Für immer verbunden

Eine Freundschaft, die den Tod überdauert

Vorarlberg
17.04.2022 16:00

Künstlerin Sigrid Hutter musste viel zu früh aus dem Leben scheiden. Bis zuletzt an ihrer Seite war ihre Freundin Andrea Fritz-Pinggera. An ihrem Totenbett versprach sie, Hutters Vermächtnis zu bewahren.

Freundschaften unter Frauen können sehr tiefgründig und emotional sein. Man teilt seine Gedanken, geht gemeinsam durch Höhen und Tiefen und sieht auch über kleine Makel liebevoll hinweg. Andrea Fritz-Pinggera (53) und die verstorbene Sigrid Hutter (49) verband so eine Freundschaft - 28 Jahre lang. Bis der Krebs Hutters Leben ein jähes Ende bereitete.

Bereits das Kennenlernen der beiden Frauen war recht unkonventionell. „Ich war damals alleinerziehende Mutter und sehnte mich nach einer Begleitung für Freizeitaktivitäten. Also gab ich ein Inserat in der Zeitung auf“, erzählt Andrea. Die ansprechendste Antwort erhielt sie nicht von einem Mann, sondern von Sigrid Hutter. Auf Transparentpapier schrieb diese mit Tusche, dass sie zwar nicht den gesuchten Anforderungen entspreche, aber gerne die Verfasserin dieser Zeilen kennenlernen würde: „Wir waren von Stund an befreundet.“ Hutter war bekennende Lesbe. Andrea indes dem anderen Geschlecht zugetan. „Das war das Geheimnis unserer langjährigen Freundschaft“, verrät Andrea. Sigrid Hutter habe ein sehr intensives Leben geführt - in jeder Hinsicht.

Eine Kämpferin und wahre Künstlerin
Als einzig überlebendes Kind aus neun Schwangerschaften kam Sigrid bereits als Kämpferin auf die Welt. Ihre Eltern wollten sie behütet aufwachsen sehen, wogegen sie sich zeitlebens wehrte. Sie bevorzugte es schnell und aufregend. So ist sie etwa eine ausgezeichnete Motorradfahrerin gewesen: „Sigrid verfasste auch Lyrik. In einem ihrer Werke hat sie ihre gelbe Ducati SuperSport als ihre einzig wahre Liebhaberin bezeichnet.“

Sigrid Hutter, die auch ein Künstlerbedarf-Geschäft in Feldkirch führte, war Malerin mit Leib und Seele und pfiff auf Konventionen. Sie stand offen zu ihrer Liebe zu Frauen, setzte sich für die Rechte von Homosexuellen ein und wehrte sich gegen jede Art von Schubladisierung: „In jungen Jahren schnitt sie sich sogar ihre langen Locken ab, weil sie von einem Journalisten als Rauschgoldengel betitelt wurde.“

In Vorarlberg erhielt sie für ihre Arbeit nie die Anerkennung, die ihr fraglos zugestanden wäre. Als „Weibermalerin“ abgetan, wich sie folglich auf Galerien in Deutschland und Innerösterreich aus - und siehe da, ihre Werke verkauften sich bestens! Trotzdem führte sie immer ein wahres Künstlerleben: „Wenn Sigrid zu Geld kam, wurde es auch ausgegeben. Und dann aß sie mal wieder eine Zeit lang nur Kartoffeln.“

Kurz vor dem Durchbruch die schlimme Diagnose
Laut einer ihrer Galeristinnen sei sie „zehn Zentimeter vor dem Durchbruch“ gestanden, als die zermürbende Diagnose „Nierenkrebs im Endstadium“ ihrem Leben ein Ablaufdatum gab. Und da war sie wieder, die Kämpferin: In ihren letzten Jahren war Sigrid so kreativ wie noch nie zuvor, auch von ihrer Lebenslust büßte sie nichts ein. Sie kostete jeden Tag voll und ganz aus: „Herr Doktor, meine besten Bilder sind noch nicht gemalt. Und meinen Sie, ich kann mit Sauerstoffflasche Motorradfahren gehen?“, fragte sie ihren Arzt bei einem der letzten Besuche. Drei Tage später verlor sie den Kampf gegen den Krebs. „Ich habe Sigrid bis zum letzten Atemzug begleitet und versprochen, ihr künstlerisches Vermächtnis unter die Leute zu bringen.“

„Andrea, lass meine Bilder nicht vergammeln, sie sind meine Kinder. Ich lebe weiter in meiner Kunst“ - Sigrids Worte hallen noch heute in Andreas Kopf nach. Nach einer Phase der Trauer ist es nun Zeit, das Versprechen einzulösen. Der erste Schritt war eine Ausstellung im Theater Kosmos, bald sollen weitere folgen. „Ich habe schon zu Lebzeiten oft Vernissagereden für Sigrid gehalten und ich merke, wie sehr mir die Kunstvermittlung Freude bereitet.“

In einem Lager warten die Werke der Künstlerin darauf, neu entdeckt zu werden. Wann immer Andrea eines der Bilder betrachtet, fühlt sie sich ihrer Freundin ganz nah: „An manchen Tagen rede ich mit ihr und denke mit: Ich rufe sie jetzt an. Weil sie so eine Präsenz hat.“ 

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