heutigen Ukraine wurden analogen Motiven aus dem Zweiten Weltkrieg gegenübergestellt - Bilder von erschreckender Ähnlichkeit.

Am Appellplatz erinnerten großformatige Bilder von Mauthausen-Überlebenden mit Aufrufen zu Frieden und Solidarität in zahlreichen Sprachen an die insgesamt rund 200.000 KZ-Häftlinge, von denen rund die Hälfte ermordet wurde oder den grausamen Haftbedingungen zum Opfer fiel.

Einziger Überlebender musste im letzten Moment absagen
Nur mehr ein einziger Überlebender war für die Befreiungsfeier angesagt, er musste aber aus gesundheitlichen Gründen im letzten Moment doch noch absagen: Der aus Litauen stammende und heute in Israel lebende Daniel Chanoch (90) wurde am 5. Mai 1945 aus dem KZ Gunskirchen, einem der zahlreichen Nebenlager von Mauthausen, befreit. Da war er zwölf Jahre alt. Bis heute ist er unermüdlich damit beschäftigt, als Zeitzeuge die Erinnerung am Leben zu halten. Erst diese Woche hat er sein Buch „Erzählen um zu leben - Das Leben ist eine Frage von Sekunden und Millimetern“ präsentiert.

Beim eigentlichen Festakt, bei dem die Vertreter zahlreicher Nationen und Organisationen am Sarkophag im Zentrum der Gedenkstätte vorbeiziehen, wurde die russische Delegation nur als „Koordinationsrat der Organisationen russischer Landsleute in Österreich“ angekündigt. Die ukrainische Delegation wurde mit langem und herzlichem Applaus bedacht. Den Abschluss machte traditionell die US-amerikanische Abordnung - das Lager war im Mai 1945 von amerikanischen Soldaten befreit worden.

„Hier verbindet sich der Kummer mit dem Lebenswillen“
Das offizielle Österreich war neben Oberösterreich Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) vertreten durch Innenminister Gerhard Karner, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP), Justizministerin Alma Zadic und Klimaministerin Leonore Gewessler (beide Grüne). Im Vorjahr war die ÖVP-Regierungsriege dem Gedenken fern geblieben, was für Kritik gesorgt hatte. Ebenfalls anwesend war Altbundespräsident Heinz Fischer.

„Mehr als vier Jahrzehnte hat es gedauert, bis das offizielle Österreich anerkannt hat, in der Zeit des Nationalsozialismus nicht nur Opfer, sondern auch Täter gewesen zu sein. Was wir heute als selbstverständlich betrachten, war ein langer und mühsamer Prozess für unser Land“, so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Aussendung. Die ehemaligen Konzentrationslager und jetzigen Gedenkstätten Mauthausen und Gusen würden bei der Aufarbeitung eine wichtige Rolle spielen. Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) würdigte all jene, „die den Mut gehabt haben, sich offen gegen das NS-Regime zu stellen. Gleichzeitig eint uns das Bekenntnis dazu, alles zu tun, dass ihr Heldentum nie wieder notwendig werden wird.“

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner betonte via Aussendung, „die nationalsozialistischen Gräueltaten dürfen niemals vergessen werden“, das heiße auch, „Menschlichkeit zu bewahren und jeder Form von Hass, Ausgrenzung und Gewalt entschieden entgegenzutreten“.

Die Befreiungsfeier 2023 wird am 7. Mai stattfinden und unter dem Thema „Zivilcourage“ stehen.

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