Hirnforschung

Cécile Vogt und die Bibliothek der Gehirne

Gesund Aktuell
27.03.2022 05:00

Auch Lenins Hirn soll in ihren Händen gelegen haben. Dazu jene von Genies, Berühmtheiten, Politikern, psychisch Kranken und Verbrechern:  Cécile Vogt gilt als Pionierin der Hirnforschung. Ihre Erkenntnisse sind heute noch gültig. Wer war diese Frau?

Sie war ihrer Zeit weit voraus:. Über ein halbes Jahrhundert lang stellte die Neurowissenschafterin Cécile Vogt (1875-1962), als Augustine Marie Cécile Mugnier in Annecy, Frankreich, geboren, zusammen mit ihrem deutschen Mann Oskar, ebenfalls ein erfolgreicher Forscher, die „Bibliothek der Gehirne“ zusammen. Dafür entwickelte sie Anfang des 20. Jhts. eine Methode zum Anfertigen von Gehirnschnitten. Die Exponate befinden sich heute an der Universität Düsseldorf (D).

„Docteur en Médicine“ als 25-Jährige in Paris
Und das, obwohl ihr Doktortitel, den die damals 25-Jährige in Paris 1900 mit einer Arbeit über die Myelinscheide („Isolierschicht“ von Nervenzellen) erwarb, in Berlin nicht ernst genommen wurde. Erst neun Jahre später war Frauen das Studium in allen deutschen Ländern erlaubt. Madame le Docteur hinderte das nicht daran, unermüdlich weiterzuforschen. Ihre Analysen sind immer noch aktuell, wie die Studien über den Thalamus (größter Teil des Zwischenhirns), ihre Einsichten über Alterungsprozesse oder das Syndrom des „Nicht vergessen Könnens“, heute als Posttraumatische Belastungsstörung bekannt. Das Vorurteil, dass Frauen geringere geistige Fähigkeiten aufweisen als Männer, weil ihre Gehirne kleiner sind, konnte sie bereits 1928 wissenschaftlich widerlegen.

Das Ehepaar baute das Kaiser-Wilhelm-Institut (heute: Max-Planck-Institut) für Hirnforschung in Berlin auf. Cécile war 13 Mal für den Nobelpreis nominiert (den sie aber nie bekam), wurde Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften und erhielt die Ehrendoktorwürde zahlreicher renommierter Universitäten. Ihre drei Töchter traten allesamt in die Fußstapfen ihrer Mutter, wurden Vorreiterinnen auf dem Gebiet der Genetik, Kinderpsychiatrie, Neuropharmakologie. Die Neurowissenschafterin der ersten Stunde schaffte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf(ung). Zwar privilegiert durch das Vorhandensein von Haushaltshilfen, Kindermädchen und der Möglichkeit zu reisen, aber dennoch bemerkenswert. Zumal sie als mitfühlend und warmherzig galt.

Buchempfehlung: "Cécile Vogt - Pionierin der Hirnforschung"

Erstmals wurde nun eine  Biografie der mehrfach für den Nobelpreis nominierten Forscherin Cécile Vogt, Pionierin der Hirnforschung, gewidmet. Von Birgit Kofler-Bettschart, Carl Ueberreuter Verlag.

Ausbau des Lebenswerks nach der Nazi-Herrschaft
Es verwundert nicht, dass die Nazizeit ab 1933 in Berlin für das Forscherpaar mit ihrer Demontage endete. Oskar wird als Direktor des von ihm und seiner Frau gegründeten Hirnforschungsinstitutes, dem modernsten seiner Zeit, abberufen. Cécile folgt ihm nach Neustadt im Schwarzwald, wo sie ihr Lebenswerk fortsetzen und ein privates Institut errichten. Sie stirbt drei Jahre nach Oskar in Cambridge, GB, bei ihrer Tochter. Jetzt hat ihr Birgit Kofler-Bettschart eine detailreich recherchierte Biografie gewidmet, die beim Lesen den Eindruck erweckt, die beiden Frauen wären einander tatsächlich begegnet. Cécile hätte das sicher gefallen.

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